Auto Lieferfristen Lagerfahrzeuge

Für viele Automodelle gilt gegenwärtig ein Bestellstopp. Wer ein neues Auto braucht, muss häufig auf ein Lagerfahrzeug ausweichen. © SRF

Durcheinander in den Garagen

Marco Diener /  Wer heute ein Auto bestellt, weiss nicht, wann er es bekommt. Und ob überhaupt.

Gut 229’000 neue Autos verkauften die Schweizer Garagisten im letzten Jahr. Das sind 27 Prozent weniger als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019. Und sogar weniger als 2020 und 2021. Die niedrigen Zahlen dürften weniger mit mangelnder Kauflust zu tun haben, als vielmehr mit den Lieferproblemen.

Es fehlt an Mikrochips und Rohstoffen

Auto-Schweiz, der Verband der Auto-Importeure schreibt: «Der weitere Rückgang ist vor allem auf den Mangel an Bauteilen zurückzuführen.» Mikrochips, diverse Rohstoffe und Kabelbäume, deren Herstellung in der Ukraine wegen des Angriffs Russlands zeitweise zum Erliegen kam, seien «nicht zuverlässig lieferbar».

Ohne Kabelbaum geht gar nichts

Das Problem mit den Kabelbäumen: Sie sind ein Teil, das beim Autobau ganz am Anfang benötigt wird. Denn diese Bündel aus Kabeln versorgen die verschiedenen elektrischen und elektronischen Komponenten mit Strom und mit Signalen. Wenn Kabelbäume fehlen, steht die Produktion still. Wie gegenwärtig beim Ford Tourneo Connect. Denn Kabelbäume lassen sich nicht nachträglich einbauen.

Beliebte Modelle verschwinden

Ein weiterer Grund für die Lieferprobleme ist, dass die meisten Hersteller ihre Produktion immer mehr auf Elektroautos umstellen und deshalb einst beliebte Modelle vom Markt verschwinden. Sie sind nicht mehr oder bald nicht mehr lieferbar. So etwa der Ford Fiesta, den es schon seit 1976 gibt. Vom gleichen Hersteller auch das Modell Mondeo. Auch der VW Sharan verschwindet. Ebenso der Seat Alhambra. Und auch die Kombiversion des Skoda Fabia.

Unberechenbar

Wer sich in den Garagen nach Lieferfristen für ein neues Auto erkundigt, bekommt meistens zu hören: «Schwer zu sagen.» Die Verkäufer lassen sich ungern auf die Äste hinaus. Denn die Lieferfristen sind lang. Sehr lang. Und unberechenbar.

Vielleicht in einem Jahr

Einen Volvo V60 Cross Country gibt’s nicht vor Ende Jahr. Einen Skoda Octavia im nächsten Frühling. Und einen VW Golf – je nach Ausstattung – sogar erst im Sommer 2024. Gewisse VW-Modelle können die Garagisten im Moment gar nicht bestellen. Bei Hyundai gilt für alle Modelle – ausser für die Elektroautos Ioniq 5 und 6 sowie den Staria – ein Bestellstopp.

Ohne Radio

Doch auch wer ein neues Auto hat bestellen können, sollte sich nicht zu früh freuen. Volvo lieferte letztes Jahr Autos ohne DAB+-Radio aus. Volvo sagt aber: «Wir konnten Anfang dieses Jahres mit der Nachrüstung beginnen.» Doch ein Volvo-Verkäufer erklärte gegenüber Infosperber, dass es immer noch Probleme gebe: «Im Moment kann es vorkommen, dass Autos ohne Totwinkel-Assistenten und ohne Fusssensor für den Kofferraum ankommen. Auch da müssen wir dann nachrüsten.» Das heisst: Das neue Auto muss zurück in die Garage.

