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Flugzeug- oder Raketenattacken gegen AKW können GAU auslösen © Klaus Brüheim

Risiken wälzen sie ab, wollen aber Entschädigungen

Thomas Angeli /  Stromkonzerne fordern Milliarden, falls die AKWs frühzeitig abgeschaltet werden. AKWs seien Investitionen wie alle anderen.

Es gehört zum kleinen Einmaleins des politischen Lobbyings, dass man eine Drohkulisse aufbaut, wenn im Parlament Ungemach im Anzug ist. Das macht die Pharmaindustrie ebenso wie die Umweltverbände, die Maschinenindustrie oder die Bauern.
Besonders aktiv waren in den vergangenen Monaten die Vertreter der Stromwirtschaft. Sie befürchten nichts weniger als den baldigen Verlust ihres Goldesels: Je konkreter die Diskussion um eine Beschränkung der Laufzeiten für die fünf Schweizer Atomkraftwerke wird, desto offener drohen sie damit, vom Bund eine Entschädigung in Milliardenhöhe zu verlangen, falls das Parlament die Betriebsdauer limitieren sollte.
Müsste man die beiden Reaktoren in Beznau in den Jahren 2019 respektive 2022 stilllegen, ergäbe dies «ungedeckte Restwerte», erklärte kürzlich Axpo-Chef Heinz Karrer in einem NZZ-Interview: «Wir würden bei einer solchen politischen Änderung der Gesetze der Eidgenossenschaft die Restwerte nicht abgeschriebener Investitionen und die entgangenen Gewinne in Rechnung stellen.» Zudem, so Karrer weiter, würden in diesem Fall Investitionen in die Sicherheit «teilweise gestoppt». Die Botschaft an das Parlament: Wenn ihr die Laufzeit unserer AKWs beschränkt, ­garantieren wir für nichts mehr – ausser für eine hohe Rechnung.
Was die Axpo verrechnen will
Die Aussagen zeigen deutlich, dass die AKW-Betreiber immer noch davon ausgehen, dass sich Investitionen in die Sicherheit eines Atomkraftwerks wie jede andere Investition betriebswirtschaftlich rechnen müssen. Sie argumentieren dabei so, als ob es sich bei einem AKW um einen simplen Maschinenpark oder eine Stromleitung handeln würde. Dass sie es stattdessen mit einer Hochrisikotechnologie zu tun haben, bei der die Sicherheit an erster und betriebswirtschaftliche Überlegungen bestenfalls an zweiter Stelle kommen dürfen, klammern die Vertreter der Stromwirtschaft dabei tunlichst aus.

Die «Offerte» der BKW
Dass sie so argumentieren, ist wenig erstaunlich. Die BKW befindet sich mehrheitlich und die Axpo vollständig im Besitz der öffentlichen Hand – und diese ist dringend auf die dank Atomstrom erwirtschafteten Gewinne ­angewiesen. Allein dem Kanton Bern fliessen dank dem AKW Mühleberg laut Schätzungen jährlich zwischen 60 und 100 Millionen Franken in die notorisch leere Staatskasse.
Bei der Diskussion um die AKW-Laufzeiten – 45 Jahre wie von den Grünen in ihrer Ausstiegsinitiative verlangt, 50 oder gar 60 Jahre – geht aber auch vergessen, für welche Lebensdauer die Meiler einst gebaut wurden: Beim Bau der Schweizer AKWs in den sechziger und siebziger Jahren rechnete man mit maximal 40 Jahren. Sowohl die beiden Reaktoren in Beznau als auch das AKW Mühleberg sind mittlerweile länger in Betrieb. Und mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko eines atomaren Unfalls.
Die Stromkonzerne verweisen bei diesem Punkt gern auf die mehreren hundert Millionen Franken, die sie seither in die Meiler investiert haben. Damit sei die Sicherheit der Meiler selbst für 60 Jahre gewährleistet, erklären sie.
Wie ein Atomausstieg nach Machart der Stromwirtschaft aussehen könnte, skizzierte Anfang März Urs Gasche, Verwaltungsratspräsident der BKW, in der «Berner Zeitung»: Die Unternehmung «offeriert» dem Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) einen fixen Abschalttermin für das AKW Mühleberg. Als Gegenleistung lässt die Atomaufsichtsbehörde gewisse Sicherheitsauflagen fallen.
Weniger strenge Sicherheitsauflagen als Gegenleistung für einen verbindlichen Termin? Bei allen Ideen und taktischen Ränkespielen rund um die Laufzeit: So geht es nicht. Ein AKW muss bis zum letzten Tag sicher betrieben werden können. Und es darf nicht die Rolle einer Aufsichtsbehörde wie des Ensi sein, um der Rentabilität einer Anlage willen ein Auge zuzudrücken.
Exakt das Gegenteil muss der Fall sein: Wir müssen die absolute Gewissheit haben, dass ein AKW sofort abgestellt wird, wenn der geringste Zweifel an seiner Sicherheit besteht – ungeachtet jeglicher finanzieller Fragen. Sollte sich das Parlament deshalb zu einer Beschränkung der AKW-Laufzeiten durchringen (was keineswegs sicher ist), so kann dabei nur eine Losung gelten: kein Kuhhandel beim Thema Sicherheit.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Journalist und Betreiber des Energie- und Umweltblogs «Angelis Ansichten».

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