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Das von einem PR-Profi eingefädelte und betreute Interview der STS-Präsidentin im Sonntags-Blick vom 17. September 2023 © Ringier

Schweizer Tierschutz: Dank PR aus der Finanzaffäre?

Catherine Duttweiler /  In der Finanzkrise des Tierschutzes übernimmt Ex-TV-Moderator Jürg Wildberger die Krisenkommunikation. Kostendach: 60'000 Franken.

Verdacht auf ungetreue Geschäftsführung, unprofessionelle Immobiliendeals in Millionenhöhe, ein halbierter Vorstand und eine rabiate Präsidentin: Der spendenfinanzierte «Schweizer Tierschutz» (STS) ist aktuell vor allem mit sich selber beschäftigt. Gegen drei ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder läuft eine polizeiliche Strafuntersuchung der Basler Staatsanwaltschaft. 

Jetzt soll Jürg Wildberger, 73, langjähriger Chefredaktor und heutiger Seniorpartner bei einer der bekanntesten und teuersten Schweizer PR-Agenturen, den gemeinnützigen Verein in ein besseres Licht rücken. Mit einem Interview im heutigen «SonntagsBlick» hat er einen ersten Coup gelandet. Das ist für den STS teuer. Die Präsidentin beantragte dem Zentralvorstand des Verbandes – er hat sich nach Rücktritten und Sistierungen innerhalb weniger als zwei Jahren von 12 auf 6 Mitglieder halbiert – letzte Woche ein Rahmenbudget von 60’000 Franken für die Krisenkommunikation. Das ist viel Geld für einen Verein, der sich aus Spenden und Legaten finanziert. 

Die «Konsulenten», so der Name von Wildbergers Agentur, die jetzt das Image des STS verbessern soll, verrechnen für ihre Dienstleistungen ein Honorar von 500 Franken pro Stunde, wie «Wildbi» (Branchenübername) auf Anfrage bestätigt. Er sagt indessen, dass für Nichtregierungsorganisationen ein günstigerer Tarif verrechnet werde, ohne dies zu präzisieren. Man darf von einem Rabatt von 30 bis 50 Prozent ausgehen. Inwiefern das 60’000-Franken-Budget reichen wird, muss sich weisen, zumal Präsidentin Nicole Ruch sehr zeitaufwändig kommuniziert: Mitarbeitende, Vorstandsmitglieder und Medienschaffende berichten, dass praktisch jedes Telefon mit ihr über eine Stunde dauert. 

Prüfberichte dokumentieren fahrlässige Fehler bei Immobiliengeschäften und inkorrekte Spesenabrechnungen. Trotzdem zeigt die angeschossene Präsidentin Nicole Ruch im grossen «SonntagsBlick»-Interview von heute keinerlei Einsicht und weist jegliche Kritik zurück. Einzige, schwammig formulierte Konzession: «Es ist geplant, die Ressortleitungen möglichst bald wieder zu delegieren […] Ich ziehe mich aus dem operativen Geschäft zurück.» Ruch leitet bereits seit über 14 Monaten sieben von neun STS-Ressorts, wie dieses Organigramm zeigt. Nur die Ressorts Rechtsdienst und Jugend laufen ohne ihre Mitwirkung. Die Leitung der Ressorts Politik und Jugend ist verwaist, nachdem ein Mitglied suspendiert und ein zweites aus Protest dagegen seine Aufgabe abgegeben hat. Ruch ist zudem seit über einem Jahr Mitglied von 6 der 7 Kommissionen. In den Kommissionen sitzen jeweils Mitglieder des Vorstands sowie normale Mitarbeitende – ein fragwürdiges Konstrukt. 

Die Präsidentin rechtfertigt sich im Interview, sie habe «nach Rücktritten vorübergehend einspringen und einzelne Bereiche selbst übernehmen» müssen. Dies ist aber nur in einem einzigen Fall korrekt, wie das Organigramm zeigt – bei den Finanzen, wo der gewählte Treuhänder nach einem ersten Einblick in intransparente und verdächtige Transaktionen im Juni letzten Jahres das Handtuch warf, weil die Präsidentin seine Reformbestrebungen abblockte. Der frühere TV-Moderator Kurt Aeschbacher hatte zwar schon zuvor den Hut genommen, allerdings nie leitende Funktion inne. Er ging, weil er ein Kommunikationskonzept ohne Einblick in Budget und personelle Ressourcen erstellen sollte – und weil er noch nie in seinem Berufsleben derart verletzend angegriffen worden ist, wie er am Freitag in einem grossen Hintergrundartikel in den CH Medien erklärte. 

Trotzdem verkauft PR-Mann Wildberger Präsidentin Ruch in einer merkwürdigen Verdrehung der Fakten als Reformerin und ihre beiden Kritiker, SP-Nationalrätin Martina Munz und ETH-Agronom Michel Roux, als Bremser. So etwa in einer Stellungnahme in der NZZ vor zehn Tagen. Dort erklärte Wildberger, die beiden würden im Gegensatz zum Restvorstand den notwendigen Modernisierungskurs der Präsidentin nicht unterstützen.  

Interne Unterlagen zeichnen ein anderes Bild der Rolle von Ruch, die im November 2021 die Leitung des STS übernommen und schon zuvor während acht Jahren als Vorstandsmitglied und stellvertretende Finanzchefin die fragwürdigen Immobilien- und Spesendeals mitverantwortet hatte. 

