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Investor und Finanzberater Reto Zenhäusern am 14. März in der Sendung rts-info. © rts

«Gestern verdiente ich an den Börsen 125x eine 13. Rente!»

Red. /  Trotz Hiobsnachrichten über Kriege und Gefahren kommt es zu Rekorden an den Börsen – ein Tabuthema, meint Investor Reto Zenhäusern.

Red. Der DAX der Frankfurter Börse überschritt sein Allzeithoch. Auch der CAC 40 der Pariser Börse und der Dow Jones, der Nasdaq und der Standard & Poors-Index in New York übertrafen alle ihre Rekorde. In der Schweiz erreichte der SMI-Index seinen höchsten Stand seit zwei Jahren.
RTS-info interviewte den Zürcher Investor und Finanzberater Reto Zenhäusern – Pseudonym des Satirikers Vincent Kucholl.

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Guten Tag Herr Zenhäusern. Sie sind ein Zürcher Investor und Finanzberater. Können Sie diesen Aufschwung an den Finanzmärkten bestätigen?

Ja klar, der findet statt. Ich selbst habe allein gestern den Gegenwert von 125 dreizehnten AHV-Renten verdient. Und dies, obwohl es an den Märkten ein ziemlich ruhiger Tag war.

Warum wird in den Medien so wenig darüber berichtet?

Die Finanzpresse, das kann ich Ihnen sagen, schreibt darüber! Aber in den populären oder Boulevardmedien, wie der, in der wir uns gerade befinden, wird in der Tat nicht wirklich darüber informiert. Ich glaube, die Journalisten interessieren sich kaum für dieses Thema, weil die meisten von ihnen arm sind. Sie bekommen zwar für das, was sie leisten, zu viel Geld, aber sie besitzen keine Aktien. Genauso wie Ihr Radio-Publikum, das oft noch ärmer ist als die Journalisten.

Was sagt denn das über die heutige Welt aus?

Das ist nur gerecht. Alle diese guten Nachrichten können ein wenig Balsam sein für die Seele aller diejenigen, die von den aktuellen Ereignissen etwas deprimiert sind.

Tatsächlich ist einem beim Lesen der Zeitungen derzeit nicht allzu sehr nach Feiern zumute.

Oh doch! Zwar dauert der Krieg in der Ukraine nun schon länger als zwei Jahre und forderte wahrscheinlich mehr als 200’000 Tote. Aber auf der anderen Seite haben die Aktien von Novo Nordisk seit Jahresbeginn um 29,9 Prozent zugelegt!

Was ist Novo Nordisk …?

Das ist ein dänisches Pharmaunternehmen, das Medikamente herstellt, mit denen dicke Menschen ohne Sport abnehmen können. 
Es stimmt auch, dass ein Viertel der Bevölkerung in Gaza unterernährt ist und 60’000 Schwangere zusätzlich an Dehydrierung leiden. Aber andererseits verzeichnet Nvidia seit dem 1. Januar ein Plus von 88,7 Prozent!

Nvidia, was ist das?

Ein Hersteller von Chips und Grafikkarten. Sie erlauben es der künstlichen Intelligenz, sich exponentiell zu entwickeln, um bald all die kleinen, zu teuren Hände zu ersetzen, die unsere Büros verstopfen.

Okay, Haiti hat keine Regierung, keine Wirtschaft und keine Zukunftsaussichten mehr. Aber die UBS legte seit Anfang 2024 um 11,54 Prozent zu!

Die UBS kenne ich!

Das ist gut so. Und dann ist es in Jemen, in Syrien und in der Demokratischen Republik Kongo immer noch nicht so toll – obwohl auch das in den Medien kaum erwähnt wird. Aber Bitcoin gewann 72,8 Prozent «year to date», das heisst seit Anfang des Jahres!

Auch Bitcoin weiss ich, was das ist. Zumindest glaube ich es.

Ja, es ist diese virtuelle Währung, mit der man im Darknetz jede Menge Zeug kaufen kann, ohne von den Staaten überwacht zu werden.

Und dann ist da noch Putin, der am Sonntag wiedergewählt wird, und Trump im November: Das sind gute Nachrichten für die Finanzmärkte. Und dann noch das Gold, dessen Wert noch nie so hoch war wie am vergangenen Montag!

Der Kontrast zwischen der Welt, der es so schlecht geht, und der Finanzwelt, der es so gut geht, ist wirklich krass.

Ja. Und deshalb ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass die Medien nicht allzu viel über diesen Gegensatz berichten.

Aus Anstand…? 

Nein, nein! Aus Diskretion. Wenn die breite Öffentlichkeit wüsste, welche goldene Nase wir uns verdienen, möchte sie vielleicht auch ein paar Brosamen – um damit die dreizehnte Rente, die Senkung der Krankenkassenprämien oder einen Inflationsausgleich zu finanzieren. Deshalb ist es zu begrüssen, dass es nicht wirklich ein Thema ist. Es erlaubt uns, alles für uns zu behalten. 

Alles klar. Das ist es, was wir heute Morgen mitnehmen. Reto Zenhäusern, Investor und Finanzberater, vielen Dank für die Erklärungen und einen schönen Tag.

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Zur Sendung von rts-info vom 14. März 2024 (auf französisch): hier.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 16.03.2024 um 12:07 Uhr
    Permalink

    Als ich das Interview gelesen habe, dachte ich, das sei Satire.
    Es ist Satire! Aber das krasse daran ist, dass uns die Satire wieder einmal simpelst den Spiegel unserer abartigen Gesellschaft & Wirtschaft schön vorhält. Das darf doch nicht sein, dass die Welt so läuft.
    Wer kann das stoppen?
    Dekadenz und Doppelmoral pur…
    Da habe ich ein ganz schlechtes Gefühl dabei… das wird nicht gut rauskommen, das schreit danach unterzugehen!

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