«SVP und Bauernverband kastrieren ihre eigenen Söhne»
Seit rund fünfzig Jahren ist die Zahl der Spermien bei jungen Männern vor allem in Industriestaaten um ein bis zwei Prozent pro Jahr auf etwa die Hälfte zurückgegangen – auch in der Schweiz.
Die Auswirkungen seien funktionell mit dem Entfernen eines Hodens vergleichbar, schreibt Lukas Fierz in seinem soeben erschienenen Buch «Testosteronkollaps – Ursachen, Folgen, Schutz»*.
Gleichzeitig schwindet auch der Testosteronspiegel junger Männer und noch mehr der älteren – mit erheblichen Folgen.
Verursacher sind nach Fierz und vielen Studien im Wesentlichen Umweltchemikalien mit toxischer und hormoneller Wirkung – in erster Linie die hormonaktiven Pestizide und Weichmacher in Kunststoffen. Sie können das Hormonsystem von Menschen beeinflussen und stören und werden daher als endokrine Disruptoren bezeichnet.

Wie meistens sind gesundheitsschädigende Wirkungen zuerst bei Personen bemerkbar, die den Schadstoffen berufsbedingt stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinbevölkerung. Eine Studie an Schweizer Rekruten, welche die Fachzeitschrift «Human Reproduction» bereits im Jahr 2021 veröffentlichte – kurz vor der Abstimmung über die Pestizid- und Trinkwasserinitiativen –, fand den deutlichsten Zusammenhang mit schlechter Spermienqualität bei Bauernsöhnen, deren Mütter während der Schwangerschaft Pestiziden ausgesetzt waren.
Ebenfalls besonders betroffen waren Söhne von Kosmetikerinnen und Coiffeusen, die beruflich ebenfalls hormonaktiven Schadstoffen ausgesetzt sind.
Es gab eine klare Abhängigkeit von der Dosis: Je mehr Schadstoffklassen die Mütter ausgesetzt waren, desto schlechter die spätere Spermienqualität ihrer Söhne. Die Folgen würden lebenslang anhalten.
Fazit der Studie: Weitere Forschungsarbeiten müssten der Frage nachgehen, welche der Chemikalien und Schadstoffe am meisten Schaden anrichten. Es ist jedoch nicht bekannt, dass solche Studien laufen oder dass der Bauernverband solche Studien fordert. Dazu meint Buchautor Lukas Fierz: «Man weiss bereits genug, um Massnahmen zu rechtfertigen. Oder wollen wir erst handeln, wenn Männer nicht mehr zeugen können?»
Bei einigen Männern sei der Testosteronrückgang bereits so fortgeschritten, dass sie in den weiblichen Bereich kämen. Zu erwarten sei «jene Abschwächung der Geschlechtspole mit Verwischung, Instabilität oder Wechsel der Geschlechtsrollen bis zum Wunsch nach Geschlechtsumwandlung, welche heute zu beobachten ist».
Bauernsöhne leiden auch häufiger an Depressionen, Angststörungen und Burnout.
Die Pestizide verursachen bei Bauern zudem die Parkinsonkrankheit. Sie ist in mehreren europäischen Ländern wie Frankreich, Italien und seit 2024 auch in Deutschland) bei Beschäftigten in der Landwirtschaft, die intensiv Pestiziden ausgesetzt waren, offiziell als Berufskrankheit anerkannt. In der Schweiz allerdings nicht.
Überdies enthalten viele Pestizide auch PFAS und setzen diese für die Ewigkeit in Äcker und Umwelt frei.
Obwohl die Bauernfamilien von diesen alarmierenden Befunden enorm betroffen seien, hätten ausgerechnet die SVP und der Bauernverband die Pestizid- und Trinkwasserinitiative an vorderster Front bekämpft. Deshalb macht Lukas Fierz die provokante Aussage: «SVP und Bauernverband kastrieren ihre eigenen Söhne».
