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Diplomatie vor 200 Jahren: Delegierte des Wiener Kongresses verhandelten die Neuordnung Europas © cc

Der Wiener Kongress und die Erfindung der Schweiz

Hans Ulrich Jost /  Mit dem Wiener Kongress wurde vor 200 Jahren die Grundlage geschaffen für eine souveräne, föderalistische und neutrale Schweiz.

Vor 199 Jahren, Ende März 1814, ging mit dem Einzug der Truppen der antifranzösischen Allianz in Paris das napoleonische Reich, aber letzlich auch das alte Europa, unter. Die Siegermächte und Vertreter praktisch aller europäischer Staaten kamen im Oktober desselben Jahres in Wien zu einem internationalen Friedenskongress zusammen. Der Wiener Kongress, der bis Juni 1815 dauerte, hatte bisher in der öffentlichen Meinung und der Geschichtsschreibung einen schlechten Ruf. «Der Kongress tanzt» und vergeude die Zeit in einer Unzahl von festlichen Anlässen und richte nur die monarchische Herrschaft wieder auf, meinten schon damals kritische Stimmen.

Diese Kritik übersieht allzu rasch, dass in zahlreichen Ausschüssen und Sitzungen ernsthaft gearbeitet wurde. Themen waren nicht nur die Neuordnung Europas, sondern auch der Sklavenhandel, die Schifffahrt auf den Flüssen und die Rückführung geraubter Kunstgegenstände. Erstmals in der Geschichte beschäftigte sich eine gut dotierte Statistikkommission mit der demografischen Struktur Europas. Wenn auch die monarchischen Staatsvorstellungen dominierten, so legte der Kongress doch eine wichtige Grundlage für ein modernes internationales Recht, mit dem eine kollektive Sicherheit angestrebt wurde. Ein Ende letztes Jahr herausgegebenes Buch zum Wiener Kongress trägt nicht zu Unrecht den Untertitel «Die Erfindung Europas» (siehe unten). In Wien erfand man auch die moderne Schweiz.

Heillos zerstrittene Schweiz

Der helvetische Blick auf den Wiener Kongress ist noch heute getrübt. Im Zentrum steht, oft mythisch überhöht, die Frage der Neutralität. Doch es ging im Grunde um viel mehr. Es ging letztlich um die Existenz der Schweiz. Und wäre es damals nicht zu einem Konsens zwischen den Vertretern der Mächte über das Weiterbestehen der Schweiz und deren staatlicher Form gekommen, so wäre bestenfalls eine Rumpfschweiz, nicht viel grösser als Lichtenstein, übrig geblieben.

Die Eidgenossen waren heillos zerstritten. Die alten aristokratischen Kräfte, allen voran Bern, unterstützt von der konservativen Innerschweiz, verlangten die Wiederherstellung der alten Untertanengebiete. Überhaupt ging es in erster Linie um Territorialansprüche oder finanzielle Kompensationen. Am extremsten gebärdeten sich Bern und Genf, wenn auch mit unterschiedlichen Zielvorstellungen.

Bern verlangte in erster Linie seine Untertanengebiete zurück. Die Genfer wollten sich indessen möglichst viele Gebiete Savoyens einverleiben, was wiederum den Zürchern sehr zuwider war. Neue Gebiete mit französisch sprechender Bevölkerung, zudem noch Katholiken, hätte die deutschschweizerische protestantische Suprematie zu Fall gebracht.

Die aus den ehemaligen Untertanengebieten gebildeten Kantone Waadt, Aargau, Thurgau und der Tessin wehrten sich verständlicherweise gegen eine Retablierung der alten Untertanenverhältnisse. Uneinig waren sich auch die Bündner in Bezug auf das Veltlin, Bormio und Chiavenna. Eine Aufnahme dieser italienisch sprechenden Bevölkerung in den Kanton, mit gleichen politischen Rechten wie die der Einheimischen, hätte das prekäre Gleichgewicht Graubündens gefährdet. Viele Deutschschweizer sahen hier ebenfalls eine Destabilisierung des traditionellen Machtgefüges der Eidgenossenschaft. Das Wallis hinwiederum wollte nichts von der Eidgenossenschaft wissen und träumte von einem eigenen, unabhängigen Staat.

In Wien beschäftigte sich ein eigens geschaffenes Komitee mit den Problemen der Schweiz. In ihm sassen, unter dem Vorsitz von Johann von Wessenberg, dem Stellvertreter des österreichischen Aussenministers, Freiherr vom Stein (Russland), Charles Stewart (Halbbruder des englischen Aussenministers Castlereagh), Wilhelm von Humboldt (Preussen) und Joseph de Dalberg (Frankreich). Als Berater fungierten Stratford Canning (England) und Kapodistrias (Russland). Das Komitee repräsentierte somit ausschliesslich die Grossmächte.

