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Anhaltende Flaute – auch bei Investitionen der Unternehmen © pixabay/cc

Die Wirtschaft auf Stagnationskurs

Markus Mugglin /  Machen Unternehmen mehr Gewinne, nehmen auch die Investitionen zu – sollte man meinen. Doch seit Jahren passiert das Gegenteil.

Eine einfache und leicht lesbare Grafik, zu finden weit hinten auf Seite 143 des im Herbst erschienenen «Trade & Development Report 2016» der UNO-Organisation für Handel und Entwicklung, UNCTAD, erklärt schon auf den ersten Blick mehr über die anhaltende Stagnation in den führenden Wirtschaftsmächten als manche komplizierten ökonomischen Studien. Abgebildet sind zwei Kurven. Sie zeichnen die Entwicklung der Unternehmensgewinne und der Investitionen in den grossen Wirtschaftsmächten USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien nach. Die Gewinnkurve verläuft nach oben, jene der Investitionen nach unten.
Entwicklung der Unternehmensgewinne und Investitionen 1980–2015

Unternehmensgewinne (grün) und Investitionen (rot) in den grossen Wirtschaftsmächten USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. (Quelle: UNCTAD, basierend auf Daten von Oxford Economics und OECD)

Das mag wenig spektakulär sein und erklärt vielleicht, weshalb die Grafik wenig Resonanz findet. Zu Unrecht allerdings. Denn sie bildet nicht nur eine Wirklichkeit ab, die im Widerspruch zum ökonomischen Mainstream steht. Die Grafik legt den Schluss nahe, dass die Wirtschaft in den reichen Ländern auf Jahre hinaus stagnieren wird.
Doch der Reihe nach. Die Investitionen nehmen in den reichen und wirtschaftlich mächtigsten Ländern USA, Grossbritannien, Japan, Deutschland und Frankreich seit Beginn der 1990er Jahre ab. Gemessen an deren Bruttoinlandprodukt sind sie von 20 auf noch knapp 16 Prozent gefallen. Ein Rückgang von 20 Prozent.
Die Investitionsflaute hat aber nichts damit zu tun, dass die Unternehmen darben müssten. Im Gegenteil. Seit Mitte der 1990er Jahre geht es ihnen ausgezeichnet. Ihre Gewinne machen statt damals 15 Prozent jetzt 18 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Eine Steigerung um satte 20 Prozent.
Also mehr Gewinn und weniger Investitionen. Es passiert das Gegenteil, was uns Lehrbuchweisheiten und Medien meist erzählen. In den Worten der UNCTAD-Autoren: Die Verknüpfung von Profiten und Investitionen funktioniert nicht mehr wie noch in der «goldenen Periode» nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals bildeten Gewinne für die Unternehmen einen Anreiz zu investieren. Das brachte zusätzliche Gewinne und diese animierten zu weiteren Investitionen. Die Unternehmen fanden es gar attraktiv, sich zu verschulden, um zu investieren. Sie schufen neue Arbeitsplätze mit steigenden Einkommen, die zusätzliche Nachfrage hervorriefen. Ein sich selbst verstärkender Prozess.
Profiteure sind Aktionäre und Spitzenmanager
Diese «Profit-Investitions-Verkettung» funktioniert offensichtlich nicht mehr. Die UNCTAD-Ökonomen erklären auch, warum das so ist. Statt zu investieren schütten die Unternehmen ihre Profite vermehrt ihren Aktionären aus. Entweder über Dividenden oder über den Rückkauf von Aktien. Oder sie verwenden die Gewinne für Fusionen und Firmenaufkäufe. Die dafür aufgebrachten Mittel haben allein 2015 um über einen Drittel auf ein Rekordniveau von rund 4750 Milliarden Dollar zugenommen. Für die Aktienkurse mag das gut sein und damit auch für die Spitzenmanager. Denn diese lassen sich ihren Aktienkurs-Erfolg mit extrahohen Salären belohnen.

