US_Troop traumatized

«Warum habe ich andere Menschen umgebracht?» Immer mehr Veteranen der US-Kriege in anderen Ländern sind schwer traumatisiert, viele von ihnen wählen den Freitod. © businessinsider

Wenn der Krieg im Kopf nie mehr endet

Jürg Müller-Muralt /  Es war vor 100 Jahren schon so und ist heute nicht anders: Der industrialisierte Krieg lässt viele Überlebende als Wracks zurück.

«Im Jahr 2004 kämpfte ich als Infanterieleutnant in einem garstigen und blutigen Krieg in Irak. Es war ein Krieg, in dem viele meiner Kameraden und Freunde starben. Die meisten von uns kehrten mit körperlichen Wunden zurück, und ausnahmslos jeder, der überlebt hat, trägt die unsichtbaren Narben dieses Krieges. Auf eine Kriegserfahrung zurückzublicken, ist immer schwer; noch schwerer ist es, wenn man anfängt, sich zu fragen, ob es ein so grosses Opfer wert war. Mit dieser Frage sind heute auch alle Soldaten konfrontiert, die in Afghanistan im Einsatz waren.»

Mit diesen Worten beginnt ein Gastkommentar von Jeff Montrose in der NZZ vom 16. September 2021. Montrose hat als US-Offizier im Irakkrieg gekämpft und schliesslich aus Gewissensgründen seinen Dienst quittiert. Er ist heute Lehrbeauftragter für US-Aussen- und Sicherheitspolitik an zwei deutschen Universitäten.

Viele finden den Weg zurück nicht mehr

Krieg – das ist nicht nur das Geschehen auf dem «Schlachtfeld». Ein Krieg bildet immer auch Metastasen in allen Bereichen der Gesellschaft; ein Land, das Krieg führt, nimmt irgendwann auch innerlich Schaden. Und vor allem: Ein Krieg ist nicht zu Ende, selbst wenn die Kampfhandlungen aufgehört haben. Ein Krieg hinterlässt immense Schäden in allen existenziellen Dimensionen. Und manchmal beneiden wohl die Heimkehrenden jene, die gefallen sind. Weil sie wegen körperlichen und seelischen Verletzungen den Weg zurück in den zivilen Alltag nicht mehr finden. All das zeigt sich jetzt auch wieder nach dem Rückzug der USA und der Nato aus Afghanistan.

Massive Kosten für Kriegsveteranen

Allein schon die nackten Zahlen weisen darauf hin, welches Elend die Kriege zwischen 2001 und 2021 in den USA selbst verursacht haben. Das Watson Institute der Brown University, die zu den ältesten und renommiertesten Universitäten der USA zählt, rechnet bis zum Jahr 2050 mit bis zu 2,5 Milliarden Dollar für die medizinische Versorgung der Kriegsveteraninnen und -veteranen. Das geht aus einem grossen Forschungsprojekt der Brown University zu den Kriegskosten hervor. Mehr als 40 Prozent der Veteranen der Kriege nach dem 11. September 2001 haben Anspruch auf lebenslange Invaliditätszahlungen. Die Forschenden erwarten, dass diese Zahl in den nächsten 30 Jahren auf 54 Prozent steigen wird. Im Vergleich dazu wurden weniger als 25 Prozent der Veteranen des Zweiten Weltkriegs, des Korea- und des Vietnamkriegs sowie des ersten Golfkriegs eine kriegsbedingte Behinderung bescheinigt.

Hohe Suizidraten

Erschreckend hoch ist auch die Zahl der Suizide unter den Armeeangehörigen oder Veteranen seit 2001: gegen 30 200. Damit sind viermal so viele durch Selbstmord ums Leben gekommen wie durch Kampfeinsätze. Grund für die hohen Suizidraten sind traumatische Erlebnisse, Stress, die militärische Kultur und Ausbildung, der ständige Zugang zu Waffen und die schwierige Wiedereingliederung ins Zivilleben.

