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Die Schweizerische Nationalbank SNB vermag den Frankenkurs nicht richtig zu steuern © snb

Der verzweifelte Kampf des Alleingängers SNB

Markus Mugglin /  Die angeblich «unabhängige» Finanzpolitik der Nationalbank ist in Wirklichkeit weder autonom noch sonderlich erfolgreich.

«Die Schweiz hält den Atem an», «hoffen auf die USA», «bisher Glück gehabt» – so und ähnlich besorgt berichteten Medien im Dezember mit Blick auf die Euro-Zentrale in Frankfurt und das FED in Washington. Es standen wichtige Entscheide an. Beim FED die erstmalige Zinserhöhung seit vielen Jahren. Bei den Euro-Währungshütern ging es um allenfalls zusätzliche Massnahmen, um den Euro weiter zu schwächen.
Es wurde angedeutet, dass das Schicksal des Frankens nicht in den Händen unserer Währungshüter liegt. Nicht gefragt wurde aber, was die angeblich autonome Geldpolitik überhaupt bringt. Macht uns die «Eigenständigkeit» nicht erst recht abhängig von den Launen und Entwicklungen ausserhalb unserer Grenzen?
Die Schweizerische Nationalbank SNB vermag den Frankenkurs jedenfalls nicht richtig zu steuern. Ansonsten würde sich das Direktorium nicht regelmässig über den stark überbewerteten Franken beklagen. Weder mit den Negativzinsen noch mit zeitweiligen Interventionen am Markt gelingt es ihm, den «richtigen» Wechselkurs herbeizuführen.
Starker Franken grösste Schwäche
Der gegenüber dem Euro zu starke Franken erweist sich als die grösste Schwäche der Schweizer Wirtschaft. Er hinterlässt tiefe Spuren in den Büchern der Exportindustrie. Deren Verkäufe in die Euroländer sind bereits nach der massiven Aufwertung im Jahre 2011 eingebrochen. Seither haben sie sich nicht mehr erholt.
Auch in der Industrieproduktion hinterlässt der überbewertete Franken deutliche Spuren. Nach Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015 ist die Produktion deutlich gesunken. Schwer betroffen ist nicht zuletzt die Maschinen- und Metallindustrie. Ein Drittel der Unternehmen schreibt rote Zahlen, jedes fünfte Unternehmen will Kapazitäten ins Ausland verlegen. Auch der Tourismus und der Detailhandel erleiden starke Einbussen.
Dass es nicht noch schlimmer gekommen ist, liegt an den zeitweiligen Interventionen der Nationalbank. Sie hat so eine noch grössere Überbewertung des Frankens verhindert.
«Floating» und falscher Wechselkurs
Den «richtigen» Franken-Euro-Kurs gibt es aber nicht nur jetzt nicht. Seit die europäische Einheitswährung Anfang 1999 als Buchgeld eingeführt wurde, gab es ihn vergleichsweise selten. Meistens war der Kurs weit davon entfernt. In der Periode 2003 bis 2010 war der Franken stark unterbewertet. Seit 2011 ist er stark überbewertet. Das heisst: Während rund zwei Drittel der 17 Jahre langen Periode der europäischen Einheitswährung entsprach der Franken-Euro-Kurs nicht der sogenannten Kaufkraftparität. Normal ist offensichtlich nicht der «richtige», sondern ein «falscher» Preis. Der Devisenmarkt spielt nicht so, wie es die Anhänger der Mainstream-Theorien behaupten.
Während jetzt über den falschen Kurs geklagt wird, war das in den Jahren nach 2003 nicht der Fall. Im Gegenteil. Es wurde die «Re-Industrialiserung» der Schweiz gefeiert. Die Industrieproduktion nahm stark zu. Die Exporte in die damals zwölf Euroländer hatten während fünf Jahren durchschnittlich um fast acht Prozent zugelegt.
Es war die beste aller Welten. Auch deshalb, weil die gegenüber dem Ausland erzielten Leistungsbilanzüberschüsse über Kapitalexporte ausgeglichen wurden. Deshalb kam der Franken nicht unter Aufwertungsdruck. Die Nationalbank konnte die Entwicklung sorgenfrei beobachten.
SNB auf sich allein gestellt
Jetzt ist die SNB in der Defensive. Auf sich alleine gestellt hat sie nur die Wahl zwischen zwei Übeln. Entweder verteidigt sie mit unbeschränkten Devisenkäufen einen für die Realwirtschaft erträglichen Mindestkurs und ist bereit, allenfalls eine massive Ausweitung der Nationalbank-Bilanz in Kauf zu nehmen. Oder sie lässt die massive Frankenaufwertung zu mit verheerenden Folgen für die Realwirtschaft.
Die meisten Experten tun noch immer so, als ob es einen Weg des Sowohl-als-auch gäbe. Der emeritierte Währungsexperte der Universität Basel, Peter Bernholz, ist eine Ausnahme. Er tritt für «den Erhalt der realen Wirtschaft, der Pensionskassen, die Vermeidung von Arbeitslosigkeit» ein. Das wiegt für ihn schwerer als die Frage der Reserven in der Nationalbankbilanz.
Die Nationalbank macht weder das eine noch das andere oder beides nur halbherzig. Sie verteidigt den Franken seit Mitte Januar 2015 noch hin und wieder. Es half, den Franken wenigstens wieder in Richtung 1.10 zum Euro zu bewegen. Dafür musste sie auch in diesem Jahr wieder eine Ausweitung der Bilanz in Kauf nehmen. Machte diese Ende 2014 im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz noch weniger als 90 Prozent aus, so liegt der Anteil Ende 2015 bei rund 95 Prozent.
Es sieht so aus, als sollte das Durchwursteln weitergehen, auch wenn das niemand glücklich macht. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gibt sich zwar kämpferisch: «Es darf keine De-Industrialisierung geben.» (NZZ, 18.12.2015). Doch als Kampfmittel weiss er nur Parolen gegen zu viel Bürokratie anzubieten. Das mag populär tönen, hilft aber wenig.
An den Nachwirkungen der Eurokrise auf den Frankenkurs ändert das jedenfalls nichts. Solange sie andauert, bleibt der Franken unter Aufwertungsdruck und das Nationalbank-Direktorium hilflos. Das liegt allerdings auch an der Politik bzw. am Auftrag, den die Nationalbank zu erfüllen hat.
Sie hat «als vorrangiges Ziel, die Preisstabilität (zu) gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung (zu) tragen». Unerwähnt bleibt im Auftrag jeglicher Hinweis auf ein Wechselkursziel. Eine erstaunliche Prioritätenordnung für die Notenbankpolitik eines Landes, dessen Wirtschaft stark auf Exportmärkte und insbesondere die Euromärkte ausgerichtet ist. Eine Prioritätenordnung, die aber politisch revidiert werden könnte und sollte.
Von Dänemark lernen
Dänemark, ebenfalls ein wohlhabendes und stark auf internationale Märkte ausgerichtetes Land, erteilt seiner Zentralbank einen anders lautenden Auftrag. Sie ist für eine Geldpolitik zuständig, welche die Stabilität der Währung bei einer Bandbreite von +/-2,25 Prozent gegenüber dem Euro sicherstellen soll. Das erfolgt über Zinsanpassungen, im Notfall ergänzt über Devisenkäufe oder -verkäufe. Die Wechselkurspolitik basiert auf dem Wechselkursmechanismus II, der zusätzlich die gegenseitige Verpflichtung zur Verteidigung der festgelegten Parität vorsieht. Auch die Europäische Zentralbank soll folglich unterstützend eingreifen.
Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb Dänemark bei der Stabilisierung des Wechselkurses mehr Erfolg hat als die Schweiz, heisst es dazu von Seiten des renommierten Think Tank CEPS in Brüssel.
Als EU-Mitglied liegt es nahe, dass Dänemark am Wechselkursmechanismus II beteiligt ist. Für die Schweiz bräuchte es ein gesondertes Abkommen. Ob ein solches überhaupt möglich wäre, ist offen. Das wäre zu klären. Doch darum müsste sich die Schweiz zuerst bemühen.
Der bilaterale Weg der Schweiz im Verhältnis zur EU zeigt immerhin, dass Sonderwege nicht von vorneherein ausgeschlossen sind. Voraussetzung wäre aber zumindest, dass die Schweiz ihre Beziehungen zur EU insgesamt weiter vertiefen möchte. Als stark exportabhängiges Land müsste sie nach den negativen Erfahrungen mit der angeblich unabhängigen Geldpolitik grösstes Interesse daran haben.

