Hochmoor

Hochmoore sind eher artenarm und werden von Torfmoosen dominiert. Nährstoffarmut, tiefer pH und nasse Verhältnisse führen zu einer spezialisierten Flora und Fauna mit einer Vielzahl gefährdeter Arten. © Ariel Bergamini / WSL

Weitere Hochmoore gingen in der Schweiz verloren

Urs Tester /  Diesen Sommer wurden zwei bedeutende Studien zum Zustand der Natur in der Schweiz veröffentlich. Grosse Medien informierten nicht.

Red. Der Autor ist Biologe mit Fachschwerpunkt Ökologie. Ein Gastbeitrag.


In 1.-August-Reden wird von der Schönheit unseres Landes mit ihrer vielfältigen Natur geschwärmt.  Auf Werbeprospekten werden Schweizer Naturschätze ins beste Licht gerückt. Doch wie geht es unserer Natur wirklich? 

Frühlingsenziane gedeihen auf Trockenwiesen und -weiden.Ariel Bergamini : WSL
Auf Trockenwiesen. und -Weiden gedeihen Frühlingsenziane.

Zwei im Juli veröffentlichte bedeutende Studien zum Zustand der Natur stiessen bisher auf wenig Interesse. Eine Studie beobachtete die Veränderung von Arten und Lebensräumen im Landwirtschaftsgebiet1. Die andere befasste sich mit dem Zustand der wertvollsten Schweizer Schutzgebiete, den Biotopen von nationaler Bedeutung2

Dank repräsentativ angelegten Stichproben und einer sorgfältigen Methodik machen beide Studien zuverlässige Aussagen über den Zustand und die Entwicklung der Natur in der Schweiz. 

Entwässererungsgraben
Oberhalb des Grabens auf der rechten Seite ist typische Flachmoorvegetation mit breitblättrigem Wollgras zu erkennen, unterhalb des Grabens auf der linken Seite fehlt die typische Flachmoorvegetation weitgehend.

Der Zustand geschützter Feuchtgebiete verschlechtert sich

Allerdings berücksichtigten beide Studien nur einen Teil der Naturvielfalt, nämlich Blütenpflanzen, Farne, Brutvögel, Amphibien und Tagfalter. Die Stichproben beider Studien wurden für die Erstaufnahme von 2015-2019 erhoben und für die Zweitaufnahme von 2020-2025. Zwar wurden über zehn Jahre Daten erhoben. Zwischen Erst- und Zweitaufnahme liegen aber nur 6 Jahre. Die fast 300 Seiten sind gespickt mit Zahlen, Grafiken und Fachbegriffen wie «Formationsveränderung» oder «Obere Bergzone». Keine leichte Aufgabe, die wichtigsten Ergebnisse herauszufiltern.

Zuerst die Studie zu den Biotopen von nationaler Bedeutung: 

Bereits in den wenigen Stichprobenflächen hat man über die Hälfte der in der Schweiz vorkommenden Pflanzenarten und über ein Drittel aller Arten der Roten Liste gefunden. Es zeigt den Wert dieser Naturperlen.

Eine gute Nachricht ist, dass die Fläche der Trockenwiesen in den Schutzgebieten um rund 630 Hektaren zugenommen hat. Und den geschützten Gletschervorfeldern geht es – zumindest vorläufig – gut. 

Trockenwiese.Steffen Boch
Trockenwiesen und Trockenweiden können auf kleiner Fläche einen grossen Artenreichtum beherbergen.

Die schlechte Nachricht: Der Zustand der geschützten Feuchtgebiete, also den Mooren, den Auen und den Amphibienlaichgebieten verschlechtert sich. Sie werden trockener, wachsen zu und die typischen Arten verschwinden. In sechs Jahren gingen beispielsweise 72 Hektare Hochmoorlebensraum verloren. Das ist beunruhigend. Denn Feuchtgebiete regulieren den Wasserhaushalt und könnten Schäden durch Trockenheit oder Hochwasser verringern. 

Dem Bundesamt für Umwelt waren die Ergebnisse dieser Studie keine Zeile wert. 

Weiher
Die Neuanlage von Weihern und Kleinstrukturen fördert Amphibien, besonders der seltenen Arten.

Und wie verändert sich die Naturvielfalt im Landwirtschaftsgebiet? 

Der zweiten Studie – zur Naturvielfalt im Landwirtschaftsgebiet – widmete das Bundesamt für Landwirtschaft eine Medienmitteilung mit der frohen Botschaft, der Zustand der Biodiversität habe sich nicht verändert. So positiv, wie sie das Bundesamt sieht, ist die Entwicklung der Naturvielfalt im Landwirtschaftsgebiet jedoch nicht. Zwar zeigen Fördergelder zugunsten der Biodiversität eine Wirkung. Auf den geförderten Flächen hat es durchschnittlich mehr Arten als im übrigen Landwirtschaftsgebiet. Der Anteil wertvoller Lebensräume macht 11 Prozent des Landwirtschaftsgebiets aus und ist gleichgeblieben. 

Seit 2015 hat aber die finanziell geförderte Fläche zugenommen und macht aktuell 18 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Das bedeutet, dass die Fördergelder auf 7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche oder rund 70’000 Hektaren noch nicht den gewünschten Effekt haben. Gemäss der Studie hat sich die Zahl der Brutvogelarten statistisch gesehen nicht verändert.

Ausserhalb des Landwirtschaftsgebietes nahmen die Brutvogelarten aber zu. Zudem wurden im Landwirtschaftsgebiet sieben Vogelarten weniger festgestellt. Es fällt auch auf, dass die Pflanzenvielfalt und die Brutvogelarten auf den Wiesen und Weiden im Berggebiet abnehmen, obwohl sie aufgrund des Klimawandels zunehmen müssten. Ein weiteres Indiz für die Abnahme der Naturvielfalt und den Handlungsbedarf zugunsten der Natur im Landwirtschaftsgebiet ist die Tatsache, dass die Zusammensetzung der Arten in der ganzen Schweiz immer ähnlicher wird. 

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  • Meier, E. et al. 2025: Veränderung der Biodiversität in der Schweizer Agrarlandschaft Von der ALL-EMA-Ersterhebung (2015-2019) zur Zweiterhebung (2020-2024) Agroscope Science Nr. 209 84s.Agroscope Zürich
     www.all-ema.ch
  • Bergamini A. et al. 2025: Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz (WBS): Zustand und Veränderung in den Biotopen von nationaler Bedeutung nach zwei Erhebungsperioden. WSL Bericht Heft 174 208s WSL Birmensdorf
    www.wsl.ch/berichte

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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