Rüstungsaktien: Wenn es um Rendite geht, gibt’s keine Moral
«Erst kommt das Fressen und dann die Moral» – die Verlogenheit, die Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper so schön formulierte, lässt sich heute ohne weiteres auf den Umgang mit der Rüstungsbranche übertragen. Während sich viele trotz des brutalen Überfalls von Russland auf die Ukraine «friedensbewegt» geben und weiterhin möglichst wenig für Waffen auszugeben trachten, wollen andere angebliche Rüstungsdefizite aufholen und ihre Armeen um jeden Preis aufrüsten.
Die Skrupellosen wittern in ihrer ethisch rücksichtslosen Gier sogar das grosse Geschäft und wollen um jeden Preis am längst ausgebrochenen Rüstungsboom in der westlichen Welt teilhaben. Der Schweizer Ständerat etwa hat gerade eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes beschlossen – weil sonst die Schweizer Rüstungsindustrie in ihrer Existenz gefährdet sei, wie einzelne Räte «pragmatisch» argumentieren.
Die Finanzbranche buttert Rüstungs-Anlageangebote in den Markt
Und die Finanzbranche überschlägt sich nur so mit vielversprechenden Anlageangeboten, seit sich einzelne Investoren damit brüsten, mit Aktien von Rüstungsbetrieben wie etwa Rheinmetall Kursgewinne von bis zu 2250 Prozent erzielt zu haben. Tatsächlich boomt das Geschäft des deutschen Unternehmens, das auch in der Schweiz stark vertreten ist und das zum Beispiel in Zürich Oerlikon die «Killer-Drohnen» vom Typ Skyranger fertigt.

Auch die Schweizer Armee prüft die Beschaffung von Skyrangern als künftiges Flugabwehrsystem gegen Drohnen, Hubschrauber und Flugzeuge. Diese Systeme sind so gefragt, dass Rheinmetall die Mitarbeiterzahl in der Produktion in Oerlikon verdoppelt.
Faktisch rüsten die meisten westlichen Länder trotz rasant steigender Staatsschulden seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs so stark auf, dass sich der Auftragsbestand von Rheinmetall in wenigen Jahren fast verfünffacht hat auf knapp 33 Milliarden Euro im November 2025. Bei anderen Anbietern von Rüstungsgütern wie BAE-Systems, Leonardo, Airbus, Thales oder den amerikanischen Riesen wie Lookheed-Martin oder Raytheon geht die Nachfrage ebenfalls deutlich nach oben, wenn auch nicht ganz so rasant.
Wen wird also überraschen, dass die Anleger in ihrer Gier auf den «Aufrüstungszug» aufspringen, was die Finanzbranche wiederum rücksichtslos ausnutzt. So ist das Anlagevolumen eines Anfang Jahr von der deutschen Deka-Bank aufgelegten Fonds, der in Verteidigung und Sicherheit investiert, inzwischen auf fast eine halbe Milliarde Euro angeschwollen. Zu den Top-Werten des Fonds zählen unter anderem Rheinmetall, der amerikanische Cyber-Security-Spezialist Crowdstrike sowie das berüchtigte Softwareunternehmen Palantir.
Viele Anleger investieren in Rüstungsaktien, ohne es zu merken
Der Rüstungs-ETF der Fondsgesellschaft Wisdom Tree setzt sich zu 90 Prozent aus den zehn Aktien der Rüstungsspezialisten Thales, Rheinmetall, BAE-Systems, Airbus, Safran, Leonardo, Rolls-Royce, Saab, Dassault und Kongsberg zusammen. Diese Firmen sind vor allem im europäischen Verteidigungssektor tätig und profitieren unmittelbar von den deutlich zunehmenden Verteidigungsausgaben in der Region. Auf diese Weise hinterlassen die von Russland ausgehenden geopolitischen Spannungen volkswirtschaftliche Spuren, nachdem sie der Friedensdividende den Garaus gemacht haben.
In der Schweiz gibt es zurzeit keine echten, fokussierten Rüstungsfonds. Stattdessen aber werden die Anleger über indirekte Beteiligungen von «normalen» Aktienfonds oder von börsengehandelten Indexfonds unmittelbar in die Branche hineingezogen. Sobald zum Beispiel ein privater Anleger, eine Pensionskasse oder gar die Schweizer Nationalbank Geld in einen Indexfonds auf den Dax oder Eurostoxx-Index investiert, ist er automatisch am deutschen Rüstungskonzern beteiligt.
Ihr Geld hat dazu beigetragen, dass der Kurs der Aktie des Rüstungskonzerns seit dem Ukrainekrieg sehr stark gestiegen und deswegen in den verschiedenen Indizes sehr stark gewichtet ist. Der Blick auf die Aktionärsstruktur von Rheinmetall macht deutlich, welche Dimensionen das angenommen hat: Zwei Drittel aller Anteile befinden sich in den Händen institutioneller Anleger – also von Versicherungen, Banken, Pensionskassen, Fonds, Stiftungen oder staatlichen Organisationen.
Die Finanzbranche nimmt und hat erheblichen Einfluss
Ganz vorne dabei ist Blackrock, der grösste Vermögensverwalter der Welt. Er bietet den Anlegern verschiedenste Anlageprodukte an, die zum Beispiel in Rheinmetall investieren. Zählt man alle Stimmrechte zusammen, die Blackrock im Auftrag seiner Investoren an der Hauptversammlung von Rheinmetall ausüben könnte, so kommt man auf sieben Prozent (siehe Grafik unten). Auch Investment- und Grossbanken wie Goldman-Sachs, Morgan-Stanley, Bank of America oder die UBS bringen es auf beachtliche Stimmrechte.

Als ob das der Verlogenheit noch nicht genug wäre, haben zahlreiche Banken und Fondsgesellschaften seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ihre Nachhaltigkeitskriterien so angepasst, dass Investitionen in Rüstungsaktien möglich werden, nachdem diese zuvor ausgeschlossen waren. Das trifft vor allem auf Fonds und Produkte mit sogenannten ESG- oder Nachhaltigkeitslabels zu. ESG steht für die Nachhaltigkeitskriterien Enviromental, Social, Governance.
Im März 2025 etwa hat die UBS ihre Nachhaltigkeitsrichtlinien geändert. Seitdem sind die Aktien von Rüstungsunternehmen als Investments in ihren «nachhaltigen Fonds» erlaubt. Es sei denn, sie stellten geächtete Waffen wie Streumunition und Atomwaffen her. Vorher waren die Wertpapiere von Unternehmen ausgeschlossen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Rüstungsaufträgen erzielten. Die Allianz Global Investors und die Danske Bank wurden ebenfalls opportunistisch. Der schwedische Finanzkonzern SEB hatte schon im Jahr 2023 für manche seiner Fonds das Verbot von Investitionen in Rüstungsunternehmen aufgehoben.
Laut einer Analyse des Index-Anbieters MSCI sind inzwischen über zwei Drittel der ESG-Fonds in Europa an reinen Waffenherstellern beteiligt. Erst kommt eben das Fressen und dann die Moral.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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