Noch ein junges Forschungsthema

In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Frage häufig verdrängt, wie die Gewalterlebnisse das persönliche Leben von Soldatinnen und Soldaten prägen. Auch in der historischen Forschung wurde das Thema kaum verfolgt. Erst seit dem späten 20. Jahrhundert änderte sich das – und zwar als Folge des Vietnamkriegs. Die amerikanische Psychiatrie entwickelte damals die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung (post-traumatic stress disorder PTSD), einer psychischen Erkrankung nach belastenden Ereignissen von aussergewöhnlichem Umfang oder katastrophalem Ausmass. Betroffen sind übrigens nicht nur Soldatinnen und Soldaten im direkten Kampfeinsatz, sondern auch beispielsweise Drohnenpiloten, die ihren «Arbeitsplatz» weitab vom Kriegsgeschehen haben. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums soll das PTSD bei Drohnenpiloten ähnlich häufig auftreten wie bei anderen Armeeangehörigen.

Die neue Dimension des Ersten Weltkriegs

Die ersten massenhaft auftretenden Kriegstraumata wurden im Ersten Weltkrieg beobachtet. Der erste industrialisierte, technisierte Massenkrieg führte bei vielen Soldaten zu psychischer Überforderung. Die Opfer konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten, konnten keine Waffen mehr bedienen, hatten panische Angst vor banalen Gegenständen wie Schuhen, litten unter unkontrollierbaren Muskelzuckungen, Zittern und Weinkrämpfen. Zu Beginn des Krieges wurden sie häufig als Simulanten und Deserteure eingestuft. Mehr als 300 «Deserteure» wurden etwa von britischen Kriegsgerichten als Feiglinge hingerichtet.

Schwer verwundet trotz körperlicher Gesundheit

Später setzte bei der Armeeführung und in der Medizin ein Umdenken ein. Dies vor allem nach der Somme-Schlacht von 1916, eine der grössten und verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkriegs. Nur schon am ersten Tag des Gemetzels, am 1. Juli 1916, verlor die britische Armee insgesamt 58 000 Männer, 12 000 von ihnen starben. Viele Überlebende litten an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die man damals in Grossbritannien Shell Shock nannte. In Deutschland nannte man sie Kriegszitterer. «Allein 30 000 Briten zeigten die seltsamen Symptome der neuen Krankheit, die sie als Soldaten wertlos und für ihre Einheiten zur Bürde machte. Die Armeeführung sah sich gezwungen anzuerkennen, dass ein Soldat schwer verwundet sein konnte, obwohl ihm physisch nichts fehlte, und schon bald wurden Zehntausende von Opfern in Militärkrankenhäuser in Grossbritannien geschickt», schreibt Philipp Blom in seinem Buch «Die zerrissenen Jahre: 1918-1938» (Carl Hanser Verlag, München 2014).

«Zitternde menschliche Wracks»

Die erlebte Unmenschlichkeit machte aus Soldaten «zitternde menschliche Wracks». Ihre Gesichter waren «fürchterlich verzerrt und nackte Furcht ist ihnen ins Gesicht gemeisselt, ihre Gliedmassen zittern oder zucken unkontrollierbar. Ein französischer Soldat weicht mit angstgeweiteten Augen vor jeder Uniform zurück. In den Köpfen dieser Männer hat das Trommelfeuer nie aufgehört. (…) Gerettet aus diesem Inferno, aber immer noch hilflos zuckend, wurden die stummen und ausgemergelten Körper der Kriegszitterer zu wortlosen Anklagen gegen einen Krieg, in dem Maschinen den Menschen endgültig überwältigt haben», schreibt Blom.

