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Zwei Zahnpasten: Beide stammen von der Migros-Tochter Midor in Meilen ZH. Die rechte kostet das Sechsfache. © Marco Diener

Die Preispolitik von Migros und Coop unter der Lupe

Marco Diener /  Nicht jeder Preis, den Coop und Migros verlangen, dürfte gerechtfertigt sein. Das zeigt ein Infosperber-Vergleich.

In der Candida-Tube hat es 125 Milliliter Zahnpasta. In der M-Budget-Tube auch.

Die Candida-Zahnpasta hat Pfefferminzgeschmack. Die M-Budget-Zahnpasta auch.

Die Zahnpasta der Migros-Eigenmarke Candida stammt von der Migros-Tochter Mibelle im aargauischen Buchs. Die Zahnpasta der Migros-Billiglinie M-Budget auch.

Die Candida-Zahnpasta kostet Fr. 2.95. Die M-Budget-Zahnpasta kostet nur Fr. –.50.

Wie ist das möglich?

Infosperber wollte von der Migros wissen, warum die Candida-Zahnpasta sechs Mal so viel kostet wie die M-Budget-Zahnpasta. Die Migros antwortet: «Die M-Budget-Zahnpasta ist eine einfache, karieshemmende Zahnpasta mit Minzgeschmack, die auf grundlegende Zahnpflege abzielt.»

«Zusätzliche Vorteile»

«Die Candida-Zahnpasta hingegen bietet zusätzliche Vorteile wie die Kombination von Fluorid und Calcium, die den Zahnschmelz remineralisieren und die Zähne widerstandsfähiger machen. Darüber hinaus werden die Candida-Zahnpasten in enger Zusammenarbeit mit Zahnärzten und Zahnärztinnen entwickelt. Dieser zusätzliche Entwicklungsaufwand spiegelt sich im Preis wider.»

Infosperber wollte deshalb wissen:

  • Wie hoch sind die Produktionskosten der Zahnpasten?
  • Falls sie die Frage nicht beantworten möchten: Wie ist das Verhältnis der Produktionskosten zwischen Candida- und M-Budget-Zahnpasta?

«Verzicht auf Marketingkampagnen»

Die Migros beantwortete die Fragen nicht. Sie schrieb aber, der niedrige Preis der M-Budget-Produkte werde «durch den Verzicht auf Marketingkampagnen ermöglicht».

Das ist seit Jahren die Standard-Behauptung der Migros – dass sie für M-Budget-Produkte keine Werbung mache. Aber das ist falsch. Seit der Einführung der Billiglinie macht die Migros immer wieder Werbung. Zum Beispiel so:

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Werbung für M-Budget – von der Allgemeinen Plakatgesellschaft im September 2023 sogar prämiert.

Oder auch so wie Anfang 2023:

© Jannic Mascello auf vimeo.com


Der grosse Preisunterschied bei den Zahnpasten ist übrigens kein Einzelfall. Auch bei vielen anderen Produkten ist die Differenz zwischen Eigenmarke und Billiglinie enorm. Zum Beispiel bei den Glacé-Cornets. Die Cornets aus der Billiglinie M-Budget kosten im Achterpack 31 Rappen pro 100 Milliliter. Die Cornets der Eigenmarke Fun kosten im Sechserpack 94 Rappen. Das ist das Dreifache. Im Einzelverkauf kosten sie sogar das Sechsfache.

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Zwei Migros-Cornets: Das rechte kostet das Dreifache.

Interessant: Die Migros druckt den Hersteller der Cornets nicht auf die Packung. Aber weil es sich um ein Produkt mit Zutaten tierischen Ursprungs handelt, muss sie die Herkunft mit einem Code in einem Oval aufdrucken. Beide Cornets tragen den Code «CH 2440». Eine kurze Internetsuche zeigt: Sowohl die teuren als auch die billigen Cornets stammen von der Migros-Tochter Midor in Meilen. Neuerdings heisst sie Delica.

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Der Code «CH 2440» auf dem Fun-Cornet bedeutet: Das Produkt stammt von der Migros-Tochter Midor in Meilen ZH.
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Der Code «CH 2440» auf dem M-Budget-Cornet bedeutet: Das Produkt stammt ebenfalls von der Migros-Tochter Midor in Meilen ZH.