Schweizer waren im Komitee nicht vertreten. Einige Eidgenossen, in Wien in mehr oder weniger offizieller Mission anwesend, wurden verschiedentlich aufgeboten, um dem Komitee kurz ihre Anliegen vorzutragen. Erlaubt war nur ein kurzes Statement, oft nur wenige Minuten lang; weiterführende Vorstellungen mussten schriftlich vorgelegt werden.

Die offiziellen Vertreter der Eidgenossenschaft
In Wien tummelten sich zur Zeit des Kongresses rund zwanzig mehr oder weniger offizielle Repräsentanten der verschiedenen Regionen Schweiz. Sie waren zu den Verhandlungen nicht zugelassen, doch ihre Anwesenheit in den Salons, Vorzimmern und Empfängen trug viel zur allgemeinen Verwirrung bei.

Die Tagsatzung hatte eine Dreierdelegation abgeordnet. Es waren dies der Bürgermeister von Zürich, Hans von Reinhard, der Freiburger Aristokrat Jean de Montenach und der Basler Bürgermeister Heinrich Wieland. Selbst diese drei waren untereinander zerstritten. Montenach widersprach Reinhard sogar anlässlich der Anhörungen vor dem Schweizer Komitee. Wieland war von diesem Treiben wenig angetan und benutzte die Zeit, um eine lateinische Ausgabe von Caesars Gallischem Krieg zu lesen.

Die Genfer Delegation mit Charles Pictet de Rochemont, Francis d’Ivernois und Jean-Gabriel Eynard war sehr geschäftig und schrieb eifrig zahlreiche Berichte zuhanden der Genfer Obrigkeit. Diese Schreibfreudigkeit ist mit ein Grund, dass die Geschichtsschreibung dieser Delegation so viel Beachtung schenkte. Die Genfer hielten sich bewusst von den andern eidgenössischen Vertretern fern. Mit dem «Trio der helvetischen Tagsatzung», schrieb Pictet de Rochemont, wollten sie nichts zu tun haben.

Ein Einzelkämpfer war auch der Berner Vertreter Ludwig Zeerleder, einer der reichsten Männer der Stadt, dem es 1798 beim Einfall der Franzosen gelungen war, einen grossen Teil des Staatsvermögens dem französischen Zugriff zu entziehen. Sein Verhandlungsspielraum war klein, da ihn die reaktionäre Berner Regierung mit strikten Instruktionen versehen hatte. Zeerleder war nicht sehr diplomatisch und schimpfte beispielsweise über die «Barbaren aus dem Norden, die russischen Sklaven», wobei er die Frage stellte, ob es diesen überhaupt erlaubt sei, den «Nachkommen von Wilhelm Tell […] philanthropische Belehrungen über die Freiheit» zu erteilen. Er meinte damit insbesondere den Zaren Alexander, der sich für die Freiheit des neuen Kantons Waadt ausgesprochen hatte.

Viel nüchterner trat der aargauische Vertreter Albrecht Rengger, Arzt und ehemaliger Minister der Helvetischen Republik, auf. Er war bekannt für seine knappen, beinahe naturwissenschaftlichen Berichte.

Irgendwo im Hintergrund und für die Eidgenossen kaum fassbar agierte der Waadtländer Frédéric-César La Harpe. In seinen Berichten nannte ihn Pictet de Rochemont «l’invisible», den Unsichtbaren. In den Jahren 1783 bis 1795 hatte La Harpe am Hofe des russischen Zaren als Erzieher von Alexander und Konstantin gelebt. Seinem Einfluss auf Alexander, der 1801 den Thron bestieg, dürfte es zu verdanken sein, dass sich dieser nun auch als Zar für die Freiheit des neuen Kantons Waadt einsetzte. Dies war insofern für die gesamte Eidgenossenschaft von Bedeutung, weil Alexander damit auch für eine konsolidierte Schweiz, mit Einbezug der neuen Kantone, eintrat.

Es würde zu weit führen, hier auch die andern aus der Schweiz angereisten Vertreter vorzustellen. Sie agierten insgesamt so ungeschickt, dass selbst Pictet de Rochemont festhielt, die Schweizer seien ihrer Streitigkeit und ihrem zweideutigen Verhalten wegen bei den Grossmächten in schweren Misskredit geraten.