Eine ausführliche Fassung des Artikels ist im neusten Faktenblatt Franken – Euro: Mehr Fremd- als Selbstbestimmung? auf dem Europa Portal Schweiz der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik (SGA-ASPE) erschienen. Dort sind auch Faktenblatt 1 und 2 über «Asylpolitik, Schweiz und Europa» und «Nahrungsmittelexporte – eine bilaterale Erfolgsstory» zu finden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Markus Mugglin, Journalist und Ökonom, ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik (SGA-ASPE).

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 7.01.2016 um 11:46 Uhr
    Permalink

    Solange man sich noch eine interne Aufwertung in Form von Lohnerhöhungen in vielen Branchen leisten kann, dürfte der Franken nicht so stark überbewertet sein, wie immer gejammert wird.

  • am 8.01.2016 um 05:25 Uhr
    Permalink

    Geldpolitik ohne Verluste ist möglich mit einem Staatsfonds

    „Es gibt bei der SNB offenbar einen Interessenkonflikt zwischen dem Ziel der Preisstabilität und der Vermögensverwaltung. Und die SNB hat am 15. Januar 2015 jenen Entscheid getroffen, zu dem sie sich aus Angst vor Verlusten gezwungen fühlte. Eines der Probleme der SNB ist, dass ihre Profite teilweise an die Kantone ausgeschüttet werden. Damit wird das Problem ihrer Verluste automatisch hochpolitisch.
    Was könnte man tun, damit sich Zentralbanken in der Ausübung der Geldpolitik nicht um Verluste und Volkszorn sorgen müssen? Man könnte die Aktiven aus der Zentralbank lösen und einer anderen Institution übergeben, etwa einem Staatsfonds, der sie verwaltet. Dann müsste sich die Zentralbank nicht mehr um Verluste kümmern. Das ist ein Weg, über den vor allem die SNB nachdenken sollte.“ (Interview der NWCH vom 3. Oktober 2015 mit Prof. Charles Wyplosz, Professor für International Economics am Graduate Institute an der Universität Genf)

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