Migros Limmatplatz

Hinter der leuchtenden Fassade ist die Stimmung ziemlich mies -- Migros-Hauptsitz in Zürich. © Migros auf Twitter

Bei der Migros ist Feuer im Dach

Marco Diener /  Die Migros plant, eine Supermarkt-AG zu gründen. Die Delegierten fühlen sich übergangen. Der Ton ist gehässig.

Als die Delegierten des Migros-Genossenschaftsbundes (MGB) am 12. November in Martigny VS tagten, waren sie noch ahnungslos. Umso überraschter waren sie, als sie eine Woche später die «Bilanz» lasen. Diese berichtete über die Pläne zur Bildung einer Supermarkt-AG.

Zehn Genossenschaften

Gegenwärtig ist das Geschäft kompliziert organisiert. Da gibt es den MGB, der für 90 Prozent des Einkaufs und für die Werbung verantwortlich ist. Da gibt es aber auch die zehn regionalen Genossenschaften mit eigener Logistik und eigenen Abteilugen für Finanzen, Marketing, Personal und Informatik.

Wie die Fachmarkt-AG

Das Projekt «Fit pour le futur» wurde von einer Genossenschaft lanciert. Welche, ist nicht bekannt. Sie möchte dem MGB das Supermarkt-Geschäft entziehen und es in einer AG unter der Leitung der zehn Genossenschaften zusammenfassen. Mittlerweile stehen neun Genossenschaften dahinter, Neuenburg-Freiburg zögert. Vorbild könnte die Migros-Fachmarkt-AG sein. Sie vereint seit Anfang 2021 die Migros-Töchter Do it + garden, M-Electronics, Micasa, SportX und Obi unter einem Dach.

«Einmal mehr»

57 Delegierte beklagen sich nun bei der Präsidentin der Delegiertenversammlung (DV), Marianne Meyer: «Leider wurde es durch die verantwortlichen Organe des MGB an der DV im Wallis einmal mehr verpasst, frühzeitig und vertrauensvoll über aktuelle Geschehnisse zu informieren.» «Störend» sei, dass dies «in letzter Zeit mehrmals vorgekommen ist und die Mitglieder des obersten Entscheidungsgremiums des MGB solche weit reichenden strukturellen Planungen und Überlegungen aus der Presse erfahren müssen.»

«Umfassende Information»

Die 57 Delegierten fordern «eine umfassende Information der DV zu den angesprochenen Themenfeldern» – entweder an der nächsten DV im März oder an einer ausserordentlichen DV. Die Migros nahm zu den Fragen von Infosperber keine Stellung.

«Narzissmus und Geltungsdrang»

Infosperber liegt aber die Antwort eines hohen Migros-Mannes an die aufmüpfigen Delegierten vor. Sie zeigt, wie gereizt die Stimmung ist. Er schreibt: «Ihr Vorgehen ist unhaltbar. Es sind Hunderte von Profis am Werk und machen einen hervorragenden Job für die Zukunftssicherung unserer Migros. Glauben Sie eigentlich, mit Ihrem Vorgehen die Migros zu unterstützen? In unserer Migros hat es keinen Platz für Narzissmus und Geltungsdrang.»

Zur Erinnerung: Die Delegierten, die sich über mangelnde Information beklagt haben, sind das oberste Gremium des MGB. Sie vertreten zwei Millionen Genossenschafter — oder wie die Migros sagt: «Migros-Besitzer.»

Nachtrag Migros: Nach Redaktionsschluss nahm die Migros doch noch Stellung. Sie schreibt: «Zum Zeitpunkt der Delegiertenversammlung im November 2022 war ein Auftrag zur Prüfung, wie das zukünftige Supermarktgeschäft aufgestellt werden könnte, noch gar nicht beschlossen. Deshalb konnten keine Informationen an die Delegierten weitergegeben werden. Erst am 15. Dezember 2022 wurde durch den einheitlichen Beschluss der elf Verwaltungen entschieden, dass geprüft werden soll, das Supermarktgeschäft künftig in einer eigenständigen, zentral gesteuerten Gesellschaft zu führen. Diese Information ging am selben Tag direkt an die Mitglieder der Delegiertenversammlung. Selbstverständlich werden die Delegierten auch über die weiteren Entwicklungen informiert und zeitgerecht involviert.»

Nachtrag Infosperber: Detaillierte Informationen wären schon früher verfügbar gewesen. Die «Bilanz» berichtete schon am 19. November 2022 ausführlich über die Pläne für die Supermarkt-AG.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 8.02.2023 um 12:35 Uhr
    Permalink

    Eingeweihte wussten schon lange, dass weder Coop (hier läuft noch eine Klage in Basel: https://www.bazonline.ch/coop-gewinnt-gegen-genossenschafter-357270905850) noch Migros wirklich Genossenschaften sind.
    War doch ein schönes Märchen: «Wir alle sind Eigentümer» …

    Aber jetzt werden wir Zeugen, wie die Ideologie (zentralisierte Profitmaximierung durch Aktiengesellschaften) die Philosophie von D. Duttweiler definitiv verdrängen will.
    Es ist zu hoffen, dass immer mehr Menschen die Augen geöffnet werden, welchem Fiatgeld-System wir diesen Irrsinn verdanken und dass wir nie mehr ein derartiges System akzeptieren, denn es scheitert bereits zum > 150. Mal.

    Ich empfehle, sich mit den Gedanken der Humanen Marktwirtschaft vertraut zu machen:
    https://odysee.com/@Zivilcourage:4/Plan-B–Die-Humane-Marktwirtschaft:7

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...