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Drei von vier Nutzpflanzen auf der Welt sind zumindest teilweise von Bestäubern wie dieser Biene abhängig. © cc-by-sa -col-/Flickr

Überschätzt: Die Honigbiene ist ein fauler Bestäuber

Daniela Gschweng /  Wilde Verwandte von Zuchtbienen sind weitaus fleissiger. Und auf das Teamwork mit anderen Bestäubern kommt es an.

Sie gilt als Symbol für emsiges Schaffen, die fleissige Honigbiene ist beim Bestäuben aber keineswegs einzige und wichtigste Akteurin. Was da sonst noch krabbelt, leistet in Summe oft deutlich mehr. Angesichts des Insektensterbens ist das keine gute Nachricht.

Das zeigen Langzeitstudien aus den USA, über die unter anderem «Die Welt» berichtete. 80 Prozent der Wild- und Nutzpflanzen werden zwar von Insekten bestäubt, die Honigbiene hat daran aber nur einen Anteil. Fehlen wilde Bestäuber wie Schmetterlinge, Wildbienen, Käfer oder Schwebfliegen, sinkt die Bestäubungsleistung deutlich.

Auf das Teamwork kommt es an

«Honigbienen bestäuben viele Kulturpflanzen lediglich ergänzend. Ersetzen können sie die Bestäubungsleistung der wild lebenden Insekten nicht», sagt Alexandra-Maria Klein, die an der Leuphana Universität Lüneburg Ökosystemfunktionen untersucht. Zusammen mit dem argentinischen Agrarökologen Lucas Garibaldi hat Klein das Zusammenspiel verschiedener Bestäuber studiert.

Je vielfältiger das Bestäuber-Team, desto höher ist demnach die Bestäubungsleistung. Allein die Anwesenheit von Wildbienen erhöhte zum Beispiel die Reichweite von Honigbienen, erklärt Klein. Wenn sie von Wildbienen «gestört» würden, flögen Honigbienen weiter. Mehr Reichweite wiederum sorgt für eine bessere Befruchtung und mehr genetischen Austausch.

Honigbienen sind «Schönwetterarbeiter»

Honigbienen sind dazu im Vergleich zu ihren wildlebenden Verwandten eher faul. Sie fliegen vor allem bei Sonnenschein, meiden schlechtes Wetter und besuchen vorzugsweise Blüten, die in der Sonne liegen. Wildbienen fliegen auch bei Kälte und Nässe, Insekten wie Wespen auch bis in den Herbst hinein, Hummeln schon bei wenigen Graden über dem Gefrierpunkt.

Während eine Honigbiene täglich bis zu 9000 Blüten besucht, fliegen Wildbienen pro Tag zwar nur etwa 5000 Blüten an. Weil sie gleichzeitig Pollen und Nektar sammeln, bestäuben sie dabei aber deutlich wirksamer. Die Honigbiene beschränkt sich auf eines von beidem. Für die Bestäubung mancher Kulturpflanzen sind andere Insekten sogar viel wichtiger als Bienen. Raps beispielsweise wird laut dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) zu 70 Prozent von Wildbienen bestäubt.

US-Imker kompensierten Artenschwund mit mehr Bienen

Honigbienen werden also überschätzt. Worunter sie leiden, schadet ihren wilden Verwandten aber erst recht: Pestizide, Krankheiten, fehlende Blütenvielfalt. Die Anzahl wilder Bestäuber geht überall auf der Welt zurück. Deshalb gibt es immer mehr Honigbienen.

Die US-Imker, über deren Probleme «Infosperber» kürzlich berichtete, kompensieren den Artenschwund mit einer grösseren Menge Bienenstöcke. Sie karren jedes Jahr Millionen Bienenvölker durchs ganze Land, damit Obst, Gemüse und die wichtigen Mandelbäume bestäubt werden.

Auch in der Schweiz sind Wildbienen bedroht

Früher oder später wird das Sterben wilder Insektenarten auch Europas Kulturpflanzen treffen. Hier gibt es zwar weniger «grüne Wüsten» wie in den USA, aber auch in der Schweiz geht es Tieren wie Hummeln (die zu den Wildbienen gehören) nicht gut.

Von 615 bekannten Wildbienenarten in der Schweiz gelten laut dem Bundesamt für Umwelt 59 als ausgestorben und 24 als «kritisch gefährdet», 279 wurden bei der letzten Überprüfung 2024 auf die Rote Liste gesetzt.

Die Gründe sind dieselben wie überall: Wiesen werden zu häufig gemäht, zu stark gedüngt und Gärten zu perfekt aufgeräumt. Und natürlich: Für ein vielfältiges Insektenleben werden zu viele Pestizide verwendet. Dabei profitieren von einer vielfältigen Umwelt nicht nur Pflanzen und Bienen, sondern auch Nützlinge wie Spinnen und Schlupfwespen, die Schädlinge in Schach halten können.

Es hapert sowohl am Hotel als auch am Buffet

Die beliebten Bienenhotels helfen dagegen nicht viel. Sie nützen nur wenigen Arten, die nicht gefährdet sind, fasst etwa das SRF zusammen. Die meisten Wildbienen brauchen kein Bienenhotel, sie leben im Boden und graben dort die Brutzellen für den Nachwuchs ein. Oft sind die künstlichen Brutröhren auch nicht lang genug oder sie haben den falschen Durchmesser, fasst zum Beispiel ein «Plantfluencer» in diesem Video auf Instagram pointiert zusammen.

Totholz, Erdhügel oder Sandhaufen tut Wildbienen mindestens genau so viel Gutes. Wer ein Bienenhotel hat, muss dazu auch für das Buffet sorgen. Wildbienen brauchen Pollen lokaler, einheimischer Pflanzen von Frühjahr bis Herbst. Manche Arten sammeln Pollen von nur wenigen Pflanzen oder nur einer einzigen Art. In Supermärkten verkaufte Samenmischungen, die als «Bienenfutter» oder Ähnliches angepriesen werden, sind jedoch nicht immer gut an die lokalen Verhältnisse angepasst. Auch dazu hat «Robinga Schnögelrögel» natürlich eine Meinung: (Instagram-Link).

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