Vertrag auflösen

Besonders grosse Liefer-Schwierigkeiten hat offenbar Ford. Der Importeur gab zwar gegenüber Infosperber keine Auskunft. Doch die befragten Garagisten beklagen sich bitter. Manchmal träfen Autos ohne die bestellte Sonderausstattung ein. Ein Verkäufer sagt: «Häufig wissen wir das nicht im Voraus. Aber wenn wir erfahren, dass bestellte Sonderausstattung nicht lieferbar ist, informieren wir die Kunden vorgängig. Schlimmstenfalls müssen wir den Vertrag auflösen.» Laut Karl Kümin, Leiter der Rechtsabteilung der Konsumentenzeitschriften K-Tipp und Saldo, ist das zulässig. «Der Kunde kann in diesem Fall wählen, ob er das Auto zum reduzierten Preis oder die Auflösung des Vertrags will.»

Vertrag ändern

Auch bei VW kommt es vor, dass Verträge nachträglich geändert werden. VW Deutschland schreibt, die Garagisten würden frühzeitig über Lieferschwierigkeiten informiert und könnten «bei Bedarf in Absprache mit den Kunden Anpassungen an bestehenden Bestellungen vornehmen, um die Lieferzeit zu verkürzen».

Lagerfahrzeuge

Die Amag, Importeurin von Audi, Seat, Skoda und VW, empfiehlt den Kunden, sich bei den Händlern nach Lagerfahrzeugen zu erkundigen. Denn es könne sein, dass ein bereits vorhandenes Auto «die Ausstattungen des Wunschautos ziemlich trifft». Lagerfahrzeuge sind allerdings häufig mit allerlei Firlefanz ausgestattet, die der Kunde nicht wünscht, aber trotzdem bezahlen muss.

Einfache Ausstattung

Wer sein neues Auto selber konfigurieren wolle, solle es möglichst einfach halten, empfiehlt die Amag und schreibt: «Je weniger Extras konfiguriert werden, desto schneller wird geliefert.» Allerdings: «Ist eine Mehrausstattung deutlich beliebter als erwartet, kann es vorkommen, dass es mit dem Nachschub hapert.»

Was problematisch ist

Welche Ausstattungsmerkmale eine Lieferung verzögern, ist von Marke zu Marke unterschiedlich. Bei Skoda sind es gegenwärtig die 1.0-Liter-Motoren, der 4×4-Antrieb und die Rückfahrkamera. Bei VW in gewissen Modellen die Ledersitze und das Head-up-Display. Bei anderen Marken können es Einparkhilfen sein, Schiebedächer, Navigationssysteme oder Assistenzpakete.

Vorsicht beim Eintausch

Die langen und unberechenbaren Lieferfristen können auch zu Problemen beim Eintausch führen. Denn das alte Auto wird bei der Lieferung des neuen um einiges älter sein als gedacht und auch mehr gefahrene Kilometer aufweisen – also weniger wert sein.

Ein Skoda-Verkäufer sagte gegenüber Infosperber: «Wir regeln das bereits im Kaufvertrag. Mit jedem Monat, um den sich die Lieferung verzögert, sinkt auch der Wert des Eintausch-Fahrzeugs um einen bestimmten Betrag.» Anders gesagt: Je länger das neue Auto nicht eintrifft, desto weniger gibt’s beim Eintausch fürs alte.

Nicht einfach unterschreiben!

Das Kleingedruckte von Kaufverträgen ist für die Kunden häufig unvorteilhaft. Die meisten Garagen verwenden nämlich Verträge, in denen sinngemäss steht: «Treten Preisänderungen ein und liegen zwischen Vertragsabschluss und Lieferung mehr als drei Monate, ist die Firma berechtigt und verpflichtet, den Preis im gleichen Verhältnis zu ändern, wie der Katalogpreis angestiegen oder gesunken ist.»

Da die Preise – auch bei Autos – im Moment eher steigen als sinken, sollten Käufer diesen Passus im Vertrag streichen und stattdessen ausdrücklich einen Fixpreis vereinbaren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 4.05.2023 um 14:03 Uhr
    Permalink

    Hört – das Ende ist nahe! Weniger Autos!! Wozu noch weiterleben!!!?

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