Die Schreie der Sterbenden

Wie ein Echo auf das damalige Grauen des Krieges schreibt der eingangs zitierte amerikanische Offizier Jeff Montrose in der NZZ: «Jeder Soldat, der im Krieg kämpft, wird immer wieder von der unritterlichen Frage heimgesucht: Werde ich überleben? Ist er dann aus dem Krieg zurückgekehrt, fragt sich derselbe Soldat unweigerlich: Warum habe ich überlebt? Tag und Nacht verfolgen ihn die Schreie der Verwundeten und Sterbenden, bis er irgendwann vor der zermürbenden Frage steht, ob es das alles wert gewesen ist. Als ich in den 1980er Jahren in den USA aufwuchs, bekam ich mit, wie sich viele Vietnam-Veteranen – Lehrer, Footballtrainer, Nachbarn und mein eigener Vater – mit dieser Frage auseinandersetzten.»

Zu Hause nicht willkommen

Schlimm für viele Kriegsrückkehrer ist zudem die kalte Schulter, die man ihnen zeigt, und die Ablehnung, die ihnen in der Heimat entgegenschlägt. Philipp Blom: «Die verzweifelten Gestalten, die bald in allen grossen Städten auf den Strassen bettelten, waren nicht die Helden der patriotischen Propaganda, deren männliche Körper für eine grosse Zukunft gestählt worden waren, wie Redner und Leitartikler immer wieder behauptet hatten.» Es entstand nach dem Ersten Weltkrieg in allen kriegführenden Staaten «ein tiefes gegenseitiges Misstrauen zwischen den Veteranen und der Gesellschaft, die sie verteidigt hatten.»  

Kein Interesse an Veteranen

Es ist heute nicht viel anders. Jeff Montrose verweist auf einige der populärsten Fernsehserien der damaligen Zeit, welche Vietnam-Veteranen zeigten, die von ihren Kriegserfahrungen eingeholt wurden: «Miami Vice», «Magnum», «Rambo», «Platoon». Auch einer der bekanntesten Songs der 1980er Jahre, Bruce Springsteens «Born in the USA», handelt von einem Vietnam-Veteranen: «Auf den ersten Blick scheinen diese Serien, Filme und Songs patriotisch zu sein, aber ihre Botschaft ist alles andere als das. Das zentrale Thema von Rambo beispielsweise ist der traumatisierte Veteran, der in ein Amerika zurückkehrt, das keinerlei Interesse an ihm und seinen persönlichen Opfern für das Land zeigt.»

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15 Meinungen

  • am 17.09.2021 um 11:45 Uhr
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    Er ist erschreckend, Ihr Bericht, Herr Müller-Muralt. Nur sollte dieser Text allen Haushaltungen in der Schweiz zugestellt werden. Und eines ist für mich klar: Wir müssten endlich die logischen Konsequenzen ziehen und die Armee abschaffen. Ich höre schon wieder das Geschrei: Ja, das funktioniert nur, wenn alle Staaten mitmachen! Aber das ist vorläufig eine Riesenillusion, die USA werden Ihre Militärdominanz noch lange nicht aufgeben, und die allmächtige Rüstungsindustrie könnte sogar die Regierung zu einem nächsten Krieg «ermuntern». Da sind wir Friedliebenden§ machtlos dagegen. Aber als neutrales Land müssten wir als Beispiel vorangehen und u n s e r e Armee, die zu nichts nütze ist, ausser zur Geldverschwendung und Umweltverschmutzung, etappen-weise auflösen, das Geld einsetzenfür eine glaubwürdige Friedenspolitik (heute werden zwar oft «fromme» Sprüche verkündet, aber das ist alles unglaubwürdig, wenn man gleichzeitig für einen utopischen Krieg rüstet, getreu dem alten Wahnsinnsmotto der «Amerikaner» des Altertums: «Wenn du Sicherheit willst, dann rüste dich für den nächsten Krieg») und für eine echte Landesverteidigung, nämlich ein für alle Bewohner*innen unseres Landes gesicherte Existenz durch eine neue, von fortschrittlichen, zukunftsgerichteten Menschen durchdachte Sozialpolitik, ohne die noch immer tonangebenden, vom schwer heilbaren Militaristenvirus befallenen «Kalten-Krieg-Veteranen», gegen das es ein wirksames Mittel gibt, nämlich den gesunden Menschenverstand.

