SRF_WEF_

Marianne Fassbind und Mario Grossniklaus als «SRF-Experten» am WEF © srf

SRF: Eine PR-Maschine für das Weltwirtschaftsforum

Urs P. Gasche /  Statt die Gelegenheit zu nutzen, Politikern und Wirtschaftsführern kritische Fragen zu stellen, hält SRF TV nur das Mikrophon hin.

Über die Eröffnung des Weltwirtschaftsforums WEF in Davos berichtete die SRF-Tagesschau am 20. Januar um 19.30 Uhr lange siebeneinhalb Minuten, ohne dass die Zuschauenden irgendetwas Relevantes erfuhren. Die PR-Stelle des WEF hätte ihre Botschaft kaum besser verpacken können.
Eine Reihe von No News
Zuerst meldete Moderatorin Katja Stauber, dass Bundespräsident Johann Schneider-Ammann in seiner Eröffnungsrede «klargemacht» habe, «dass die Welt vor enormen Herausforderungen steht».

  • Ist das nicht längst allen klar? Eine No News.

Es folgte ein kurzer Ausschnitt aus der bundesrätlichen Rede: Angesichts von «endlosen Flüchtlingsströmen», «Terrorismus» und «Wirtschaftskrisen» müsse man «mit Entschlossenheit reagieren, nicht mit Resignation», durfte der Bundesrat in der Tagesschau verkünden. Es folgte kein Wort darüber, welche entschlossenen Massnahmen Schneider-Ammann denn konkret im Auge hat.

  • Eine No News. Eine News wäre gewesen, wenn der Bundesrat überraschenderweise Resignation statt Entschlossenheit empfohlen hätte.

Dann zeigte die Tagesschau einen Ausschnitt aus der Rede von US-Vizepräsident Joe Biden, der – höflich wie er ist – in seiner Einleitung die Bedeutung des WEF herausstrich.

  • Eine No News. Reine PR für das WEF.

Was nur passiert hinter den Kulissen?
Moderatorin Katja Stauber wagte dann doch die freche Frage an Marianne Fassbind und Mario Grossniklaus, beide als «SRF-Experten am WEF» vorgestellt: «Es gibt viele, die sagen, da werde einfach geredet und geredet, aber passieren würde nichts?»
Darauf meinte Experte Grossniklaus, es passiere «nur auf den ersten Blick» wenig. Wichtige Gespräche fänden nämlich «hinter den Kulissen» statt.
Schade nur, dass die SRF-Experten kaum recherchieren werden, was denn bei solchen Gesprächen hinter den Kulissen in den nächsten Tagen herauskommt. Die Zuschauenden werden mit kaum relevanten Verlautbarungen zu Handen des Publikums abgespiesen.
«Angst vor Deflation geht um»
Schliesslich wiederholte Expertin Marianne Fassbind, welch wichtige Vertreter der «Wirtschaftsprominenz» in Davos zugegen seien. «Inoffiziell» stünden andere Themen im Vordergrund als die offiziellen: Die Konzernchefs hätten nämlich «vor allem Angst, dass sich das Wirtschaftswachstum stärker abschwächen könnte…und der Ölpreis noch weiter absinken könnte…und dass das Preisniveau allgemein sinkt und es zu einer Deflation komme.»
Die anschliessend gezeigten Börsenverluste des Tages (Tagesverlust Dax -2,8%, SMI -3,1%) stellte Moderatorin Katja Stauber in direkten Zusammenhang mit «dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage». Fassbind bestätigte, dass der «Auslöser» für diese Kursverluste «genau diese Ängste vor einem schwachen Wirtschaftswachstum und vor einer Deflation» gewesen seien.

  • Die Prognose eines schwachen Wirtschaftswachstum ist nicht neu und kann die Tagesverluste der Börse nicht erklären.

«Auf einem Podium» sei zudem als weiterer Grund für die Ängste genannt worden, fügte Fassbind an, «dass die Geldschwemme der Notenbanken nichts mehr nützt, um die Konjunktur anzukurbeln».

  • «Nichts mehr nützt»? Das ist schon seit längerem bekannt.

«Aber es gibt auch positive Nachrichten», wusste Fassbind zu trösten. Sie habe nämlich «die Gelegenheit gehabt, mit dem Vizepräsidenten des IWF zu sprechen». Dieser «ist der Meinung», behauptete Fassbind, dass sich die Börse mittelfristig «wieder stabilisieren» werde und zwar «vor allem dann, wenn die Anleger wieder Vertrauen haben in die reale Wirtschaft und vor allem in die Wirtschaftskraft solider Unternehmen, und davon gibt es ja weltweit genügend

  • Ob der IWF-Vizepräsident selber «dieser Meinung ist», wie er sagt, oder ob er entgegen seiner Überzeugung von Amtes wegen etwas Optimismus verbreiten muss, kann Expertin Fassbind – entgegen ihrer Behauptung «ist der Meinung» – nicht wissen.

