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Die Schweizer Spanienkämpfer posieren vor dem Haus zur Eintracht am Zürcher Neumarkt. © Ariadnefilm/Erich Schmid

Die kleine Weihnachtsgeschichte aus SP-Seldwyla

Erich Schmid /  Zürichs SP- Stadtpräsidentin Corine Mauch verbot eine Gedenktafel für Schweizer Spanienkämpfer, worauf Bürgerliche sie bewilligten.

Die Seldwyler Geschichte über die Anbringung einer Gedenktafel für die 800 Schweizer, die von 1936 bis 1939 in Spanien als Freiwillige gegen den Faschismus kämpften, müsste man eigentlich nicht unbedingt veröffentlichen, wäre der spanische Bürgerkrieg nicht bis heute ein Politikum – im kleinen wie im grossen. Weder die Geschichtsforschung über die kriegerischen Vorgänge und die innerrepublikanischen Auseinandersetzungen, noch die Diskussionen über die Rolle der Kommunisten und Anarchisten sind abgeschlossen, und noch nicht einmal die vielen Tausend Toten sind identifiziert.
Die konservativen Kräfte in Spanien sorgten dafür, dass Star-Richter Baltasar Garzón, der sich als «Tyrannen-Jäger» (z. B. Pinochet) einen Namen gemacht hatte und die längst fällige Öffnung der Massengräber im eigenen Land vorantreiben wollte, zu einem elfjährigen Berufsverbot verurteilt und faktisch expatriiert wurde; er amtet jetzt als Untersuchungsrichter ausser Landes am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Damit hat die geschichtliche Aufarbeitung des Bürgerkriegs in Spanien einen Tiefschlag einstecken müssen.
Spanienkämpfer sind nicht mehr vorbestraft
Es sieht aber in der Schweiz nur wenig besser aus. Es gab auch hierzulande die immer gleichen konservativen Kräfte (von Christoph Blocher bis Luzi Stamm), die sich bis ins Jahr 2009 erfolgreich gegen die Rehabilitierung der Schweizer Spanienkämpfer wehrten und erst durch vernünftige Mehrheiten im Parlament neutralisiert werden konnten. Doch nun ist sowohl die politische wie auch die juristische Rehabilitierung der Schweizer Antifaschisten im spanischen Bürgerkrieg, die alle nach ihrer Rückkehr in der Schweiz verurteilt worden waren, gesellschaftlich akzeptiert und nicht mehr in Frage gestellt. Unsere Spanienkämpfer wurden freigesprochen, die meisten allerdings erst posthum; sie gelten seit 2009 nicht mehr als vorbestraft.
Ihrer wollten wir am Ende dieses Jahres gedenken: erstens mit einer Erinnerungstafel am Zürcher Neumarkt 5, dem legendären Haus zur Eintracht, wo sich die Rückkehrer nach der Niederlage in Spanien 1939 zum ersten Mal trafen, um die Interessengemeinschaft Schweizer Spanienkämpfer zu gründen, und zweitens mit einer Gedenkveranstaltung im Theater Neumarkt, das im gleichen Gebäude gastiert. Die Gedenkveranstaltung war erfolgreich, das Theater ausgebucht. Bloss die Gedenktafel wollte uns die SP-Stadtpräsidentin und ihr Kulturamt vermiesen.
Kulturchef verweist auf Stadtpräsidentin
Da es sich beim Neumarkt 5 in Zürich um eine städtische Liegenschaft handelt, richteten der Schreibende und alt SP-Gemeinderat Bruno Kammerer ein Gesuch an Peter Haerle, Direktor Kultur, und erhielten zur Antwort, es handle «sich hier nicht um eine eigentliche kulturelle Sache, sondern um etwas Politisches», wofür die Stadtpräsidentin zuständig sei. Also wandten wir uns an Corine Mauch, die das Gesuch zur Installation einer Gedenktafel ablehnte mit der Begründung, unser Anliegen sei «bereits erfüllt».
Niemand hatte damit gerechnet, dass zwischenzeitlich dasselbe Gesuch im internen Verteiler der Stadtverwaltung an weitere Amtsstellen ging, die ihm zustimmten, so die kantonale Denkmalpflege, die städtische Liegenschaftsverwaltung und vor allem der für kulturelle Angelegenheiten offenbar weit aufgeschlossenere FDP-Stadtrat und Finanzvorstand Martin Vollenwyder.
FDP-Nationalrat kämpft für seinen Vater
Zum Schluss klinkte sich auch noch der Sohn des bekannten Spanienkämpfers Hans Hutter ein, der Winterthurer FDP-Nationalrat Markus Hutter, der bereits auf eidgenössischer Ebene die Rehabilitierungsvorstösse des Sankt Galler SP-Parlamentariers und Rechtsanwalts Paul Rechsteiner unterstützt hatte und massgeblich an deren Durchsetzung beteiligt war. Und so kam es dann, dass am Freitag, 2. November 2012, zwei FDP-Politiker bei glänzender Abwesenheit der SP-Stadtpräsidentin mit flammenden Reden gegen die zunehmenden faschistischen Tendenzen die bleibende Gedenktafel am Neumarkt 5 im Kreise zahlreicher Besucher einweihten. – Ende gut, alles gut?
Es muss in der Stadtverwaltung eine ziemliche Aufregung und ein Hin und Her gegeben haben. Dem Direktor Kultur war die Sache nicht mehr recht. Er bot uns in einem Mail an, «gratis einen Flyer dem Kulturversand beizulegen». Aber als das Theater Neumarkt das eigens für diesen Anlass gedruckte Flugblatt liefern wollte, wurde dessen Versand trotz direktorialen Versprechens plötzlich verweigert.
Gäste reisten auch aus Spanien an
Natürlich wollten wir die Einweihung der Gedenktafel (Bild siehe unten als Attachment) und die darauffolgende Kulturveranstaltung im Theater Neumarkt nicht mit kleinlichen Geschichten belasten und haben vor allem im Angesicht mehrerer Gäste, die aus Spanien angereist waren, auf eine Veröffentlichung seldwylerischer Hintergründe aus dem rot-grünen Zürich verzichtet. Doch nun scheint genug Zeit verstrichen, um diese kleine Altlast loszuwerden bei einem Medium, das bringt, was andere nicht bringen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Erich Schmid, Journalist und Filmemacher. Er ist Autor des Buches "In Spanien gekämpft, in Russland gescheitert - Männy Alt (1910-2000) - ein Jahrhundertleben" (Orell Füssli, 2011)

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Eine Meinung zu

  • am 28.12.2012 um 11:26 Uhr
    Permalink

    Warum wird im Lead kolportiert, Stadtpräsidentin C. Mauch hätte die Gedenktafel verboten, wenn der Text dann ausführt, sie hätte lediglich das Gesuch zurückgewiesen, weil es bereits erfüllt sei?

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