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Die neuste Monsanto-Werbung für Roundup Gel (Fotomontage: ktm) © -

WHO: Monsanto-Gift «wahrscheinlich krebserregend»

Kurt Marti /  Laut einer WHO-Studie erzeugt das Herbizid Glyphosat «wahrscheinlich» Krebs. Risikobewerter und Pestizidlobby kommen unter Druck.

Der März-Kongress der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Lyon war ein Schuss vor den Bug der internationalen Pestizidlobby und die Zulassungsbehörden der EU: 17 Krebsexperten aus 11 Ländern kamen zum Schluss, dass das Herbizid Glyphosat «wahrscheinlich krebserregend für den Menschen» ist und stuften das Pflanzengift als kanzerogen der Gruppe 2A auf der Skala von 1 bis 5 ein.

Die Krebsforscher begründeten ihre Kritik in der Fachzeitschrift The Lancet vom 20. März und verwiesen dabei auf Untersuchungen in Kanada, Schweden und den USA: Probanden, die in Kontakt mit Glyphosat gekommen waren, zeigten laut WHO-Studie ein erhöhtes Risiko, am Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken.

Unbeirrte Behörden, trotz kritischen Studien

Glyphosat ist das weltweit am meisten verkaufte Herbizid. Auch in der Schweiz sind rund 120 verschiedene Herbizidprodukte mit dem Wirkstoff Glyphosat zugelassen. Jährlich werden in der Schweiz 300 Tonnen Glyphosat versprüht, vor allem in der Landwirtschaft und in privaten Gärten. Glyphosat wurde 1974 vom Chemiekonzern Monsanto patentiert und unter der Marke Roundup auf den Markt gebracht. Die Monsanto-Patente sind in den meisten Staaten abgelaufen, so dass heute auch viele andere Firmen glyphosathaltige Produkte anbieten.

In den letzten Jahren häuften sich die wissenschaftlichen Studien mit Verdacht auf die gesundheitschädigende Wirkung von Glyphosat für Mensch und Tier (siehe beispielsweise Infosperber: Mysteriöse Todesfälle: Monsanto-Gift im Verdacht). Doch die Zulassungsbehörden der EU und der Schweiz sowie ihre beratenden Gremien liessen sich davon wenig beeindrucken und bezeichneten das umstrittene Herbizid bisher als unbedenklich.

EU-Verfahren zur Neubewertung von Glyphosat

Es ist kein Zufall, dass die Kritik der WHO-Experten gerade jetzt an die Öffentlichkeit kommt, denn zur Zeit läuft in der EU das Verfahren zur Neubewertung von Glyphosat. Dabei fungiert Deutschland als Berichterstatter zuhanden der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Das zuständige deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) liess im Januar verlauten, dass die Analyse «keine Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat» ergeben habe. Das ist wenig erstaunlich, denn in der BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel sitzen auch die Vertreter der Pestizidindustrie, allen voran je zwei Vertreter von Bayer und von BASF.

EU-Risikobewerter: Zuerst forsch, dann kleinlaut

Ziemlich forsch weist das BfR die Kritik der WHO-Krebsexperten in einer Pressemittelung vom 23. März zurück: Glyphosat sei von den zuständigen nationalen, europäischen und anderen internationalen Institutionen «nach Prüfung aller vorliegenden Studien als nicht krebserzeugend bewertet worden». Die WHO-Kritik sei «wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar und offenbar nur mit wenigen Studien belegt». Die BfR-Argumentation gleicht jener des Monsanto-Konzerns, der seinerseits auf das BfR verweist: «Jede Studie, die die IARC verwendet hat, wurde bereits von Zulassungsbehörden bewertet – zuletzt durch deutsche Behörden im Auftrag der EU.»

In einer weiteren Medienmitteilung vom 2. April wird das BfR plötzlich kleinlaut und sieht es «als nicht zielführend an, wenn es als Verfasser des Bewertungsberichts zu Glyphosat die IARC-Monographie kommentiert». Zudem empfiehlt das BfR der EFSA «den Bericht der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) im Verfahren zu berücksichtigen». Die EFSA beziehungsweise die EU-Kommission solle «eine ausführliche Bewertung der IARC-Monographie zeitnah veranlassen».

Schweiz: Warten auf die ausführliche WHO-Studie

In der Abteilung Risikobewertung im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nimmt man die WHO-Kritik zur Kenntnis. Gegenüber der SRF-Sendung «Espresso» erklärte BLV-Mitarbeiter Emanuel Hänggi: «Es ist momentan aber so, dass uns nur eine Kurzfassung des WHO-Berichts vorliegt. Das heisst, die Grundlagen, welche zu dieser Einschätzung geführt haben, sind zurzeit noch nicht bekannt.» Sobald der Bericht zur Verfügung stehe, mache man eine Überprüfung und entscheide dann, ob Handlungsbedarf bestehe. Dabei wird sich die Schweiz erfahrungsgemäss stark an die Massnahmen der EU anlehnen.