Die Erfindung der Schweiz

Eine wichtige Vorentscheidung hatte schon im März 1814, als sich die alliierten Truppen Paris näherten, stattgefunden. Metternich und Zar Alexander einigten sich, die Schweiz auf der Grundlage der föderalistischen, von Napoleon 1803 verordneten Verfassung in die geplante europäische Ordnung einzubauen. Damit setzten sie auch fest, dass die ehemaligen Untertanengebiete als gleichberechtigte Mitglieder anerkannt werden mussten.

Unter energischem Druck der ausländischen Gesandten nahm die Tagsatzung am 9. September 1814 diesen nun 19 Kantone umfassenden Bundesvertrag an. Später kamen noch Genf, das Wallis und der Tessin hinzu. Mit dieser Arrondierung sollte insbesondere der Zugang zu den Alpenpässen Simplon und Grosser Sankt Bernhard dem französischen Einfluss entzogen werden.

Mit dem neuen Bundesvertrag waren jedoch die schweren territorialen und innenpolitischen Differenzen noch lange nicht bereinigt. Die Lösung dieser Probleme übernahm das Schweizer Komitee des Wiener Kongresses. Nach vierzehn offiziellen und einigen inoffiziellen Sitzungen legte das Komitee ihren «unabänderlichen Vergleich» vor. Die am Wiener Kongress massgebenden Mächte verabschiedeten am 20. März 1815 diesen Vergleich, der danach in die Kongressakte vom 9. Juni 1815 eingefügt wurde.

Wollte die Eidgenossenschaft als anerkanntes Staatswesen in die neue Zeit eintreten, musste sie dieses Projekt ohne Abstriche anerkennen. Die Kommission hatte auch die Gestaltung im Innern nicht den Schweizern überlassen, weil dies fast unvermeindlich zum Bürgerkrieg geführt hätte. Selbst der Tagsatzungsabgeordnete Wieland hielt warnend fest: «Den Entscheid über die Streitigkeiten einem einheimischen Schiedsgericht zu überlassen, hiesse einen einheimischen Krieg organisieren…».

Die massgebenden Mächte des Wiener Kongresses wählten diese Lösung nicht etwa aus Sympathie für die Eidgenossen, sondern, wie immer wieder betont wurde, zur Sicherung des Friedens in Europa. Bezüglich der Schweiz waren zwei Ideen massgebend. Es sollte einerseits verhindert werden, dass die mitten in Europa liegende Eidgenossenschaft zu einem Herd permanenter Unruhe würde. Und anderseits wollte man – eine insbesondere von England befürwortete Idee – von Holland über die Schweiz bis nach Savoyen einen Cordon sanitaire, d.h. eine zwischen dem unruhigen Frankreich und dem monarchischen Nord- und Osteuropa liegende Pufferzone schaffen.

Nebensache Neutralität

Die Formel «Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz» tauchte ab und zu in den Verhandlungen auf. In der Erklärung vom 20. März 1815 hiess es dann, dass, sobald die Eidgenossenschaft dem Vergleich zugestimmt hätte, die «Mächte die Anerkennung und Gewährleistung der immerwährenden Neutralität der Schweiz innerhalb ihrer neuen Grenzen» festschreiben würden.

Die Rückkehr Napoleons und sein Versuch, erneut gegen die Koalition Krieg zu führen, verzögerten die Ausstellung dieser Erklärung. Der Wiener Kongress vertagte sich und nahm erst nach dem endgültigen Sieg über Napoleon in Paris die Abschlussarbeiten auf. Die Eidgenossen benutzten das kriegerische Intermezzo, um mit ihren Truppen in Frankreich einzufallen. Dieser übrigens chaotische Feldzug zeugt nicht gerade von einem ernsthaften Neutralitätsverständnis.

Zu den Abschlussarbeiten des Wiener Kongresses in Paris delegierte die Tagsatzung Pictet de Rochemont. Er sollte noch einmal die territorialen Ansprüche der Eidgenossen vortragen, ein völlig hoffnungsloser Auftrag. Unerwartet kam Pictet dann doch noch eine Aufgabe zu. Da Stratford Canning offenbar die Redaktion der Neutralitätserklärung vergessen hatte, baten Castlereagh und Kapodistrias den mit den Dokumenten vertrauten Pictet de Rochemont, gemäss der Vorlage des Vergleichs vom 20. März eine solche zu redigieren. Ohne Erwähnung des Autors wurde die von Pictet rasch entworfene Erklärung am 20. November 1815 paraphiert.