Verdacht auf Aufmerksamkeitsdefizite
Neben den hormonaktiven Pestiziden seien die anderen Hauptübeltäter die hormonaktiven Weichmacher (Phthalate), die aus Plastikverpackungen sowie Plastikfolien, in denen Käse, Fleisch, Milch oder Rahm länger verpackt sind, in Lebensmittel und Getränke gelangen. Sie würden nicht nur die Spermien- und Testosteronproduktion beeinträchtigen, sondern sie schädigten auch die Gehirnentwicklung: Der Arzt und Neurologe zitiert eine grosse Übersichtsarbeit, die 2022 in «Environment International» erschienen ist: Von gut zwei Dutzend Studien an insgesamt Tausenden von Kindern zeigte eine Mehrzahl einen Zusammenhang zwischen der Phthalat-Belastung der Mütter und Störungen von Aufmerksamkeit oder Verhalten ihrer Kinder. Für Fierz ein alarmierender Befund. Er könnte einen Teil der Disziplinarprobleme in unseren Schulen erklären.
Das Bundesamt für Gesundheit stellte schon 2021 fest: «Eine Einstufung der gesundheitlichen Gefahr der Mehrzahl der Phthalate als fortpflanzungsgefährdend basiert auf der Gesamtheit der Symptome bei Tier und Mensch.» Das BAG bestätigt, dass Stoffe wie PFAS sowie kleinstes Nanoplastik mit seinen Zusatzstoffen ins Blut und ins Gehirn gelangen.
Doch obwohl männliche Nachkommen im Mutterleib «ungefragt einer fortschreitenden chemischen Kastration unterworfen» würden, werde viel zu zögerlich gehandelt, kritisiert Fierz. Man wolle über die alarmierenden wissenschaftlichen Befunde nicht einmal ernsthaft diskutieren.
Für Fierz stellt eine unfreiwillige Kastration eine schwere Körperverletzung dar – auch wenn sie unvollständig, chemisch oder fahrlässig geschieht. Da schwere Körperverletzung ein Offizialdelikt ist, müsse die Justiz sogar von Amtes wegen einschreiten.
Ewigkeitschemialien à la DDT
Behördliche Grenzwerte etwa seien illusorisch, weil sie immer nur für Einzelsubstanzen gelten und die potenzierte Wirkung mehrerer Schadstoffe nicht berücksichtigen. Phthalatverbote in Babyflaschen und Baby-Spielzeugen seien Alibiübungen. Viel dringlicher seien Schutzmassnahmen für werdende Mütter: «Denn wenn an der Babyflasche genuckelt und mit Spielzeug gespielt wird, ist der Schaden schon längstens geschehen und irreversibel.»
Nahrungsmittel gehörten nicht in Plastik, sondern in Glas verpackt.
Das Problem solle nicht unterschätzt werden, warnt Fierz. Ewigkeitschemikalien wie beispielsweise einige PFAS, die oft aus Kunststoffen entweichen, würden aus der Umwelt und damit aus der Nahrungskette kaum verschwinden und deshalb noch viele Generationen belasten. Fierz erinnert an das Insektizid DDT, das vor Jahrzehnten verboten wurde, aber dessen Abbauprodukte in der Umwelt nach wie vor vorhanden und aktiv seien.
Die Verantwortungsträger in Politik, Industrie und Handel sollten «aus ihrem Tiefschlaf erwachen und ihre Verantwortung für die chemische Disruption wahrnehmen». Fierz fordert auch andere Instanzen zum Handeln auf: Pädagogen und Juristen, die sich mit Verhaltens- und Disziplinarproblemen herumschlagen, dann die Ärzte, die sich mit Genderproblemen beschäftigen, oder auch die Armee, die mit Motivations- und Nachwuchsproblemen kämpft.»
Chemikalien sorgen für Übergewicht, was den Testosteronspiegel senkt
Jedes Kilo Übergewicht koste beim Mann etwa ein Prozent Testosteron: «Grund für die Gewichtzunahme sind Süssgetränke (in PET-Flaschen!) und künstliche Süssstoffe, Fastfood, Bewegungsmangel und mindestens zwanzig Umweltchemikalien, darunter Phthalate, welche schon im Mutterleib und während der Kindheit eine Zunahme der Fettzellen und eine Neigung zu Übergewicht programmieren können.»