Werbeoffensive von Monsanto

Während die Diskussion um das Pflanzengift Glyphosat erneut entbrannt ist, startet Monsanto mit seinem neusten Glyphosat-Produkt Roundup Gel für Hobbygärtner eine Werbeoffensive. In Werbefilmen im Internet und auf SRF appelliert der Pestizidkonzern an den Traum der Hausgärtner, das lästige Unkraut mit einer einzigen Berührung zum Verschwinden zu bringen: Eine Hand mit Schutzhandschuh berührt einen harmlosen Löwenzahn, der augenblicklich bis auf die Wurzeln abstirbt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Glyphosat

Der Unkraut-Killer Glyphosat

Das in Landwirtschaft (mit «Roundup-Ready»-Saatgut) und Hobbygärten versprühte Herbizid ist in der Kritik.

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Pro und Contra Gentechnik

Genveränderte Nahrungs- und Futtermittel: Was ist erlaubt, was verboten. Wer haftet für Langzeitschäden?

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5 Meinungen

  • am 10.04.2015 um 12:16 Uhr
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    Danke, Herr Marti, für diesen Text! Sie sind mir zuvor gekommen, denn die praktisch täglichen Roundup Gel-Werbungen haben mich längst stutzig gemacht. In meinem Hinterkopf ist nämlich immer noch gespeichert, dass Roundup nur mit grösster Vorsicht anzuwenden sei. Diese Info habe ich immer noch aus der Zeit, als wir in Italien eine Gärtnerei (Schnittblumen und Kakteen) führten, aber auch aus unserem Gärtner-Bekanntenkreis in der Schweiz. Mein Mann und ich schauen uns jeweils bei der Roundup Gel-Werbung an: «Aber Roundup ist doch nicht so harmlos, wie hier dargestellt!» sagen und fragen wir uns dabei.
    Irgendwie bezeichnend, dass das BLV noch abwartet, bis nähere Untersuchungen vorliegen… dabei würde doch eine kurze Internet-Recherche genügen, um innert Sekunden mehrere Informationen, auch seriöse, vorliegen zu haben, samt den Adressen der entsprechenden Umfrage-Organisationen!
    Für mich – seit 1974 aktiv in der Konsum- und Umweltarbeit – gilt deshalb sofort: Roundup Gel ist überhaupt nicht nötig und schon gar nicht im Familiengarten! Umso mehr als man längst weiss, dass insbesondere Hobbygärtner solche Mittel sehr häufig viel zu «grosszügig» einsetzen nach dem Motto; «ach, das ist ja nicht so viel und wenn ich es schon im Haus habe….“
    Da ein zu «grosszügiger» Einsatz jedoch für Gärtner und Landwirte schnell ins grosse Geld gehen, ist dort ein Herbizid-Einsatz eher sparsamer und meist nur «so viel wie nötig, so wenig wie möglich». Aber auch da gälte: lieber gar kein Roundup!

  • am 10.04.2015 um 12:56 Uhr
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    Glyphosat wird massgeblich auch durch die enormen Mengen von importierten Futtermitteln zur Produktion von „Schweizer Fleisch“ aus Glyphosat-behandeltem Herbizid-resistenten Mais, Raps,Soja und Getreide via Fleisch, Milch Eier und Zuchtfischen in die Nahrungskette eingeschleust. Die Risiken werden aber von den „Experten“ in den Bundesämtern auf „Empfehlung“ der mächtigen Agrarchemie-Lobby gegen Omertà-Cash verharmlost !

  • am 10.04.2015 um 20:49 Uhr
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    Ich ärgere mich auch masslos über diese Reklame (und überhaupt über die Machenschaften von Monsanto und Co.) und habe jetzt SRF deswegen geschrieben. Vielleicht würde es was bringen, wenn SRF mit Protestmails wegen der Roundupreklame überhäuft würde? Also ein Aufruf an alle Infosperberleser und Leserinnen: tut euren Aerger bei SRF kund!

  • am 18.05.2015 um 19:48 Uhr
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    Die penetrante, beschönigende, verharmlosende Reklame für Roundupgel ist skandalös. Noch schlimmer: in allen Bau-undHobbymärkten steht Roundup kanisterweise zuvorderst in den Regalen. Noch skandalöser ist die Antwort des Bundesamtes für Umwelt auf meinen Brief: Das Mittel sei zugelassen. Reklame dafür dürfe das Mittel nicht als harmlos hinstellen. Es müsse darauf hingewiesen werden, dass das Mittel vorsichtig zu verwenden sei und die Anleitung gelesen werden müsse. Auf meine Fragen wurde gar nicht eingetreten. Das ist ein Hohn. Meine Tochter, die Gärtnerin ist, lernte noch, dass Roundup Giftklasse 3 habe und nur im Ausnahmefall zu verwenden sei. Für Orivate war das Mittel damals nicht frei erhältlich.
    Und sogar Kolumbien hat die Verwendung von Glyphosphaten zum Abspritzen von illegalen Kokainplantagen kürzlich verboten!

  • am 19.05.2015 um 17:39 Uhr
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    Und wer etwas Konkretes will, kann die Petition unterschreiben und von Freunden und Bekannten unterschreiben lassen: https://www.konsumentenschutz.ch/themen/lebensmittelproduktion/glyphosat-verbieten-jetzt/
    Wie ich eben über eine Medienmitteilung des acsi (Konsumentenverein der ital. Schweiz) erfahren habe, tut sich bereits etwas, bei COOP früher und bei Migros leider viel später. Aber immerhin!
    Also: nöd lugglah gwünnt! Petition sofort unterzeichnen!

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