  • Zum Beispiel der Bericht der Wirtschaftsprüfer BDO zu fragwürdigen Immobiliengeschäften. Schon im März 2022 hatten Vorstandsmitglieder mit Finanzhintergrund verdächtige Hinweise und forderten Einblick in Unterlagen und ab November 2022 wenigstens eine interne Untersuchung.
    Im Dezember 2022 beschloss der Vorstand ein erstes Mal, eine externe Untersuchung: Ruch sollte einen entsprechenden Auftrag erteilen. Im März 2023 wurde dieser Auftrag bekräftigt. Doch erst im Juni 2023 wurde ein entsprechender Auftrag endlich unterschrieben. Als der Bericht am 31. Juli eintraf, hielt Ruch diesen zurück. Einer ihrer Kritiker, Michel Roux, konnte ihn am 9. August direkt bei der BDO einholen, schickte ihn an alle Vorstandsmitglieder und verlangte eine Traktandierung an der Zentralvorstandssitzung, die tagsdarauf stattfand. Doch das Thema wurde nicht traktandiert. Der Vorstand folgte seiner Präsidentin, die den Bericht nicht diskutieren wollte.
    Roux, der zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Munz eine Strafanzeige eingereicht hatte, forderte zudem eine forensische Untersuchung der Immobilienarbeiten, wie ihm dies die Basler Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte empfohlen hatte. Doch vergeblich. «Reformerin» Ruch erklärte, sie wolle jetzt nach vorne blicken. Den Zentralvorstand und die leitenden Mitglieder liess sie noch am 18. August 2023 im Glauben, der Bericht stehe erst «kurz vor Abschluss». Gegenüber Medien erklärte sie, der Bericht müsse noch ergänzt werden. Doch wie sie letzte Woche zugeben musste, gibt es auch sieben Wochen nach Abgabe des Berichts keine Ergänzungen und es sind auch keine geplant.
    Pikant: Ruch verzögerte den Untersuchungsbericht, obwohl im Vorstand schon im Dezember 2022 bekannt war, dass der Immobilienverantwortliche Pascal Reinhard zusammen mit einem befreundeten Architekten Privataufträge für den STS übernahm und pauschal als Spesen verrechnete – bis zu 14’500 Franken pro Monat. Sie hatte dies an der Vorstandssitzung vom 12. Dezember 2022 mit der Begründung verteidigt, dies sei für den Verband günstiger gewesen. 
  • Als sich die Verfehlungen im Immobilienbereich konkretisierten, beantragte Martina Munz an der Vorstandssitzung von März 2023 einen sofortigen Verkaufsstopp für die 16 Immobilien, die von Reinhard verwaltet werden – da dieser bei jeder Transaktion Provisionen kassiert habe. «Reformerin» Ruch lehnte dies ab mit der Begründung, das Thema sei nicht traktandiert, man könne nicht darüber abstimmen. 
  • Als Mitarbeitende und Vorstandsmitglieder auf immer mehr Missstände stiessen und den Zentralvorstand als oberstes Führungsgremium darauf aufmerksam machen wollten, erteilte «Reformerin» Ruch die Anweisung, sie dürften nicht mehr unter einander direkt kommunizieren, alle Informationen müssten künftig «strikte» über sie laufen – ein wohl einzigartiger Vorgang. Roux und Munz hatten unter anderem den Vorstand über ihre Feststellung nach der stichprobenhaften Einsicht in die Buchhaltung informiert. 

Derartige schriftlich dokumentierten Fakten und Abläufe kann auch der teuerste PR-Berater nicht aus der Welt schaffen. Spender und Spenderinnen des «Schweizer Tierschutzes» jedenfalls haben bedauerlicherweise ihre Schlüsse längst gezogen. Seit Amtsantritt von Ruch im Jahr 2021 kam es zwar 2022 einmalig zu mehr Erbschaften, dafür aber zu einem massiven Spendeneinbruch, wie die interne Statistik zeigt – von 4,2 Millionen auf 1,7 Millionen Franken pro Jahr:

STS Entwicklung der Spenden.
STS: Die Entwicklung der Spendeneinnahmen von 2017 bis 2022

 Auch diese Tatsache wird im heutigen «SonntagsBlick» von Ruch und Wildberger schön geredet. Die traditionellen Spenden gingen seit Jahren «kontinuierlich leicht zurück», beteuerte Ruch, was mit Erbschaften wettgemacht würden: «Aktuell sehen wir keinen Einbruch.»


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2 Meinungen

  • am 17.09.2023 um 20:38 Uhr
    Permalink

    Es ist interessant zu beobachten wie wenig es braucht, etwas zu zerstören, dass über lange Zeit mit viel Engagement aufgebaut wurde und wie wenig Achtung für das Erreichte vorliegen kann.
    Das Nehmen hat sich inzwischen zu einer fragwürden Qualität entwickelt. Allerdings erweist sich eine Ent-täuschung wohl bekömlicher, als eine Täuschung ohne Ende.

  • am 18.09.2023 um 11:49 Uhr
    Permalink

    14500 Franken Spesen im Monat und Null Franken Lohn ?
    Ich las dass ein Strassenreiniger in Bellinzona mit 3600 Franken pro Monat anfängt.
    Was bleibt dem nach Sozialabgaben,Steuern, Gewerkschaftsbeiträgen usw.
    Ist das Zufall das die Chefin von der CS kommt.

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