  • am 17.09.2021 um 15:34 Uhr
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    Jasna Bastic, eine Journalistin aus Sarajewo, hatte vor Jahren die Traumatisierung von Kriegsteilnehmern in Bosnien und Kroatien untersucht, wie in der Türkei Nadire Mater in ihrer Veröffentlichung «Mehmets Buch» (Suhrkamp Verlag). Jasna Bastic hatte mit Soldaten und Offizieren in psychiatrischen Kliniken, mit Psychiatern, Psychologen und Familienangehörigen von Kriegsteilnehmern in Bosnien und Kroatien Interviews gemacht. Auch Jasna Bastic war es, wie Nadine Mater, zu einem grossen Anliegen geworden, zu vermitteln, was auf den Soldaten im Ernstfall zukommt: Kriegsteilnehmer, auch wenn sie nicht durch eine Kugel verwundet wurden, werden durch die schrecklichen Erlebnisse des Krieges psychisch verletzt. Sie tragen ihr ganzes Leben lang daran. Ich selber hatte einen Bekannten der als junger Mann am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte. Er wurde noch im hohen Alter, kurz von seinem Tod mit 89 Jahren, von den schrecklichen Erlebnissen des Krieges heimgesucht, obwohl er sein Leben sonst sehr gut gemeistert hatte.
    Soldaten müssen zum Töten konditioniert werden, da ein seelisch einigermassen gesundes Individuum nicht einfach töten kann. Trotz der Konditionierung in der soldatischen Ausbildung kommt es jedoch zu einer Traumatisierung durch das Killen, durch den Horror des Krieges. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Soldat in einem Angriffs- oder einem sogenannt gerechten Verteidigungskrieg kämpft. Sogar UNO Soldaten im Bosnien wurden durch den Krieg traumatisiert, ohne Kampfeinsätze.

  • am 17.09.2021 um 15:38 Uhr
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    Kriege, wie auch immer sie geführt werden – selbst wenn beispielsweise im Namen von Gerechtigkeit oder eines Gottes – sind ein Teufelswerk. Krieg ist eine extrem zerstörerische Form des geilen Allerwelts-Prinzips «Konkurrenz belebt das Geschäft … und mit Verlusten muss gerechnet werden!». Andere beherrschen, andere fertig machen, andere kontrollieren, andere unterwerfen: das gehört zu diesem Modell von Teufeln ohne Rücksicht auf Verluste.

  • am 17.09.2021 um 16:15 Uhr
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    ‹Schwer verwundet trotz körperlicher Gesundheit›
    Körperliche und auch psychische Gesundheit gibt es nicht. Im Rest des Artikels wird es auch beschrieben. Traumatisierte sind persönlichkeitsgestört, nicht psychisch und nicht körperlich beeinträchtigt. Menschen können krank werden, aber nicht gesund sein und Personen können gesundheitsgestört, aber nicht krank sein. Krankheit ist biologisch, Gesundheitsstörung ist soziokulturell.
    Die Schwyzer Söldner im 30- Jährigen Krieg haben mit ihren Gegnern gespielt, die nicht getötet, sondern nur eine oder mehrere Extremitäten abgehackt. Man lies sie dann auf dem Schlachtfeld verdursten. Oder man hat ihnen das Bauchfett bei lebenden Leib herausgeschnitten und zum Stiefelputzen benutzt. Aber PTB hatte damals keiner, das gehörte zum Kriegshandwerk.
    Die heutigen Soldaten sind fehlfinanlisiert. Man sagt ihnen, sie bringen Gutes und sind frustriert, wenn die das Gegenteil erleben. Wehrmachtssoldaten hatten das auch nicht, die wussten, sie sind die Bösen. Dann traumatisiert man nicht.

