Kohle

Immer mehr Versicherer lassen von Kohle lieber die Finger. © CC

Divestment: Weg von der Kohle

D. Gschweng /  Die Anzahl der Versicherungsgesellschaften, die die schmutzige Kohle nicht mehr versichern wollen, ist erneut gestiegen.

Die Anzahl der Versicherungsgesellschaften, die Kohlebergbau, Kohlekraftwerke und andere Kohleprojekte nicht mehr oder nur noch eingeschränkt versichern, hat sich 2019 verdoppelt. Zu den sieben Versicherern und Rückversicherern, die diese Politik bereits 2018 vorantrieben, kamen in diesem Jahr zehn dazu, legt «Unfriend Coal» in seinem dritten Jahresbericht dar. Kohle werde zunehmend unversicherbar, stellt der Bericht fest.

Der Zusammenschluss mehrerer Nichtregierungsorganisationen wie «Greenpeace», «Client Earth», «350.org» und «Friends of the Earth», beobachtet jährlich das Verhalten der grössten Versicherungen in Bezug auf Kohle und stellt ein Ranking auf.

Der Kohleausstieg wird globaler

Seit März 2019 betreiben neben europäischen Gesellschaften auch zwei US-Unternehmen sowie zwei Versicherungen in Australien den Kohleausstieg. Im November 2019 zählte «Unfriend Coal» 111 international bedeutende Institutionen wie Kreditgeber, Versicherungen und Banken, die ihre Abhängigkeit von der Kohle reduzieren wollen.

«Divestment» heisst diese Strategie, bei der es aus Sicht der Umweltverbände darum geht, der Kohlegewinnung und -verbrennung die Mittel zu entziehen. Aus Sicht der Investoren vermeidet die Verschiebung auf andere Märkte Risiken, beispielsweise die Gefahr von Umweltklagen oder steigende CO2-Preise.

Beim Versicherungs-Divestment geht es um sehr viel Geld. Mindestens 35 grosse Versicherer betreiben irgendeine Art von Kohle-Divestment, listet die «Unfriend Coal» auf. Zusammen belaufe sich ihr Vermögen auf 8,9 Billionen Dollar oder etwa 37 Prozent des globalen Versicherungsmarktes.

«Swiss Re» und «Zurich» führen beim Kohle-Divestment

Wie weit die Bemühungen im Einzelfall gehen, ist unterschiedlich. Zu den ersten Gesellschaften, die eine Anti-Kohle-Politik fuhren, gehörten 2017 die «Zurich» und die Rückversicherung «Swiss Re». Beide nehmen keine neuen Kohleprojekte an und begrenzen bestehende Projekte, bei Kohle wie bei der Rohstoffgewinnung aus Teersand. Ihre Politik erstreckt sich auch auf Unternehmen, die in den betreffenden Geschäftsfeldern tätig sind. Andere Gesellschaften wie AXA, Generali, Allianz, Chubb, SCOR, Hannover Re und mehrere andere versichern keine neuen Kohleprojekte mehr, wieder andere begrenzen die Deckung der existierenden Verträge.


Rang 1 bis 10 in dem von «Unfriend Coal» durchgeführten Ranking von 35 grossen Versicherungsgesellschaften. Die gesamte Scorecard 2019 findet sich hier .

Seit dem «Unfriend Coal-Report 2017» hat sich damit einiges getan. Einer der letzten grossen europäischen Versicherer, der auch neue Kohleprojekte versichere, sei die britische Versicherung «Lloyd’s», berichtet der «Guardian». Bei den Investments ziehe sich der Versicherungsgigant aber schon seit Jahren aus der Kohle zurück.

Das Risiko der Kohleverbrennung wird zu hoch

Rückendeckung erhalten die Versicherungen dabei von den grossen Risikoabschätzern: Es sei nicht zu erwarten, dass grosse, diversifizierte Versicherer wesentliche Nachteile hätten, wenn sie darauf verzichteten, Kohle zu versichern, bewertete die Rating-Agentur «Moody’s» im Juli 2019 den Kohleausstieg der Branche, «tatsächlich könnten diese Versicherungen davon profitieren, potenziellen Umwelthaftungsrisiken zu entgehen, die mit der Kohleverbrennung einhergehen», sagte sie.