Moderatorin Katja Stauber dankte zum Abschluss für diese «Analyse aus Davos».
Unter «Analyse» versteht man gemeinhin etwas anderes. Sie hielt denn auch nur 24 Stunden stand.
Denn nur einen Tag später, in der Tagesschau vom 21. Januar, streckten die SRF-Experten das Mikrophon Nationalbank-Präsident Thomas Jordan hin: «Ich sehe im Moment wirklich kein Deflationsrisiko. Ich halte diese Befürchtung für übertrieben.» Von einer Deflation könne keine Rede sein, erfuhren die überraschten Zuschauenden. Denn die Preise würden nicht deshalb sinken, weil die KonsumentInnen weniger kaufen, sondern schlicht deshalb, weil Heizöl und Benzin sowie viele Importprodukte billiger geworden seien. Fassbind konfrontierte Jordan nicht damit, warum sich denn trotzdem die Angst vor einer Depression verbreite, die – nach ihren Angaben – am Vortag Kursverluste mit ausgelöst hat.
Mit den gegensätzlichen Aussagen wurden die Zuschauenden allein gelassen.
Wenigstens haben die SRF-Experten Jordans Aussage, es gebe keine Deflation, nicht als «Auslöser» dafür «analysiert», dass die Aktienkurse an diesem Tag wieder um fast 1 Prozent zulegten.


Relevanz und Zuschauerinteresse
Gemäss den Publizistischen Leitlinien der SRG muss die Tagesschau «Ereignisse und Entwicklungen nicht nur abbilden, sondern auch kritisch prüfen».
Nach eigenen Angaben will die Tagesschau «Informationen auswählen nach 1. Aktualität, 2. Relevanz und 3. Zuschauerinteresse
Gemäss diesen Kriterien hätte über die Eröffnung des WEF ein 1-minütiger Beitrag genügt.

Prüfen Sie es selber: Im SRF-Newsblog berichtet das Schweizer Fernsehen vom WEF in der Manier einer WEF-Pressestelle.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Redaktion Infosperber unterstützt eine starke SRG, die unabhängig ist von Wirtschaftslobbys und staatlicher Einflussnahme. Gut frequentierte SRF Fernseh- und Radioprogramme sind unabdingbar für den Föderalismus und gegen die Konkurrenz aus dem Ausland. Umso wichtiger ist es, dass bei den Informationen auf Ereignisse, Entscheide und Aussagen fokussiert wird, die relevant sind für das Funktionieren einer modernen Demokratie und für das Ausüben der Rechte und Pflichten von Bürgerinnen und Bürger.

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11 Meinungen

  • am 22.01.2016 um 11:53 Uhr
    Permalink

    Wie lange noch? Das ist doch hier die Frage! Das WEF wird alsbald Davos verlassen und dem Service Public werden die fianziellen Flügel gestutzt, recht so!
    Es werden sowieso viel ernsthaftere Probleme auf uns zukommen, als uns um Prominenz, Boni und Hotelsuiten zu balgen!

  • am 22.01.2016 um 11:58 Uhr
    Permalink

    Interessant wäre auch zu erfahren, was dieser rein gesellschaftliche Profilierungs-Event uns Schweizer Steuerzahler insgesamt kostet!

  • am 22.01.2016 um 13:26 Uhr
    Permalink

    @ R. Moning: er kostet uns viel, viel zu viel! Es spricht ein Ökonom, der sich seiner Rolle und seiner Verantwortung wohl bewusst ist.

  • am 22.01.2016 um 17:00 Uhr
    Permalink

    Eher zufälligerweise habe ich mich bis heuten Morgen in Davos aufgehalten. Dabei habe ich auch mitbekommen,was für ein gewaltiger Aufwand dazu investiert wird. Generell betrachte ich diese nun wirklich lockere, auch im anonymen Bereichen mögliche Kommunikation, unter den z.T. weltweit wichtigsten Persönlichkeiten als eine sehr positive Sache. Was jedoch daraus in den Medien gemacht wird, scheint mir, dass sich der eigentliche Sinn, auf Kosten der SRF-Show untergeht. Es hat einmal geheissen: Ehrlichkeit währt am längsten.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 24.01.2016 um 16:30 Uhr
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    Immerhin kann jeder der will und eingermassen US-deutsch spricht interessante WEF Beiträge auch direkt von den english-sprachigen TVs herunterladen. Nach jahrelangem Desinteresse der offiziellen CH-TV-Welt für das WEF geben sich doch diverse SFR-Leute Mühe, das WEF überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Das ist aus meiner Sicht doch schon positiv zu werten.