«Unterschiede in der Zielgruppe»

Dass die Fun-Cornets so viel teurer sind, erklärt die Migros mit «hochwertigeren Rohstoffen wie Vollmilch und Rahm». Zudem sei «die Herstellung des Fun-Cornets aufwendiger, da es auf eine höhere Qualität und ein intensiveres Geschmackserlebnis ausgelegt ist.»

Ob das den enormen Preisunterschied rechtfertigt? Eher nicht. Das gibt die Migros am Schluss selber zu. Sie schreibt: «Das Fun-Cornet richtet sich an Kunden und Kundinnen, die Wert auf Premiumqualität legen.» Und – jetzt kommt’s: «Diese Unterschiede in der Zielgruppe und Positionierung erklären die Preisgestaltung.»

Es geht also weniger um Vollmilch und Rahm, sondern vielmehr um die Positionierung für die Premium-Zielgruppe. In der Marketingsprache heisst das: «Zahlungsbereitschaft abschöpfen.»

«Bis zum Zehnfachen der Produktionskosten»

Das bestätigte kürzlich Günter Faltin, Professor für Unternehmertum an der Freien Universität Berlin, in einem Artikel im «Magazin» des «Tages-Anzeigers». Titel: «Was würde Duttweiler tun?» Faltin schrieb: «Es ist heute viel mehr Luft zwischen Herstellungskosten und Verkaufspreis als zur Zeit der Migros-Gründung.»

Faltin blickt zurück: Damals «lagen die Verkaufspreise beim Dreifachen dessen, was den Erzeugern bezahlt wurde. Das erschien Duttweiler als zu viel.»

Und heute? «Heute kann der Verkaufspreis bis zum Zehnfachen der Produktionskosten betragen. Trotz aller Rationalisierungen haben sich also die Kosten, die der Handel verursacht, wesentlich erhöht.»

Faltin sagt: «Die grössten Kostentreiber waren und sind die immer höheren Aufwendungen für Verkaufsflächen und Werbemassnahmen. Hier kann – und muss – man ansetzen, um die Preise drastisch zu senken. Das heisst: kleinere Verkaufsflächen und weniger Werbung, dafür günstigere Preise.»

Auch bei Coop

Die unerklärlichen Preisunterschiede zwischen an sich vergleichbaren Produkten sind übrigens nicht eine Spezialität der Migros. Solche Preisunterschiede findet der Kunde auch bei Coop.

Zum Beispiel beim Shampoo: Das Shampoo der Coop-Billiglinie Prix Garantie kostet bloss Fr. –.15 pro 100 Milliliter. Das Universal-Shampoo der Coop-Eigenmarke Well kostet hingegen Fr. 1.10 pro 100 Milliliter. Das ist mehr als das Siebenfache. Dabei stammen beide Shampoos von der Coop-Tochter Steinfels in Winterthur.

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Zwei Shampoos: Beide stammen von der Coop-Tochter Steinfels in Winterthur. Das rechte kostet das Siebenfache.

Oder die Handcrème: Die Prix-Garantie-Handcrème kostet Fr. –.80 pro 100 Milliliter. Für die Well-Handcrème verlangt Coop Fr. 3.73 pro 100 Milliliter. Auch hier: Beide stammen von Steinfels in Winterthur. Aber die eine kostet das Fünffache der anderen.

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Zwei Handcrèmes: Beide von Steinfels. Die rechte kostet das Fünffache.

«Komplexer im Dufterlebnis»

Warum ist das so? Coop erklärt: «Die beiden Linien setzen auf unterschiedliche Rezepturen und variieren in den eingesetzten Inhalts- und Wirkstoffen.» Bei den Produkten aus der Billiglinie Prix Garantie seien es «standardisierte Rezepturen mit Basisrohstoffen». Die Produkte der Eigenmarke Well hingegen seien «differenzierter zusammengesetzt und ihre Düfte komplexer in der Formulierung sowie im Dufterlebnis.»

Mag sein. Aber rechtfertigt das den fünf- beziehungsweise siebenfachen Preis? Coop ist nicht um weitere Erklärungen verlegen: «Bei den Well-Produkten kommen zusätzliche Mehrwerte wie etwa die Zertifizierung ‹Vegan Society› hinzu.»

Vegan oder nicht?

