Sonne

Technische Ansätze, um die Erderwärmung zu bremsen, gibt es viele. Doch die Klimafolgen sind unkalkulierbar. © Depositphotos

Die Sonne verdunkeln fürs Klima? – Warum das keine Lösung ist

Luigi Jorio / Swissinfo.ch /  Die wachsende Sorge ums Weltklima gibt technischen Ideen Auftrieb. Doch die sind momentan noch zu unsicher und unbeherrschbar.

2024 war weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher: Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und Extremereignisse wie Dürren und Hochwasser nehmen laufend zu.

Nachdem die Trump-Regierung verlauten liess, dass die USA aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, rückt das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, immer weiter weg. Dies hat der Erforschung von Technologien zur Veränderung der Sonneneinstrahlung auf der Erde (SRM, solar radiation modification) neuen Auftrieb verliehen.

SRM-Technologien waren lange Zeit tabu, da sie zum einen ethische Fragen aufwerfen, zum andern die Ursachen des Klimawandels nicht bekämpfen. Private Stiftungen und Länder wie die USA, Grossbritannien und China haben Summen in zweistelliger Millionenhöhe in Forschungsprojekte zu SRM investiert. Unternehmen wie das US-Startup «Make Sunsets» haben bereits mit Freiluftexperimenten begonnen, weitere Projekte sind für dieses Jahr geplant.

Vom 12.–16. Mai findet im südafrikanischen Kapstadt die bisher grösste Konferenz zum Thema SRM statt. Forscher:innen, Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen und politische Entscheidungstragende werden dort die wissenschaftlichen, sozialen und politischen Aspekte des solaren Geoengineerings erörtern.

«Bei SRM war die Frage nie, ob – sondern wann die Technologie genutzt würde», schreibt Gernot Wagner, Klimaökonom, Autor und Mitbegründer des Forschungsprogramms für solares Geoengineering an der Harvard University, in einer E-Mail an SWI swissinfo.ch. «Leider haben die Ereignisse seit dem 20. Januar mittags [Donald Trumps Amtseinführung im Weissen Haus, Anm. d. Red.] einen möglichen Einsatz nur noch wahrscheinlicher gemacht», so Wagner.

SRM-Technologien – was ist das?

Bei den SRM-Technologien handelt es sich um gezielte, gross angelegte Klimaschutzmassnahmen mit dem Ziel, die globale Erwärmung zu verringern. Die Wirkung der Sonnenstrahlen auf die Erde kann man im Wesentlichen auf zwei Arten verändern: indem man erstens mehr Sonnenlicht ins All reflektiert oder zweitens die Absorption der Sonnenstrahlen durch die Erde verringert.

Die Befürwortenden von SRM-Technologien argumentieren, dass diese die einzige nachhaltige Option darstellen, um die Temperatur auf der Erde schnell und relativ günstig auf vorindustrielles Niveau zu senken. Die Erde reflektiert etwa 30 Prozent der Sonnenenergie, die sie erreicht. Eine Erhöhung dieser Rückstrahlung um nur ein Prozent könnte die Durchschnittstemperatur der Erde um etwa 1°C senken.

Die Wissenschaft ist sich einig, dass eine rasche und drastische Verringerung der CO2-Emissionen unerlässlich ist, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Gemäss Befürwortenden von SRM würden wir mit solarem Geoengineering Zeit gewinnen, bis die Netto-null-Emissionen erreicht sind. SRM würde auch einige der Auswirkungen der globalen Erwärmung abmildern, beispielsweise den Anstieg des Meeresspiegels.

Wie lässt sich Sonnenlicht in den Weltraum reflektieren?

Die am besten erforschte Methode ist das Einbringen von Aerosolen in die Atmosphäre (Stratospheric Aerosol Injection oder SAI). Aerosole sind mikroskopisch kleine Partikel, welche die Sonneneinstrahlung in den Weltraum zurückwerfen und so die Temperatur auf der Erdoberfläche senken können. Dazu setzen Flugzeuge oder Ballone Milliarden von Schwefeldioxidmolekülen in die Atmosphäre frei. Diese Partikel sorgen dann für die Bildung von Aerosolen, die eine dünne, reflektierende Schicht um die Erde formen.

Dieses Phänomen tritt bei grossen Vulkanausbrüchen natürlicherweise auf. So führten Asche und Schwefeldioxid, die 1991 beim Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen freigesetzt wurden, für zwei Jahre zu einer Abkühlung der Erde um 0,5°C.

Eine aktuelle Schweizer Studie zur Freisetzung von Aerosolen in die Atmosphäre schlägt den Einsatz von festen Partikeln anstelle von Schwefeldioxid vor. Gemäss Studie reflektiert Kalzit- oder Diamantstaub das Sonnenlicht besser und belastet die Umwelt weniger.

Eine zweite weit entwickelte SRM-Technologie ist das Aufhellen von Meereswolken (Marine Cloud Brightening, MCB). Dabei sprühen Spezialkanonen auf Schiffen Meerwasser in die Atmosphäre. Die im Meerwasser enthaltenen Salzkristalle sorgen dafür, dass sich über den Ozeanen hellere Wolken bilden, die mehr Sonnenlicht reflektieren und die Korallenriffe vor hohen Temperaturen schützen.

Meereswolken aufhellen – wie geht das?

Würden Strassen und Dächer weiss gestrichen, würde ebenfalls mehr Sonnenlicht ins All zurückgeworfen. Helle Oberflächen können Städte während Hitzewellen erträglicher machen.