    Die Anzahl international politiker Chargenträger in Davos dürfte doch als Hinweis darauf genommen werden, dass Davos mittlerweile von vielen als ein G20-Ersatz gewertet und geschätzt wird. In vielen dieser Talks kommt naturgemäss nicht viel konkretes und «medial berichtenswertes» heraus. Trotzdem scheint es möglich und sogar wahrscheinlich, dass einige der Diskussionen zu neuen und möglicherweise sogar zukunftsweisenden Gedankengängen führen und dass die Anonymität der Wandelhallen-Gespräche sogar zu nützlichen politischen Demarchen führen können.

    Die Wertung dieser Gespräche darf wohl nicht an der Qualität der Berichterstattung gemessen werden. SRF hat Fortschritte gemacht bleibt aber im wesentlichen eine «Zuschauerberichterstattung» mit relativ wenig Gehalt. Aber das dürfte wohl auf dem Hintergrund der jahrelangen Verteufelung des WEF als Treffpunkt der Happy-Few «Herren der Welt» und so verstanden werden. Das WEF darf nicht als Ort der Entscheidung und entsprechender Verlautbarungen gesehen werden. Das kann es nicht sein. Selbst die heutigen «rois Soleil» bedürfen einer minimalen demokratischen Legitimation.

  • am 26.01.2016 um 10:07 Uhr
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    Danke, dass endlich jemand die Schwäche des Schweizer Fernsehens hinsichtlich journalistischer Leistung untersucht. Die Oberflächlichkeit des SRF ist schon seit Jahrzehnten ein Problem. Die seichte Berieselung mit läppischen Neuigkeiten kann kaum als Journalismus bezeichnet werden. Aber leider – wie die meisten Medien – ist wohl auch das SRF ein Werbeunternehmen, das nur nebenbei noch Nachrichten produziert.
    Wir brauchen dringendst eine Verbesserung der journalistischen Qualität des SRF. Geld ist genug vorhanden und durch die Gebührenfinanzierung ist die Unabhängigkeit möglich. Fragt sich nur, welche Interessen/Verbadelungen einem kritischen Journalismus im Weg stehen.

  • am 26.01.2016 um 13:00 Uhr
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    Wo Fassbind drauf steht, ist eben auch Fassbind drin. Kopf immer schön in die Kamera halten, anbiedern mit der Wirtschaftselite, kritiklose, undistanzierte Weitergabe der Sicht der Wirtschaftselite. Noch 1-2 Jahre, dann ist man sie endlich los, es winkt der Job als gutbezahlte Unternehmenssprecherin. Wirtschaftskompetenz? Gleich 0

  • am 26.01.2016 um 14:03 Uhr
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    @ Daniel Huber: Man sollte nicht den Sack (die Mitarbeiter) schlagen, wenn man den Esel (Institution SRF) meint. M. Fassbind macht nur ihren Job, man sagt ihr ohnehin was sie tun muss und was sie tun darf.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 26.01.2016 um 14:19 Uhr
    Permalink

    Wenn ich die letzten Tage überblicke, habe ich auf SRF-Info doch einige interessante Diskussionen mitverfolgt. Die Damen Markwalder und Wille als Moderatorinnen waren erstklassig und die Sternstunde von Herrn Klapproth mit Herrn Varoufakis war auch nicht ohne.

    Auch wenn ich relativ selten auf SRF lande, muss ich sagen, dass die Tonalität, z.B. bei den Sportsendungen einiges positiver ausfällt als auf RTS. Möglicherweise ist die französische Pariser Diktion Teil des Übels, aber ich wechsle immer häufiger auf SRF selbst, wenn ich Al-Djasira noch öfters den Vorzug gebe… inklusive in Bezug auf Davos. Hier haben m.E. übrigens CNBC und Bloomberg wirklich gepunktet. Auch i.S. Börse.

  • am 26.01.2016 um 15:21 Uhr
    Permalink

    @ Beda Düggelin: Ich würde Ihnen recht geben, wenn dem so wäre. Eine solch unverblümte Nähe zu CEO’s kommt nicht mal den SRF-Verantwortlichen in den Sinn, denke ich. Und dass Sie in jedem Beitrag einige Sekunden gezeigt wird und selbst banalste Meldungen noch mit einem nichtssagenden persöönlichen Statement und Profilaufnahme «garnieren» darf, hat sie sich beim Wechsel damals von Cash in den Vertrag schreiben lassen. Munkelt man zumindest.

  • am 26.01.2016 um 15:45 Uhr
    Permalink

    @Daniel Huber: wir müssen uns nicht streiten, wir sind ja gleicher Meinung! Aber auch Mariandrl Fassbind profitiert even auch vom Frauenbonus.

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