Diffuse Neutralitätsvorstellungen um 1815

Schon Jean-Charles Biaudet hatte im 1977 erschienenen Handbuch der Schweizer Geschichte geschrieben, im Grunde habe niemand die Neutralität ernst genommen. In der Tat ging man in diesen Jahren sehr leichtfertig mit diesem Prinzip um. Napoleon hatte beispielsweise 1809 die Neutralität der Schweiz anerkannt, dabei jedoch beigefügt: «Mir gegenüber ist diese Neutralität ein leeres Wort, das nur so lange von Nutzen ist, als ich es will.» Metternich hatte eine ähnliche Vorstellung, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Die Neutralität sollte die Schweiz dem Einfluss Frankreichs entziehen und Österreich zugleich eine Möglichkeit zur Einmischung in die eidgenössische Politik geben.

Noch krasser äusserte sich Freiherr vom Stein. Die Eidgenossen hätten, so vom Stein, bisher «immer für und gegen Jedermann gekämpft und dabei geschrien: ‹Ich bin neutral›! Das ist wie wenn ich von meinem Haus aus Passanten draussen angreife, um mich danach zu Hause einzuschliessen und zu schreien ‹Ich bin neutral!›».

Die schweizerische Neutralität gewann erst im 20. Jahrhundert ihren staatspolitisch so hohen, beinahe heiligen Status. Dies lag in erster Linie an den während der Weltkriege gemachten Erfahrungen, die zeigten, dass man, ohne militärisch in den Krieg gezogen zu werden, dank Aussenhandel – Rüstungsmaterial mit eingerechnet – die Binnenwirtschaft relativ unbeschadet über Wasser halten konnte.

Am Wiener Kongress war die Neutralität jedoch beinahe eine Leerformel. Von existenzieller Bedeutung war hingegen die von den Mächten autoritär getroffene Formel, die Schweiz in ihrer von Napoleon gegebenen föderalistischen Form, mit Zuzug neuer Kantone, ins europäische Friedensdispositiv einzureihen. Es ist nicht übertrieben, von der «Erfindung der Schweiz» zu sprechen

Ausführlicher Artikel, mit Quellen- und Literaturangaben:
Hans-Ulrich Jost, «Das Schweizer Imbroglio», in «Der Wiener Kongress. Die Erfindung Europas», hg. von Th. Just, W. Maderthaner und H. Maimann, Wien : Carl Gerold’s Sohn Verlagsbuchhandlung, 2014, S. 374-391.


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4 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 4.04.2015 um 13:06 Uhr
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    Der informative Beitrag von Prof. Jost ist vergleichsweise eher weiterführend als geschichtspolitische Diskussionen der letzten Zeit um Jubiläumsjahre. Was freilich den Kt. Aargau betrifft, so war dieser 1815 noch kein Subjekt mit Willen zur Souveränität wie vielleicht der Jura. Fast niemand fühlte sich als Aargauer, weil es ausser der Gebäudeversicherung, vom österreichischen Fricktal übernommen, kaum Zusammenhaltenes gab, etwa für Baden, Freiamt, Fricktal und in den 4 Munizipalstädten Zofingen, Aarau, Lenzburg und Brugg gab es Elemente, welche berntreu dachten. Elementar für das Verständnis der teilweise diktierten Neutralität im Zusammenhang mit dem Wiener Kongress ist die inoffizielle Anwesenheit des Philosophen Troxler als Lobbyist der CH Republikaner. Er wandte sich gegen das Rückgängigmachen beschränkter Behördenwahlen in den neuen Kantonen u. verteidigte die Fortschritte der Mediation dortselbst. Der Kanton Aargau war aber damals ein künstliches Gebilde ohne Staatsvolk, nebst der Gebäudeversicherung das Wichtigste war der «Schweizerbote» Zschokkes, die einzige unabhängige Zeitung in der Deutschschweiz, in Bern u. Solothurn verboten. Gemäss Troxler wurde 1815 die Neutralität sowohl von den Aristokraten wie auch von den restaurativen Mächten instrumentalisiert, um in der Schweiz die aristokratischen söldnerfreundlichen Kantone zu verstärken. Weil Troxler in Wien u.a. bei Humboldt u. Varnhagen republikanisch intrigierte, erliessen Bern u. Luzern gegen ihn Haftbefehle.

