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Andere für sich arbeiten zulassen: ein Tipp für besonders Clevere? © UBS

Die UBS sagt es: Andere für sich arbeiten lassen

Christian Müller /  Die Journalisten seien alle links, sagt die Wirtschaft. Sie selber propagiert hemmungslos die Übervorteilung Anderer.

Andere für sich arbeiten lassen. Wir alle haben es schon getan und/oder tun es immer wieder. Warum soll ich nicht den Gärtner beschäftigen, wenn ich selber CHF 50 in der Stunde verdiene, vom Gärtnern aber nichts verstehe, der Gärtner aber, der etwas von seinem Geschäft versteht, es sogar für CHF 45 in der Stunde tut? Da macht es doch Sinn, Andere für mich arbeiten zu lassen.

Andere für sich arbeiten zu lassen. Wir brauchen die Formulierung allerdings auch für Leute, die – ein anderes Sprachbild – die Arbeit «nicht erfunden» haben. Sprich: für eher arbeitsscheue Leute. «Otto ist einer, der lieber die Andern für sich arbeiten lässt», sagen wir etwa und meinen damit: «Otto ist ein fauler Hund.» Die moralische Verurteilung, zumindest Herabwürdigung, schwingt mit.

Andere für sich arbeiten lassen. Jetzt kann man es sogar in der Werbung lesen. «Andere für sich arbeiten lassen: Hier bringts Erfolg.» Die Schlagzeile in einer grossen Werbeanzeige der UBS lässt aufhorchen. Wir sollen also Andere für uns arbeiten lassen, nicht nur, ohne ihnen etwas dafür zu bezahlen, sondern um daraus sogar noch Geld zu verdienen!

Viele tun es und halten sich für besonders clever

Klar, viele tun es. Viele, mit mehr oder auch mit weniger Sackgeld, das sie für ihr tägliches Leben nicht brauchen, investieren die «überflüssigen» Franken irgendwo – in der stillen Hoffnung, es werde daraus eines Tages dann mehr. Und wo es gelingt, hält sich der Investor für besonders clever. Er hatte ja zumindest eine gute Nase.

Dass aus dem investierten Geld mehr geworden ist, so es denn so ist, hängt meist damit zusammen, dass Andere dafür gearbeitet haben. (Allerdings nicht immer, notabene. Das Geld kann auch infolge einer Blase mehr geworden sein. Dann freilich besteht auch die Gefahr, dass die Blase platzt und das Geld, oder zumindest der Mehrwert, sich in Luft auflöst.) Der «clevere» Investor ist vielleicht ganz froh, nicht alles zu wissen. Dann braucht er auch kein schlechtes Gewissen zu haben.

Jetzt kommt die neue «Ehrlichkeit»

Die neue Werbung der UBS geht nun allerdings noch einen Schritt weiter: Wir SOLLEN so clever sein, Andere für uns arbeiten zu lassen. Wir SOLLEN Geld so investieren, dass ANDERE für uns arbeiten und wir – die Hände im Schoss – dabei reicher werden. Wir SOLLEN von dem System profitieren, bei dem die Einen gerne eine Arbeit hätten, um sich anständig durchs Leben zu bringen, Andere aber Geld verdienen, ohne sich schmutzige Hände zu machen.

Ja, man kann es der UBS attestieren: In ihrer Werbung ist sie wenigstens ehrlich.

Ob das ein Fortschritt ist?

Es stellt sich allerdings die Frage, ob wir ein solches System wirklich wollen. In mehreren europäischen Ländern liegt die Arbeitslosigkeit bei 20 und mehr Prozent. Die Arbeitslosigkeit der Jungen liegt vielerorts sogar bei 30 bis 50 Prozent. Die jungen Menschen sind ohne jede Perspektive. Sie suchen einen Job, um ihr eigens Leben zu finanzieren. Dass da etwas übrigbleiben würde, ist eh ausser Reichweite. Und in dieser Situation macht eine der grössten Banken Europas Werbung damit, doch Andere für sich arbeiten zu lassen. Das ist, subjektiv, gewiss ehrlich. Von aussen betrachtet ist es allerdings auch zynisch.

Journalisten Kopf hoch!

Einen Vorteil wenigstens hat solche Werbung. Die Journalistinnen und Journalisten, denen die Wirtschaft meist sehr pauschal vorwirft, links zu stehen, brauchen sich dessen nicht mehr zu schämen. In einer Welt, in der man öffentlich dafür werben darf, doch Andere für sich arbeiten zu lassen, um Erfolg zu haben, ist es nicht mehr ehrenrührig, Journalist zu sein und «links» zu stehen.

PS:
Der Vollständigkeit halber sei hier angegeben, dass im Kleingedruckten der UBS-Anzeige der Satz steht: «Anlagen sind unser Handwerk seit 1862.» Das «Andere für sich arbeiten lassen» könnte deshalb auch so gemeint sein: Lass doch die UBS für dich arbeiten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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