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Einträgliches Geschäft: Das Bauunternehmen Marti kassierte Geld für die Entsorgung und für den Verkauf der Bahnschwellen. © Umweltberatung Luzern

Zwei Mal kassiert – für Entsorgung und Verkauf

Daniel B. Peterlunger, Daniel Puntas Bernet /  Die Baufirma Marti hat 13'100 giftige Bahnschwellen aus dem Lötschberg nicht entsorgt, sondern verkauft. Ein lohnendes Geschäft.

mdb. Daniel B. Peterlunger ist Redaktor beim Magazin «Reportagen», Daniel Puntas Bernet ist Chefredaktor. Im Herbst letzten Jahres berichteten die beiden zusammen mit Noemi Harnikell unter dem Titel «Die Causa Blausee» über einen Umweltskandal im Berner Oberland. Im Mai 2020 hatte sich der Blausee im Kandertal plötzlich grau gefärbt. Tausende Forellen starben. Die Baufirma Marti, die Lötschbergbahn und der Steinbruchbetreiber Vigier hatten oberhalb des Sees in einem Gewässerschutzgebiet giftigen Gleisschotter entsorgt. Im Herbst berichteten Peterlunger und Puntas unter dem Titel «Was seither geschah».

Die alten, mit toxischen Teerölen imprägnierten Eisenbahnschwellen, die bei der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels anfallen, sind Sonderabfall und müssen in einer Verbrennungsanlage entsorgt werden. So verlangt es die Plangenehmigung des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Die Marti AG baut die Schwellen aus, im Vertrag sind Kosten von Fr. 19.60 pro Stück für Transport und Entsorgung aufgeführt. Gesamtkosten: rund eine Million Franken. Zu Beginn der Tunnelsanierung wurden die Schwellen korrekt entsorgt.

Könnte man mit den Altschwellen auch anders umgehen, als es die Plangenehmigung verlangt? Rechtlich wäre der Export erlaubt, wenn sowohl der Verkäufer als auch der Käufer ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) ist und der Käufer die Altschwellen tatsächlich in einer Gleisanlage wiederverwendet.

Bereits im Oktober 2018 hatte die Baufirma interessante Schritte unternommen: Sie stellte beim BAV einen Antrag für eine Netzzugangsbewilligung, die sie erhielt, die sie aber nie und nimmer zum verkaufs- und exportberechtigten EVU erhob. Trotzdem erkundigte sich im gleichen Jahr ein Marti-Mitarbeiter beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) telefonisch und per Mail zur Frage der Exportberechtigung für Altschwellen, die zu einem Holzhändler in Belgien gehen sollten. Dem Bafu gelang die «Abklärung» in Rekordzeit, innert weniger Stunden. Es mailte dem Marti-Mann, alles O. K.

Ab Mitte 2019 holten ausländische Lastwagen die toxischen Schwellen im Kandertal ab und verschwanden damit bei Basel über die Schweizer Grenze. Danach verliert sich ihre Spur. Wenn auch nicht ganz.

Marti kassierte fortan vom niederländischen Zwischenhändler Rene Prinsen Spoorwegmaterialen B. V., einer Transport- und Handelsfirma für gebrauchtes Material aus dem Schienenbau, die wiederum die Firma Mevogra in Belgien belieferte, Euro 17.50 pro Stück, damals zirka Fr. 19.40 – oder ziemlich genau jenen Betrag, den Marti die Altschwellenentsorgung eigentlich kosten würde.

Unsere Abklärung, ob diese Firma die Altschwellen tatsächlich im dortigen Gleisbau einsetzte, dauerte etwas länger als beim Bafu. Das Ergebnis: Die belgischen Umweltbehörden der Regionen Wallonien und Flandern fanden keine Spur der 88 Lastwagen, die nachweislich 13’100 Altschwellen an Mevogra geliefert hatten.

Georges Gilkinet, Belgiens Minister für Transport, bestätigt: «Infrabel, zuständig für Bahninfrastruktur, hat im öffentlichen Netz Belgiens nirgends Altschwellen wiederverwendet.» Jean-Marc Dupas, Geschäftsführer von Belgorail, der belgischen Zertifizierungsstelle, bestätigt: «Nirgends in Belgien haben wir für eine private Bahninfrastruktur die Wiederverwendung von Altschwellen zertifiziert.»

Haben die Altschwellen Belgien gar nie erreicht? Oder wurden sie von Mevogra im 15 Kilometer entfernten Hafen von Antwerpen weiterverschifft? Eine Spur führt nach England. Dort verkauft die Firma Railwaysleepers auch Altschwellen. Unter anderem für den Gartenbau, eine Anwendung, die in der EU und in der Schweiz schon seit Jahren verboten ist. Railwaysleepers bezieht ihr Handelsgut – nach eigenen Angaben – unter anderem aus Belgien, auch von Mevogra, und verkauft die Altschwellen für umgerechnet zirka 30 Franken.