Bei Männern entscheide der Testosteronspiegel über die Orgasmusfähigkeit, die Muskelkraft, das Revierverhalten und das psychische Durchsetzungsvermögen, sagt der Neurologe.
Als Quellen dafür nennt Fierz «Heroes, Rogues, and Lovers: Testosteron and Behavior» von J. McBride Dabbs und J. und M. Dabbs, «T wie Testosteron» von Carole Hooven und «Gewalt und Mitgefühl» von Robert Sapolsky.

*«Testosteronkollaps – Ursachen, Folgen, Schutz», Eigenverlag 2025, 224 Seiten, 20.15 CHF Ex Libris.
Aus dem Verlagstext:
«Gemessen am Testosteron und an der Zahl der Spermien ist schon rund die Hälfte der Hodenfunktion verloren, entsprechend einer immer ausgeprägteren chemischen Kastration. Diese Kastration geschieht im ersten Schwangerschaftsdrittel an den ungeborenen Jungen. In dieser hochempfindlichen Phase wird die Hodenentwicklung durch Umweltgifte dauerhaft behindert, namentlich durch Zusatzstoffe im Plastik, welche vor allem über die Lebensmittelverpackungen in die Lebensmittel und dann in unseren Körper gelangen.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Sehr wahrscheinlich wird erst etwas gemacht werden, wenn der Zusammenhang aufgezeigt wird und finanziell benannt wird, was uns das alles kostet – kurzfristig in Form von steigenden Kosten für Gesundheit und Sicherheit, als auch langfristig in Form von sinkenden Geburtenraten und Überalterung der Gesellschaft.
Für die SVP und den Bauernverand steht an erster Stelle, dass Bauern viele Subventionen erhalten. Dem wird jegliche Verantwortung gegenüber Fauna und Flora unterordnet. Die Bauern wehren sich leider nicht.
Herzlichen Dank an Lukas Fierz für seinen Mut, unermüdlich und mit Sachverstand unbequeme Wahrheiten zu thematisieren.
Noch lieber hätte ich den Artikel in der „Grünen“ gelesen, hier im infosperber ist es halt immer eher „preaching to the converted“…
Je öfter ich solche Meldungen und Kommentare lese, desto mehr verfestigt sich meine Meinung, dass es keine Detaillösungen gibt, sondern nur ein Systemwechsel Abhilfe schaffen könnte. Solange das Wachstum und Profit an erster Stelle allen Handelns stehen, kann sich nichts ändern. Die freie Marktwirtschaft im Kapitalismus wird einen Teufel tun, für die Menschen da zu sein. Im Gegenteil, umgekehrt sind diese als Produzenten und Konsumenten unverzichtbar. Und zwar bis zu ihrem Tod, und selbst mit dem wird noch Gewinn gemacht. Auch Viren und Bakterien zerstören ihre Wirte, aber inzwischen sind sie längst auf das nächste Opfer übergesprungen. Wir brauchen keinen Atomkrieg oder Meteoriteneinschlag zur Ausrottung, wir besorgen das Geschäft schon selbst, indem wir unsere Zeugungsfähigkeit wohlwissend step by step vernichten. Die Zukunft ist bei der Behäbigkeit unseres Denkens kein Thema.
Zuerst kommt das Geschäft und dann die Gesundheit. Der eigene Nachwuchs wird bei dieser Tatsache nicht verschont.
Ich zitiere Corona-Experte Dr. Battegay im Blick vom 15 07.2021: «Es gibt eine kleine, aber sehr gute Studie, in der die Spermienqualität vor und nach der Zweitimpfung untersucht wurde. Dort hat man gesehen, dass sich die Spermienqualität sogar verbessert hat, wenn auch nicht signifikant.» Wäre es nicht naheliegender, die der Corona-Behandlung zugrunde liegende Technologie weiter auszubauen, um mit gezielten Boostern Männern mit schlechter Spermienqualität zu helfen?
Nicht signifikant heisst, dass die «Besserung» im Zufallsbereich war, in der Regel heisst das wenige Prozent. Damit können wir einen globalen Rückgang von mehr als 50 Prozent nicht bessern.