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Globalisieren – aber richtig © Rawpixel/Depositphotos

Was uns das Scheitern von Globalisierungen lehren könnte

Red. /  Die Verlierer nicht allein lassen und die Vorteile besser verteilen, fordert eine Professorin für Wirtschaftsgeschichte.

Tara Zahra, Professorin für Wirtschaftsgeschichte an der University of Chicago, erinnert daran, dass die Globalisierung der Wirtschaft bereits zweimal einen dramatischen Zusammenbruch erlebte: vor dem Ersten Weltkrieg und erneut in der Zeit zwischen den Weltkriegen. 

Beide Male galten Internationalisierung und wirtschaftliche Verflechtung als unumkehrbar und als Garant für Frieden und Wohlstand. Technologische Innovationen, Migration und der freie Handel machten die Welt zwar offener, führten aber auch zu sozialen Spannungen, Ungleichheiten und politischen Gegenbewegungen.

Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Tara Zahra zieht deutliche Parallelen zwischen den damaligen Entwicklungen und der heutigen Situation. Wie damals seien auch heute viele Menschen überzeugt, Globalisierung sei eine positive, unaufhaltsame Kraft. Doch erneut gebe es massive Gegenreaktionen: Populistische und autoritäre Bewegungen gewinnen an Einfluss, der freie Handel und die Migration werden politisch attackiert, und die antiglobalistische Stimmung sei weltweit spürbar. 

Die Covid-Pandemie, die Finanzkrise von 2008 und politische Entwicklungen wie Trumps Wahlerfolg, Zölle und neue Handelsbarrieren gelten als Auslöser einer neuen Phase des Rückzugs aus der Globalisierung.

Die Folgen des ersten Zusammenbruchs nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg war der Welthandel massiv eingebrochen, autoritäre und faschistische Bewegungen gewannen an Macht, und die Welt driftete in einen katastrophalen Krieg ab. Minderheiten wurden zu Sündenböcken gemacht, wirtschaftliche und politische Abschottungen nahmen zu. 

Die vermeintlichen Freiheiten der Globalisierung waren in Wahrheit Privilegien einer kleinen Elite gewesen, während viele Menschen von Armut, Ausbeutung und Diskriminierung betroffen waren.

Wiederkehrende Muster und politische Instrumentalisierung

Globalisierung bringe stets Gewinner und Verlierer hervor, konstatiert die Professorin. Während einige von höheren Löhnen und billigen Importen profitieren, verlieren andere ihre Arbeitsplätze oder sehen ihre Lebensgrundlagen bedroht. 

Diese Ungleichheiten würden politisch instrumentalisiert, um gegen Freihandel, Migration oder bestimmte Bevölkerungsgruppen Stimmung zu machen. Wirtschaftliche Schocks wie Kriege oder Krisen würden die Abkehr von internationalen Verflechtungen verstärken und zu Autarkiebestrebungen und nationalistischen Bewegungen führen.

Lehren aus der Geschichte und mögliche Auswege

Der ungarische Sozialwissenschaftler Karl Polanyi argumentierte 1944, der Aufstieg des Faschismus sei nicht in erster Linie eine Folge des Ersten Weltkriegs, des Versailler Vertrags, des deutschen Militarismus oder des italienischen Temperaments gewesen, sondern wesentlich auch eine Reaktion auf die Demütigungen, die der wirtschaftliche Liberalismus und die Globalisierung mit sich brachten. 

1929 habe sich ein Vertreter des deutschen Schuhmacherverbandes über die Arbeitsbedingungen im tschechoslowakischen Zlin beklagt, wo Schuhe hergestellt wurden, die «in der zivilisierten Welt undenkbar» seien.

Am Ende des Ersten Weltkriegs war es zu einer raschen Inflation, einem Zusammenbruch von Lieferketten und zu Unruhen und politischen Umwälzungen gekommen.

Aktuelle Entwicklungen und Risiken

In ähnlicher Weise, so Zahra, habe der globale Inflationsschock nach dem Ende der Covid-Pandemie die jüngste Präsidentschaftskampagne von Donald Trump und anderer Oppositionellen beflügelt. Weltweit hätten Amtsinhaber zwischen 2022 und 2024 rund 70 Prozent der Wahlen weltweit verloren.

Auch heute zeige sich, dass Krisen – wie die Pandemie oder globale Lieferkettenprobleme – das Vertrauen in die Globalisierung erschüttern. Staaten und Unternehmen würden verstärkt über die Rückverlagerung von Produktion und mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit nachdenken. 