Infosperber wollte deshalb wissen: Sind Prix-Garantie-Handcrème und -Shampoo nicht vegan? Oder sind sie nur nicht zertifiziert? Coop beantwortete die Frage nicht. Und auch auf Nachfrage druckste Coop herum. Am einfachsten lassen sich die Aussagen so interpretieren: Coop weiss selber nicht, ob die Prix-Garantie-Produkte vegan sind.

Aber Coop betont mehrfach, dass sich «die Verkaufspreise in erster Linie an den Beschaffungspreisen orientieren». Daher wollte Infosperber wissen, wie hoch diese Beschaffungskosten sind. Die Antwort von Coop: «Wir bitten um Verständnis, dass wir uns nicht zur Kostenstruktur einzelner Produkte äussern.»

«Auf Discounter-Niveau»

Was Coop jedoch schrieb: «Mit Prix Garantie verfolgen wir die Strategie, qualitativ gute Produkte zu Preisen auf Discounter-Niveau anzubieten.» Das heisst: Bei den Produkten der Billiglinie ist Coop – wie die Migros – fast gezwungen sich an den Preisen der Discounter Aldi und Lidl zu orientieren. Bei der Eigenmarke Well ist Coop in der Preisgestaltung freier. Diese Freiheit nutzen Coop und Migros, indem sie für Produkte ausserhalb der Billiglinien regelrechte Fantasiepreise verlangen.

Billiglinien-Produkte sind nicht schlechter

Die Konsumenten-Zeitschriften K-Tipp und Saldo führen in jeder Nummer Produkte-Tests durch. 2021 wertete der K-Tipp fast 700 Tests aus 15 Jahren aus. Und kam zum Schluss «Qualität ist keine Frage des Preises» (Bezahlschranke).

Bereits 2012 hatte Saldo eine Studie der Uni Zürich zitiert: «Der Preis sagt nichts aus über die Qualität» (Bezahlschranke).


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4 Meinungen

  • billo
    am 8.09.2025 um 12:24 Uhr
    Permalink

    Die Frage ist natürlich auch, wie lange es die Migros-Tochter Mibelle noch gibt bzw. an wen sie verkauft werden wird 😉

  • am 8.09.2025 um 13:25 Uhr
    Permalink

    Ich reklamierte auch schon gegen Demeter-Bio-Birnen aus Argentinien! Die dann im Winter im Regal verschimmeln und mit 50% rabattiert werden. Der Zuständige rief mich sogar an: und redete und redete sich sein schlechtes Gewissen aus der Seele, ihm sei auch nicht wohl dabei …

  • am 8.09.2025 um 14:39 Uhr
    Permalink

    Ich vermute, es gibt weitere Gründe neben der Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft, warum Billiglinien so viel billiger sind: Man hat die Möglichkeit, jederzeit den Lieferanten auszutauschen, die Produktion anzupassen, oder das Produkt einfach nicht mehr herzustellen. Und man kann vielleicht schwankende Nachfrage kurzfristiger abfedern. Wird das Produkt auf dem Kanal mit den höheren Preisen nicht so nachgefragt, wird das Budget-Produkt stärker vertrieben und umgekehrt.

    Ein Beispiel: In der Region Thun findet sich kein Budget-Surimi mehr. Knall auf Fall und ohne jede Begründung.

  • am 8.09.2025 um 16:28 Uhr
    Permalink

    Ich habe mich mal mit den Fun-Cornets sowie den M-Budget-Cornets beschäftigt. Dabei ist mir der Mehrwert, der Fun-Cornet bietet, durch aus ersichtlich, auch als laie.
    Wen man dann noch berücksichtigt, dass beim Design von M-Budget weniger Aufwand betrieben werden muss (copy and paste). Kann man bei den Fun Produkten hingegen, den höheren Aufwand sofort erkennen, in der Verpackungsgestaltung und den individuell look für jedes Produkt. Daher kann das gleiche Verpackungmaterial nicht nochmals verwendet werden, für eine andere Sorten. So wie es bei M Budget üblich ist.

    Ein weiterer Unterschied liegt in der Zutatenliste. So verwendet das Fun-Cornets Bsp. Rahm aus Schweizer Milch. Hinzukommt das die erste Zutat Vollmilch ist. Während beim M-Budget-Produkt auf die Günstigere Alternative Magermilchpulver gesetzt wird. Was vermutlich Importiert worden ist.
    Der höhere Preis für das Fun-Cornet erscheint mir dan plötzlich doch gerechtfertigt. Durch das Design und schweizer Löhne.

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