  • am 4.04.2015 um 13:45 Uhr
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    Der Artikel von Prof. Hans-Ulrich Jost sollte allen Wahlberechtigten vor den Nationalratswahlen 2015 zur objektiven Information zugestellt werden. Das scheint mir nötig um ein Gegengewicht zu den Ammenmärchen über Marignano, welche die SVP zwecks patriotischer Profilierung dem Volk wieder einmal zumutet. Zumutbar wäre, dem Kader der Blocherpartei je ein Exemplar von Thomas Maissens «Geschichte der Schweiz» zu schenken, ich würde mich an den Kosten beteiligen.
    Wie lange lassen wir es uns eigentlich noch bieten, dass der Märchenerzähler Blocher uns die Schweiz und deren Neutralität in einer Weise erklärt, die mit den Fakten überhaupt nichts zu tun hat? Von einem, der immer gegen alle, welche die Scheuklappen abgelegt haben kämpft und gegen jede Aufklärung zu Felde zieht, die seinen Wahn von einer «unabhängigen und neutralen Schweiz» in Frage stellen. Die Globalisierung im Business nützt er geschäftspolitisch seit Jahren schamlos aus, parteipolitisch gebärdet er sich aber national-chauvinistisch. Ein opportunistisches Chamäleon.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 5.04.2015 um 12:22 Uhr
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    @Ellenberger. Ausführungen über «unabhängige und neutrale Schweiz» sind Ihr herzhaftes Feindbildbekenntnis, aber Sie scheinen nicht soeben von der stark gestalteten Marignano-Ausstellung im Landesmuseum zu kommen und das neue 530-Seiten-Buch Marignano , hrsg. v. Roland Haudenschild mit 28 Spezialisten, haben Sie wohl noch nicht gelesen; auch Ausstellungskatalog noch nicht. Mailand war so etwas wie das Schicksal der Eidgenossenschaft! Weniger gut ist, dass über Zwingli hinausgehend die spirituellen Hintergründe des alten Söldnerwesens kaum dargetan werden, wiewohl die Ausstellung immerhin einen Bruder Klaus aus Lindenholz präsentiert. Dessen Grossneffe Scheuber war Veteran von Pavia und Marignano, hat sich nach Nahkämpfen jeweils die Hirnmasse der Gegner – wie heute ein Schwinger das Sägemehl – weggewischt. Dabei ist Scheuber Lehrbuchbeispiel für die nur partielle Rückzugsmentalität der Innerschweizer Krieger nach Marignano. Soweit von einer frühen Neutralität gesprochen werden kann, war es eine Neutralität, welche unbeschränke Offenheit für das Söldnerwesen mit sich brachte, umgekehrt beruhte genau darauf die politische Anerkennung der Eidgenossenschaft von aussen gesehen. Im Herbst erscheint die Geschichte des Kantons Uri v. Hans Stadler-Planzer, deren 1. Band schon erhältlich ist. Blocher, Maissen und Jost haben gemeinsam, dass sie im Staatsarchiv Uri nicht recherchiert haben, auch nicht in Beromünster und Stans, es handelt sich also nicht um Spezialisten betr. Marignano.

  • am 2.08.2016 um 16:22 Uhr
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    Mit Schmunzeln habe ich die Ping-Pong Kommentare von Pirmin Meier zu Hans Ueli Ellenberger und retour gelesen. Sie zeigen mir ein typisches Bild der Schweizer Geschichte und deren zeitgenössisches Verständnis. Beide Herren, geschichtlich interessiert und belesen offenbar, haben was die Geschichte betrifft, eine so klare Vorstellung, wie es damals war, dass man meint, sie seien beide leibhaftig damals vor Ort gewesen.
    Allerding ist Geschichte aus Büchern wieder Geschichte für Bücher. Menschen als Chronisten schreiben einander ab und ergänzen, wenn sie nicht selber dabei waren. Und jedesmal kommen beim Abschreiben Dichtung, Verklärung und Dramatik dazu. Was am Schluss bei der Aufbereitung der Vergangenheit herauskommt, ist zwar eine recherchierte Geschichte, verpackt in einen Roman, den man Geschichtbuch nennt, aber mehr nicht. Ich habe damit keine Problem. Aber darüber zu streiten, welche Story aus welchem Buch die dramatischere und echtere sei, dünkt mich Zeitverschwendung. Schliesslich nützt niemandem etwas, wenn ich weiss, ob Tell existiert hat oder was die wirklichen Hintergründe in Marignano waren. Entspannt euch, bleibt engagiert und freut euch, dass es heute anders ist. Und bitte benutzt die Geschichtsromane nicht, um euch gegenseitig wie kleine Buben damit zu hauen. Das gilt auch für Blochers Christoph und seine Kumpane. Die sollen gscheiter ihre Energie im hier und jetzt für eine heutige und zukünftige Schweiz verwenden.

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