Kommentar

Auch die Bildung soll zum privaten Business werden

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Der avenirsuisse-Vordenker Gerhard Schwarz plädiert für ein Bildungssystem nach USA-Vorbild. Das Geld entscheidet, wer weiterkommt.

Dass Gerhard Schwarz, ehemaliger Leiter der NZZ Wirtschaftsredaktion und späterer Direktor der sogenannten Denkfabrik «avenirsuisse», gelegentlich Unsinn erzählt, weiss man. Infosperber hat etliche Male darüber berichtet. Sätze wie «In einer freiheitlicheren Ordnung als den real existierenden westlichen Gesellschaften ginge es den sozial Schwachen besser, der Umwelt besser und den Frauen besser als heute» rufen nach Kommentierung. Difficile est satiram non scribere, sagten die alten Römer: Es ist manchmal schwierig, KEINE Satire zu schreiben…

Unsinn zu erzählen ist das gute Recht von Gerhard Schwarz. In einer freien Marktwirtschaft, wie er sie vertritt, hat selbstverständlich auch das Platz. Problematischer wird es, wenn er auf seine kluge Art argumentiert, um politisch etwas zu bewirken, das Ziel aber, das er dabei anstrebt, nicht konkret beim Namen nennt. So zum Beispiel in seiner Kolumne «Schwarz auf Weiss» – Gerhard Schwarz auf weissem NZZ-Papier – vom 4. Februar in der NZZ. «Nutzer sollten für Bildung zahlen», heisst da die Headline, nicht etwa «Studenten sollten für Bildung zahlen», wie das andere sagen würden, denn für Schwarz sind die Studenten einfach die «Nutzer» eines Angebots: Business as usual. Soweit ist Gerhard Schwarz noch ehrlich.

Dann allerdings argumentiert er geschickt gegen das Schweizer «Dogma», wie er es nennt, wonach die Bildung vom Staat bezahlt werden soll. Mittlerweile habe die Bildung ja nicht mehr nur in jungen Jahren zu erfolgen, sondern sei im Zeitalter des immer wieder Neulernens ja zur lebenslangen Notwendigkeit geworden. Der Schluss daraus, also habe auch Weiterbildung vom Staat bezahlt zu werden, ist für Schwarz allerdings ein Fehlschluss, denn es müsse umgekehrt sein: Schon die Bildung am Anfang des Lebens müsse privat bezahlt werden. Wörtlich: «Der erfolgversprechendere Weg wäre der umgekehrte: eine Abkehr von der jetzigen kollektiven Giesskannenfinanzierung und eine Hinwendung zu mehr Nutzerfinanzierung nicht erst in der Weiterbildung, sondern schon in der Erstausbildung ( ).» «Das würde», so Gerhard Schwarz weiter, «die Verweildauer an den Universitäten verkürzen» und «zu einer verantwortungsbewussteren Studienwahl führen.»

Verantwortungsbewusstere Studienwahl? Interessant! Wie verhält sich ein «Nutzer», wenn er «verantwortungsvoll» «nutzen» will? Er nutzt nur noch das, was zu einem höheren Einkommen führt. So will es die Marktwirtschaft. Und damit wäre das von den Neoliberalen längst geforderte Totenglöcklein für Fächer der Geisteswissenschaften, also Sprachen, Geschichte, Philosophie, Psychologie oder auch Soziologie, schon wieder mal NZZ-weit zum Klingen gebracht.

Zu lernen, wie man aus viel Geld noch mehr Geld macht, so wie es Donald John Trump im Privatinternat New York Military Academy und anschliessend an der jesuitischen Privatuniversität Fordham University in New York City gemacht hat, hat mit Bildung wenig zu tun. Klar, Trump ist in seinem Business, dem Immobilien Business, gut ausgebildet, aber ein gebildeter Mann ist er deshalb noch lange nicht. Dass er keine Bücher liest, hat er selber zu Protokoll gegeben.

Wen wundert’s, wie die Welt heute aussieht, wenn die sogenannte «Elite», die Politiker, gerade noch studiert haben, wie man sich selber besserstellt, aber keine Ahnung davon haben, wie diese heutige Welt entstanden ist? Und welche Fehler es künftig zu vermeiden gälte?