Beim Kohle-Divestment seltene Einigkeit zwischen Versicherungen und Umweltorganisationen

Divestement in umweltrelevanten Branchen ist einer der wenigen Punkte, bei dem sich Konsumentenschützer, Umweltorganisationen, Banken und Versicherungen einig sind. Der fortschreitende Klimawandel kostet Versicherer und Rückversicherer schon jetzt immer mehr Geld, vor allem Brände und Extremwetter-Schäden fallen ins Gewicht.

Eine aus dem Takt geratene Erde wird in Zukunft vermutlich Unsummen kosten, darauf haben Wirtschaftsfachleute bereits mehrfach hingewiesen. Dadurch wiederum steigen die Prämien für die Versicherten, seien es Privatpersonen oder Unternehmen. Werden diese in klimaschädliche Branchen investiert, bezahlen sie damit dafür, dass das, was die Prämien hochgetrieben hat, sich noch verschlimmert.


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2 Meinungen

  • am 16.12.2019 um 14:33 Uhr
    Permalink

    Aus humanistischen Gründen müsste bereits ein totales Divestment aus
    – allen fossilen Energien
    – der gesamten Rüstungs-Industrie
    – aus allen Unternehmen der Tabak- und Alkohol-Industrie und anderen Suchtmittelherstellern
    erfolgt sein.

    Dass aus rein finanziellen Überlegungen nicht mehr wachsender Gewinne und der Tatsache, dass schädliche Unternehmen nicht mehr versichert werden können, erst jetzt ein zögerliches Umdenken bei Kohle stattfindet zeigt auf, wie kaputt und wie wenig nachhaltig unser Finanz- und Wirtschafts-System ist.

    Es dient NICHT der grossen Mehrheit der Menschen. Es ist brandgefährlich.
    Aber wir weigern uns immer noch, dieses gefährliche System zu reformieren.
    Akzeptieren wir lieber den kollektiven Untergang?

    Wir brauchen dringend ein vollständiges Divestment nach humanistischen Werten (siehe oben) und Reformen des Finanz- und Wirtschaftssystems – Ideen liefert z.B.

    Die Humane Marktwirtschaft (nach P. Haisenko und Hubert zum Brunn).

  • am 16.12.2019 um 16:15 Uhr
    Permalink

    Es ist unübersehbar, daß der Artikel eine Art «GRÜNE BOTSCHAFT» an die Leserschaft rüberbringen soll, was ja auch nicht verboten ist, sondern vielmehr dem «Mainstream» entspricht.

    Für den realen weltweiten Sachstand zu Kohle/Kohlenutzung aber ist das zu unzulänglich. Die allein in Asien etwa 1600 neuen, entstehenden und geplanten Kohlekraftwerke, werden fast ausschliesslich von China gebaut + finanziert + versichert. Denen ist der «Kohle-Ausstieg» gewisser Versicherer schlicht egal! China baut und finanziert auch gerade Kohlekraftwerke in Afrika und Südamerika.

    Australien ist immer noch der grösste Kohle-Exporteur. Länder wie USA+Indonesien sind es etwas kleiner dazu. Dann erschließen Länder wie z.B. Pakistan, gerade erst ihre bislang kaum genutzten Kohlevorkommen (Braunkohle). Indien setzt auf ein paar wenige Windräder und sehr sehr viel Kohle. Rußland macht darin sowieso was es will. Wer also meint, die «Kohle» sei am Ende oder ein Auslaufmodell, der belügt sich selbst.

    Absurd wird es allerdings im Detail, etwa bei den «Fridays» mit ihrer «Kohlemanie» bei der man sich fragt, ob die gleich auch alle Museums-Dampfeisenbahnen wegen der Kohleverbrennung zwangsweise stillegen wollen? Ob nicht mal ein paar kleine Dorfschmieden, noch gnädig etwas Schmiedekohle erhalten dürften (die man ja irgendwo erst mal abbauen muß)? Kann so ein «Friday-Kohlenfeind» überhaupt noch mit einem Bleistift im Schulranzen rumlaufen? Der ist doch bekanntlich mit Graphit, also einer Kohlenform…

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