Die politische Polarisierung nehme zu, Minderheiten würden erneut zu Sündenböcken gemacht, und autoritäre Tendenzen gewännen an Boden. 

Eine Lehre daraus: Es brauche einen Ausgleich der Ungleichheiten, welche die Globalisierung verursacht, sagt Zahra. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man mit neuen internationalen Institutionen und Sozialprogrammen gezielt Sicherheitsnetze geschaffen, um die negativen Folgen der Globalisierung abzufedern. 

Heute seien vergleichbare Reformen nötig: etwa ein neues internationales Handelssystem, höhere Sozialausgaben, eine gezielte Migrationspolitik und Investitionen in Bildung und Qualifikation.

Fazit

Die Autorin warnt davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Es brauche keine neue Katastrophe, um zu erkennen, dass die Architektur der Globalisierung verändert werden müsse. 

Um Demokratie und Wohlstand zu sichern, sei entscheidend, die Spannungen zwischen Globalisierung und Gleichheit zu lösen. Die Zukunft hänge davon ab, ob es gelinge, die Vorteile der Globalisierung gerechter zu verteilen und die Verlierer nicht zurückzulassen.


Eine sinnvolle Arbeitsteilung wurde pervertiert.

upg. Die sogenannten «Marktpreise», die dem Welthandel zugrunde liegen, spiegeln in keiner Weise die relativen Standortvorteile der einzelnen Länder:

  • Massive Subventionen verzerren die heutigen Weltmarktpreise. Allein die Flug-, und Schiffstransporte profitieren von direkten Subventionen in Milliardenhöhe.
  • Bei den heutigen «Marktpreisen» fehlen die hohen Kosten der ökologischen und sozialen Schäden, welche Produktion, Transport und Konsum der Produkte verursachen. Diese Kosten werden grosszügig auf die Allgemeinheit abgewälzt, also sozialisiert, und nehmen ständig zu. 
    Die Wirtschaftstheorie spricht nicht von «sozialisierten» Kosten, sondern verharmlosend von «externen» Kosten.

➔ Infosperber vom 8. April 2025: 
Der Welthandel wird pervertiert durch Milliarden an sozialisierten Kosten sowie durch Subventionen zu Lasten der Allgemeinheit.

Quellen:
Tara Zahra: «Globalization is collapsing. Brace yourselves», «New York Times», 5. April 2025
Tara Zahra: «Against the World: Anti Globalism and Mass Politics Between the World Wars», 2023


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

Weltkonferenz

Pro und Contra Freihandelsabkommen

Die grossen Konzerne gewinnen. Die Risiken gehen oft zulasten der Staaten und ihrer Bürgerinnen und Bürger.

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3 Meinungen

  • am 7.05.2025 um 11:38 Uhr
    Permalink

    Welche Gründe führen die ’nicht nützlich› Schreiber für ihr Statement auf? Meine Eindruck 50% der Menschen haben nichts und leiden oder sterben im Abfall, 50% konsumieren und produzieren riesige Abfallberge und 1% davon ertrinkt im Ueberfluss und erklärt die Richtigkeit dieses Systems!

  • am 7.05.2025 um 12:36 Uhr
    Permalink

    Eine gerechte Globalisierung kann es nur geben, wenn die Löhne und die Steuern in allen Staaten, die es auf dem Globus hat gleich hoch sind. Das hätte den Vorteil, alle werden gut verdienen, können konsumieren. Der Staat profitiert, weil wer gut verdient kann auch Steuern zahlen. Und die Konsumenten sind nicht mehr auf Billig-Produkte angewiesen, weil die Löhne niedrig sind. Die Fabriken müssen nicht ständig ausgelagert werden in Länder mit niedrigen Löhnen und Steuern, um Produkte herzustellen zu können, die sehr günstig sein müssen, weil die Masse zu wenig Einkommen hat teure Sachen kaufen zu können.
    Gunther Kropp, Basel

  • am 7.05.2025 um 15:59 Uhr
    Permalink

    Tara Zahra, Professorin für Wirtschaftsgeschichte an der University of Chicago, lehrt an derselben Universität an der Milton Friedmann während 30 Jahren gewirkt hat. Als Berater von Reagan und Thatcher ist Milton Friedmann für die z.Z. grassiernde, neoliberale Revolution von oben mitverantwortlich. Dass Frau Zahra heute Korrekturen am Friedmannschen Konzept forderet, ist m.E. üble Heuchelei oder aber einfach ökonomisches Blabla.

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