Gerhard Schwarz plädiert mit seiner neusten Schwarz/Weiss-Kolumne – ohne es so auszusprechen – für ein Bildungssystem, wie es die USA bereits realisiert haben: Das Bildungssystem ist weitestgehend privatwirtschaftlich und rein kommerziell organisiert. Ob man weiter «nach oben» kommt, hängt allein davon ab, wie weit man schon «oben» ist. Nur das Geld entscheidet, wem künftig noch mehr Geld zufliesst.

Wollen wir das wirklich?

Auch in Europa?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Gerhard_Schwarz_Portrait

Der ordoliberale Gerhard Schwarz

«Ordoliberale Prinzipientreue» propagierte Schwarz jahrelang in der NZZ und bis März 2016 bei Avenir Suisse

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5 Meinungen

  • am 6.02.2017 um 07:40 Uhr
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    Guten Morgen, „avenir suisse“ die Zukunft meiner Enkel sieht hoffentlich etwas andres aus, als das, was ein Herr Schwarz so ausheckt.

  • am 6.02.2017 um 10:47 Uhr
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    G. Schwarz scheint nicht der Meinung zu sein, dass die Demokratie von mündigen StaatsbürgerInnen getragen wird. Bildung soll von «Nutzern» nach Bedarf, den ohnehin die neoliberal eingefärbten Machtträger (sog. Eliten) vorgeben, bezahlt werden. Einmal abgesehen davon, dass ein solchermassen pervertierter Bildungsbegriff einem Abschied von jeglichem Ideal der Aufklärung gleichkommt, zerstört er auch das Wesen der Demokratie, so es denn noch irgend etwas mit dem Streben nach Gemeinwohl zu tun haben soll. Dergleichen lässt sich auch bestens ins Waffenarsenal für den Frontalangriff der ordoliberalen Kreise schwarz’schen Zuschnitts auf den «Service public» im Allgemeinen einpassen.

  • am 6.02.2017 um 11:03 Uhr
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    Der The Economist hat bereits vor mehr als 15 Jahren seine Zweifel über rein private Bildungssysteme geäussert. Dies natürlich nicht aus humanistischen sondern aus ökonomischen Begründungen heraus u.a. dass so nicht mehr genügend Potential an marktfähigen Humanen Ressourcen an den Arbeitsmärkten vorliegt —- nach damaligen wiederkehrenden Berechnungen zu dem Thema müsste ein Haushalt pro Kind mehr als 200’000£ für die Ausbildung vom ersten bis zum letzten Jahr haben, was irgendwie auch dieser Zeitung etwas zu fantastisch war… trotzdem wurden u.a in den USA Bildungs-Kredite zu Marktkonditionen als typische perfekte neoliberale Lösung angesehen… genauso typisch marktfähig wie die global angwendeten PISA Systeme hunderte Millionen Menschen über ein primitives Set von kapitalistischen Standards springen lassen….

  • am 6.02.2017 um 13:34 Uhr
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    Am leichtesten lässt sich gegen einen Autor polemisieren, wenn man die kritisierten Aussagen selber erfindet:

    "Gerhard Schwarz plädiert mit seiner neusten Schwarz/Weiss-Kolumne – ohne es so auszusprechen – für ein Bildungssystem, wie es die USA bereits realisiert haben: Das Bildungssystem ist weitestgehend privatwirtschaftlich und rein kommerziell organisiert."

    Aha, Gerhard Schwarz (übrigens nicht mehr bei Avenir Suisse) hat das also nicht ausgesprochen? Wo hat es Christian Müller denn gelesen? Kann / will er überhaupt lesen?

  • am 9.02.2017 um 12:07 Uhr
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    In «Our Revolution: A Future to Believe In» Sanders, Bernie Thomas Dunne Books hat der Kandidat, der gegen den Donald hätte gewinnen können das Thema ausführlich diskutiert. Er schildert die Verschuldung der US-StudentInnen , die meist noch Jahre nach Uni-Abschluss am abstottern sind. Seine Empfehlung: das europäische Modell mit staatlichen Universitäten, die nur nominale Semestergebühren einkassieren.
    MfG
    Werner T. Meyer

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