Theoretisch möglich wäre auch, gigantische Spiegel im Weltraum aufzustellen, um die Sonnenstrahlung zu reflektieren, bevor sie die Erde erreicht. Dies ist jedoch noch Science-Fiction, auch wenn ein UNO-Bericht diese Möglichkeit nicht völlig ausschliesst.

Und schliesslich bestünde die Option, Mikropartikel in Cirruswolken auszubringen, um diese dünner zu machen. Das sind Wolken in grosser Höhe, die die von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärme zurückhalten.

Wie weit sind die SRM-Technologien?

Solares Geoengineering bleibt vorerst ein mehrheitlich theoretischer Ansatz. Allerdings nimmt die Anzahl Forschungsprogramme zu SRM zu, und im Rahmen mehrerer Projekte werden bereits Freiluftversuche durchgeführt. «Make Sunsets» hat eigenen Angaben zufolge bereits 147 mit Schwefeldioxidmolekülen gefüllte Ballone in die Atmosphäre gebracht. In Australien untersucht die Southern Cross University seit 2020 die Auswirkungen der künstlichen Wolkenaufhellung auf das Great Barrier Reef.

«Wenn die Menschheit als Ganzes oder eine Gruppe mächtiger und genügend reicher Länder zum Schluss kommt, dass rund um den Planeten Aerosol in die Stratosphäre ausgebracht werden muss, kann das in wenigen Jahren realisiert werden», sagt Claudia Wieners, Assistenzprofessorin für Klimaphysik an der Universität Utrecht in den Niederlanden. «Der Bau der Atombombe war schwieriger.»

Reflexion SRM
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Warum ist solares Geoengineering umstritten?

SRM kann die Temperaturen senken – die Treibhausgase, die in die Atmosphäre ausgestossen werden, reduziert sie jedoch nicht. Die Technologie bekämpft somit nur die Symptome der Klimakrise, nicht aber ihre Ursachen.

SRM-Gegnerinnen und -Gegner sehen im solaren Geoengineering eine Hintertür, um sich nicht dem eigentlichen Ziel der Emissionssenkung widmen zu müssen. «SRM weckt falsche Hoffnungen, nämlich dass wir die Krise mit technologischen Mitteln bewältigen können», sagt Xiao-Shan Yap, Politikberaterin am Weltraumzentrum der EPFL Lausanne, im Schweizer Magazin «Horizonte». Es bestehe die Gefahr, dass die Politikerinnen und Politiker von ihren Verpflichtungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen abrücken würden.

Der Eintrag von Aerosolen in die Atmosphäre könnte auch unerwartete Auswirkungen auf das Klima, auf Niederschlagsmuster und auf die Umwelt insgesamt mit sich bringen. Schwefeldioxidpartikel beispielsweise sind gesundheitsschädlich und verursachen sauren Regen.

Dieser «Plan B» für den Klimawandel wirft auch grundlegende Fragen auf. Wer entscheidet, wann und wo SRM eingesetzt wird? Wer wäre bei schädlichen Nebenwirkungen verantwortlich? Und was passiert, wenn das Projekt vorzeitig abgebrochen würde, etwa aufgrund eines Kriegs?

Weltweit einheitliche Regeln gibt es nicht. Deshalb haben sich mehr als 500 Wissenschaftler:innen weltweit einem internationalen Aufruf für ein Verbot des solaren Geoengineering angeschlossen. Sie fordern, dass keine öffentlichen Gelder in SRM investiert und Freiluftversuche generell verboten werden.

Sandro Vattioni, Klimaforscher an der ETH Zürich, plädiert dagegen für mehr Forschung und mehr Versuche. «Rein wissenschaftlich und in kleinem Rahmen», wie er präzisiert. Vattioni ist der Autor der bereits erwähnten Diamantstaubstudie und einer der Rednerinnen und Redner auf der SRM-Konferenz in Kapstadt. «Wir müssen diese Technologien untersuchen, einschliesslich ihrer möglichen negativen Auswirkungen, denn vielleicht brauchen wir sie irgendwann», sagt er gegenüber SWI swissinfo.ch.

Claudia Wieners von der Uni Utrecht hält ein vorübergehendes Moratorium für SRM, das die Erforschung der wissenschaftlichen und politischen Aspekte solcher Projekte ermöglicht, für die vernünftigste Lösung. «Der Einsatz von SRM durch ein einzelnes Land wäre höchst unerwünscht und könnte zu Konflikten zwischen Staaten führen», befürchtet sie. Wieners ist Mitunterzeichnerin eines offenen Briefs, in dem eine ausgewogene Forschung gefordert wird.


Wie steht die Schweiz zu SRM?

Die Schweiz möchte Forschung zu solarem Geoengineering intensivieren. 2024 reichte sie bei der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) eine Resolution ein, in der sie eine Nutzen-Risiko-Analyse durch eine Fachgruppe fordert. Da sich die Länder jedoch nicht einig wurden, wurde die Resolution zurückgezogen. Die afrikanische Staatengruppe, die pazifischen Inselstaaten und weitere Länder wie Mexiko hätten gegen jeden Vorschlag gestimmt, der den Weg für SRM freigemacht hätte.

Laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) sind SRM nicht Teil der nationalen Klimapolitik. Die Schweiz bemühe sich jedoch auf internationaler Ebene darum, dass Staaten Zugang zu vorhandenen Informationen haben, besonders zu möglichen grenzüberschreitenden Risiken und Auswirkungen.

Die nächste UNEA-Versammlung ist für Dezember angesetzt. Ob die Schweiz die SRM-Resolution erneut einreichen wird, ist laut Bafu noch offen.

Dieser Beitrag ist auf swissinfo.ch erschienen.


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