All das führt zu einer wachsenden Kluft zwischen Oben und Unten. Oben steigen die Einkommen und die Vermögen steil an, unten stagnieren die Löhne oder nehmen real gar ab. Hinzu kommt der weltweite Trend der sinkenden Steuersätze für Unternehmen. Die Staatskassen bekommen es zu spüren – mit der Folge, dass auch öffentliche Infrastruktur-Investitionen zurückgefahren werden.
Dass überall wirtschaftliche Stagnation herrscht, sollte deshalb niemanden überraschen – auch nicht die Ökonomen, die neuerdings über das Phänomen einer angeblichen «säkularen Stagnation» rätseln. Doch so einfach lesbar die Grafik im UNCTAD-Report auch ist, die Politik kümmert es nicht. Auch die Neuen in Washington, London und Paris nicht, Donald Trump, Theresa May und der Favorit für die französische Präsidentschaft, François Fillon. Sie alle – wie auch die Befürworter der Unternehmenssteuerreform III in der Schweiz – ignorieren die Botschaft der UNCTAD-Grafik und setzen auf noch mehr Steuersenkungen für Unternehmen.
Die Gewinne werden weiter steigen, nicht aber die Investitionen. Denn jeder Manager weiss, dass sich Investitionen nur lohnen, wenn die Konsumenten über die nötigen Mittel verfügen, um ihre Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu erhöhen. Bei hoher Arbeitslosigkeit und stagnierenden Löhnen am unteren Ende sieht es aber nicht danach aus.
Es ist das Schicksal der UNCTAD-Ökonomen: Sie bieten alljährlich in ihrem «Trade & Development-Report» wichtige Einsichten über weltwirtschaftliche Entwicklungen und Zusammenhänge. Sie analysieren die Gründe von Stagnation und sich verschärfender Probleme. Sie haben viel zu sagen, finden aber nur wenig Gehör. Der Schaden ist absehbar. Wirtschaftliche Stagnation bei gleichzeitig zunehmender Ungleichheit ist auch für die nächsten Jahre das wahrscheinliche Szenario.

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2 Meinungen

  • am 31.12.2016 um 15:25 Uhr
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    Arme (grosse) Unternehmen. Senken wir ihnen doch den Steuersatz noch ein wenig mehr (USR-III) damit sie die Umverteilung von Vielen nach Wenigen weiter fortsetzen dürfen. Was braucht es noch, damit die Bürger begreifen, was da (im Neoliberalismus) vor sich geht?

  • am 5.01.2017 um 06:56 Uhr
    Permalink

    Niedrige Steuern und allgemeine Bewunderung der «Winner» haben dazu geführt, dass die Motivation einer Mehrheit der Wirtschaftsführer heute darin liegt, ihr persönliches Vermögen zu mehren, auch wenn sie bereits viel mehr besitzen, als sie sinnvoll anlegen oder gar jemals brauchen werden. Diese Anhäufung von Kapital bewirkt auch eine Akkumulation von Macht und bewirkt eine weitere Verstärkung dieser gesamtwirtschaftlich katastrophalen Entwicklung: Medien und Politiker agieren weitgehend im Sinn der «Elite».

    Man könnte das nur ändern, wenn man die Anreize zum Geldscheffeln schwächen würde. Zum Beispiel durch höhere Steuern. Der Spitzensteuersatz in den USA war 1952, am Anfang des Wirtschaftsbooms, bei 92% ab einem (Jahres!)Einkommen von $400’000. 1981 waren es noch 70%. Dann kam Reagan und mit ihm begann der Abbau von Steuern und die Explosion der Spitzeneinkommen und -Vermögen.

    Letztlich würden alle davon profitieren, wenn die Wohlstandsschere wieder kleiner würde. Trotzdem tut niemand etwas dafür, dass es dazu kommen kann. Stattdessen will man halbseidene Steuersparkonstrukte wie «Patentboxen» für Grossfirmen entwickeln, damit diese noch mehr Geld beiseite schaffen können.

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