Bleibt noch die Frage zum Status der Baufirma Marti. Anderthalb Jahre nach dem positiven Export-Bescheid des Bafu erhielt die Baufirma vom BAV die gesetzlich notwendige Sicherheitsbescheinigung, ausgestellt auf das Eisenbahnverkehrsunternehmen Marti Tunnel AG. In internen Mails der BLS wird jedoch bezweifelt, dass die Firma überhaupt ein EVU sein kann, da sie ja keine (Bahn-)Infrastrukturbetreiberin ist, wie es das Gesetz ebenfalls verlangt.

Trotzdem bestätigte das BAV auf Anfrage der Polizei: «Die Marti Tunnel Bau AG gilt seit dem 2. April 2020 als EVU gemäss Eisenbahngesetz (EBG).»

Verkauft und exportiert hat das innovative Marti-Eisenbahnunternehmen die toxischen Altschwellen jedoch schon im Jahr 2019 – doch weder Rene Prinsen Spoorwegmaterialen B. V. noch die Firma Mevogra sind Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Das pflegliche Zusammenspiel von Schweizer Behörden (BAV und Bafu) mit der Marti Tunnel AG ermöglicht dieser ein lukratives Geschäftsmodell, bei dem sie gleich doppelt kassiert: Sie lässt sich erst vom Steuerzahler für das Entsorgen toxischer Altschwellen bezahlen und verkauft sie danach.

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Dieser Artikel erschien im Magazin «Reportagen».


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5 Meinungen

  • am 14.01.2024 um 11:45 Uhr
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    Ich glaube kein Wort mehr, von dem was Transparency International über die Schweiz schreibt – einzig die Marschrichtung scheint zu stimmen: runter, in Richtung Somalia.

  • am 14.01.2024 um 21:30 Uhr
    Permalink

    Jetzt, nachdem dank Infosperber mit diesem Bericht bekannt wird, dass die Baufirma Marti zwar rund 250’000 Franken für die Entsorung der 13’100 Bahnschwellen kassierte, dann aber die giftigen Bahnschwellen für ungefähr diesen Betrag verkaufte ohne jetzt belegen zu können, wohin die Schwellen gekommen sind, wäre es noch interessant zu erfahren, was die Konsequenzen für die Baufirma sind. Ist es dem BAV scheinbar egal, was mit den Schwellen wurde? Wenn ich als Bauunternehmen zehn solche Bahnschwellen im Garten eines Kunden verbauen würde, müsste ich bestimmt mit einer Strafe rechnen.

  • am 14.01.2024 um 21:42 Uhr
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    Das BAV Bundesamt für Verkehr und das Bafu Bundesamt für Umwelt muss man als Mittäter dieser krummen Geschäfte bezeichnen. Statt wie vorgeschrieben solche giftigen Aktionen Nachkontrollieren stellt man den Beteiligten noch einen Persilschein aus, damit solche Geschäfte über die Bühne gehen können. Übrigens sind diese beiden Ämter in guter Gesellschaft, bewilligt doch auch das EMD Eidgenössische Militärdepartement Waffenausfuhren in nicht Kriegsländern, ohne aber zu kontrollieren, wo diese dann auftauchen. Und wie man weiss, finden sich solche in Kriegsländer und sonstige Chaoten-Staaten. Der Bund kommt einfach seinen gesetzlichen Pflichten nicht nach. Aber vom Normalbürger erwartet man das. Einfach beschämend.

  • am 14.01.2024 um 22:03 Uhr
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    Da Marti nicht an der Börse ist,sondern eine Familiengesellschaft,ist es schwierig Zahlen zu finden.
    Auf einer Homepage steht: Ihre «Oeko – Bauunternehmung» ?
    Bei beiden grossen Nord-Süd Bauvorhaben ist sie führend dabei.Am Gotthard im Norden wie im Süden, ist sie in beiden Arbeitsgemeinschaften.Am Brenner gewann sie die Neuausschreibung des zentralen Bauloses, zusammen mit Porr.
    Die Sanierung des Lötschberg Scheiteltunnel wurde meiner Meinung nach nicht beendet,sondern nach dem die Kosten aus dem Ruder liefen,abgebrochen.
    Am meisten Infos über Marti,findet man in Leserbriefen, die der Zensor nicht richtig las.
    Die richtige Firma für den Pyramidenbau an der Grimsel !

  • am 15.01.2024 um 09:19 Uhr
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    Wenn in bei warmem Wetter in der Region Zeihen mit dem Hund spaziere, stinken einzelne Weidepfosten auffällig nach Karbolineum. Es handelt sich um eingebaute Eisenbahnschwellen. Auf meine Frage, woher die stammen, erhielt ich vor etwa zwei Jahren die Antwort: Aus Belgien. Damit ist auch das mögliche Ende der Reise der Schwellen nach Belgien dokumentiert. Verkäufer und Abnehmer aus der Schweizer Landwirtschaft haben sich offensichtlich gefunden.

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