Nach Misenso-Kahlschlag – wie lange geht’s bei Bike-World?
Die ersten Gerüchte kamen vor einem guten Jahr auf, als Media-Markt von der Migros 20 von 37 Melectronics-Filialen übernahm. Die «Sonntags-Zeitung» fragte damals den Media-Markt-Chef Jan Niclas Brandt: «Es heisst, die Migros habe sogar ein Aufgeld dafür bezahlt, dass Sie Melectronics übernehmen. Stimmt das?» Seine Antwort: «Wir haben kein Aufgeld erhalten.»
Media-Markt hat wohl nichts bezahlt
Die «Sonntags-Zeitung» hakte nach: «Das klingt, als hätten sie der Migros zumindest kein Geld zahlen müssen für Melectronics.» Brandt wich aus: «Ich kann nur so viel sagen: Wir übernehmen Standorte und die Mitarbeitenden und treten dann als Mieter in den jeweiligen Einkaufszentren auf.»
Es klang so, als ob Media-Markt für die 20 Melectronics-Filialen nichts bezahlt hätte. Und Insider wollen sogar wissen, dass Media-Markt der Migros keine oder jedenfalls keine marktgerechte Miete für die beanspruchten Flächen bezahlt.
Das Aus für elf Misenso-Filialen
Ähnlich dürfte auch die Misenso-Übernahme gelaufen sein. Die österreichische Neuroth-Gruppe soll für die Hörgeräte- und Brillen-Tochterfirma der Migros auch nichts bezahlt haben. Aber offenbar musste Neuroth zusichern, während eines Jahres keine Filialen zu schliessen.
Diesen Sommer ist die Jahresfrist abgelaufen, und Ende September hat Neuroth prompt 11 von 29 Misenso-Filialen wegen «anhaltender wirtschaftlicher Herausforderungen» geschlossen. 63 Angestellte verloren ihre Stelle. Deshalb wollte Infosperber von der Migros wissen:
- ob Neuroth etwas für Misenso bezahlt habe
- oder ob Neuroth für die Übernahme sogar Geld erhalten habe,
- ob Neuroth einen marktgerechten Zins für die Misenso-Standorte bezahle
- und ob Neuroth verpflichtet worden sei, die Misenso-Filialen während einer gewissen Zeit weiterzubetreiben.
Die Migros gibt keine Antwort
Die Migros beantwortet die Fragen «aus Vertraulichkeitsgründen» nicht. Sie verweist an Neuroth. Doch auch Neuroth sagt nichts. Die Migros hält bloss fest, dass sie «ihre Tochtergesellschaft nach einem vertieften Due-Diligence-Prozess an die Neuroth-Gruppe verkauft» habe. Due-Diligence-Prozess bedeutet nichts anderes als: nach sorgfältiger Prüfung. Und das wäre eigentlich das mindeste.
So sorgfältig dürfte die Prüfung allerdings nicht abgelaufen sein, wenn Neuroth nach 15 Monaten mehr als einen Drittel der Misenso-Filialen schliesst. Aber für die Migros ist die Sache letztlich gut gelaufen. Denn nicht sie musste die 63 Angestellten entlassen, sondern Neuroth. Und so konnte die Migros weitere Negativ-Schlagzeilen im Jubiläumsjahr vermeiden.
Thömus könnte sogar etwas erhalten haben
In Fachkreisen war das Erstaunen gross, als letztes Jahr bekannt wurde, dass der Berner Velohersteller und -händler Thömus die zwölf Bike-World-Filialen von der Migros übernehmen würde. Thömus verdreifachte mit diesem Schritt die Zahl seiner Läden. Im März wurden sie unter dem Namen Thömus Bike-World neu eröffnet.

Aus gut unterrichteter Quelle hat Infosperber erfahren, dass sich auch Thömus gegenüber der Migros verpflichtet habe, während einer gewissen Zeit keine Filiale zu schliessen und keine Angestellten zu entlassen. Dafür sei er honoriert worden.
Das ist auch insofern plausibel, als die Migros grösste Schwierigkeiten hatte, ihre Tochterfirmen loszuschlagen. Ob Hotelplan, Mibelle, SportX, Melectronics, Bike-World, Obi oder Micasa – die Verhandlungen zogen sich hin. Niemand schien grosses Interesse an den Firmen zu haben.
Doch zurück zu Thömus Bike-World: Infosperber wollte es genau wissen und stellte der Migros zu Bike-World die gleichen Fragen wie zu Misenso. Aber die Migros gibt «ebenfalls aus Vertraulichkeitsgründen und wegen vertraglicher Bestimmungen» keinerlei Auskünfte. Und auch Thömus-Besitzer Thomas Binggeli beantwortet die Fragen nicht.

Aber offenbar läuft es bei Thömus Bike-World nicht sonderlich gut. In den Filialen hat es häufig mehr Angestellte als Kunden. Die Infosperber-Quelle sagt, fünf Filialen seien gefährdet. Zu Schliessungen komme es aber nicht vor 2026, weil sich die Migros gegenwärtig offenbar noch an Kosten für Miete und Personal beteilige.
Doppelspurigkeit bei Hotelplan
Auch von den 71 Hotelplan-Filialen dürften nach dem Verkauf an Dertour nicht alle überleben. Der «Blick» analysierte die Standorte und stellte fest: Viele Hotelplan-Filialen liegen in der Nähe von Kuoni-Filialen. Diese gehören ebenfalls zu Dertour. Zum Teil liegen sie unmittelbar nebeneinander: im Glattzentrum in Wallisellen ZH, an der Gerbergasse in Basel, am Bellevue in Zürich und an der Marktgasse in Bülach ZH. Laut «Blick» gibt es 37 Orte, an denen Kuoni- und Hotelplan-Filialen «innerhalb einer kurzen Gehdistanz» liegen. Diese Doppelspurigkeit wird Dertour wohl nicht lange dulden.
Demütigung für die Migros in der Berner Marktgasse
Weil sie keinen Käufer fand, musste die Migros im Sommer 31 Filialen ihrer Baumarkt-Kette Do it + Garden schliessen. Auch an der Marktgasse in der Berner Innenstadt. Die Räume gehören nicht der Migros. Sie ist eingemietet. Und der Mietvertrag läuft noch zehn Jahre.
Offenbar hatte die Migros grosse Mühe, die Verkaufsfläche zu vermieten. Doch jetzt hat sie einen Untermieter gefunden: den Baumarkt Jumbo, wie die «Berner Zeitung» berichtet. Ausgerechnet Jumbo. Jumbo ist eine Tochterfirma von Coop und war der direkte Konkurrent von Do it + Garden. Jumbo hat nun sogar angekündigt, bei der Anstellung des Personals ehemalige Do-it-Leute bevorzugt zu behandeln.
Es ist die maximale Demütigung für die Migros: einerseits, weil sie die Flächen ausgerechnet an den schärfsten Konkurrenten Coop abtritt; andererseits, weil Coop mit Jumbo beweist, dass das Baumarkt-Geschäft auch heute noch funktioniert, wenn man es richtig betreibt.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.









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