  • am 17.09.2021 um 17:05 Uhr
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    «Noch ein junges Forschungsthema» – was gibt es da noch zu forschen? Warum wird nicht an den biologischen, psychologischen und sozialen Ursachen geforscht, die zur Verständigung, Zusammenleben, Zusammenarbeit und Frieden führen? Dann würden die physischen, emotionalen und mentalen Schäden durch Kriege derart offensichtlich, dass sie die globale Gesellschaft ausser zur wirklichen Selbstverteidigung als Verbrechen deklarieren würde. Dass das nicht geschieht haben wir jenen zu verdanken, die durch Kriege materiell oder politische profitieren. Wann stellen wir sie an den Pranger?

    • am 18.09.2021 um 15:37 Uhr
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      Die Geschichte lässt nichts zu, was nicht auch notwendig ist. Ohne Kriege gäbe es keine Menschheit, wie es die auch nicht ohne Religionen gäbe. Wenn es tatsächlich irgendwo im All intelligentes Leben gibt, dann haben die alle unserer kulturellen Eigenschaften, sie haben Götter, denen sie Menschenopfer darbringen und sie führen Kriege untereinander, um immer wieder aufs Neue umverteilen zu können.
      Es wird nie eine gewaltlose Kultur geben, weil Gewaltlosigkeit sich nicht für Problemlösungen eignet.
      So sage ich voraus, auch die Klimakrise wird erst im Zuge eines neuen grossen Krieges zu lösen sein, so wie derzeit in Europa Politik gemacht wird, passiert nichts ausser einem gigantischen Dornröschenschlaft. Es gibt keine Entwicklung ohne Gewalt und das ist gut so.

  • Helmut_Scheben_310
    am 17.09.2021 um 17:15 Uhr
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    Guter Artikel, aber mit Jeff Montrose bin ich nicht einverstanden, wenn er Rambo als Antikriegsfilm verkaufen will. Sylvester Stallone wird da als der heldenhafte «Ranger» gefeiert, der es allein mit einer ganzen Armee aufnimmt. Und das entspricht genau dem Propaganda-Klischee, welches Hollywood bis heute vom US-Kriegshero in Vietnam kolportiert. Der Vietnamkrieg war ein Krieg der Luftbombardierungen und flächendeckenden Einsätze von C-Waffen, nur ein sehr geringer Bruchteil der gigantischen Kriegsmaschine waren überhaupt Infanterie-Kampftruppen. Das Gleiche gilt für den unsäglichen Irak–Streifen «American Sniper» von Clint-Eastwood. Ich habe seinerzeit versucht, zu zeigen, worin die Demagogie solcher Filme besteht. Da ist eine Ideologie-Maschine am Werk, die den schmutzigen Charakter von Counterinsurgency-Kriegen kaschiert und heldenhafte «Frontschweine» auf die Leinwand zaubert:
    https://www.journal21.ch/american-sniper-krieg-der-ego-shooter.
    Die Traumata der US-Veteranen sind auffallend häufig Thema unserer Medien, aber selten die Traumata der Iraker, Afghanen, Libyer, die unter den Nato-Angriffs-Kriegen zu leiden hatten.Sehr aufschlussreich z.B. das Buch «Der längste Krieg» von Emran Feroz, welcher zeigt, was für ein Gemetzel die Nato-Truppen 20 Jahre lang in Afghanistan angerichtet haben. Dass der Nato-Terrorkrieg einer der Faktoren für den Sieg der Taliban sein könnte, das will man lieber in unseren Medien nicht so genau wissen.

    • am 18.09.2021 um 08:57 Uhr
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      Rambo ist wirklich kein Antikriegsfilm, wie Helmut Scheben schreibt. Kriegsfilme sind oft Kriegspropagandafilme. Kriegsfilme wurden früher — und werden auch heute noch — oft in Zusammenarbeit mit Armeen produziert. Die Streitkräfte stellen Material zur verfügen und „redigieren“ das Drehbuch in ihrem Sinne. (Games’n’Politics: https://www.youtube.com/user/gamesandpolitics).
      Das Ziel: Armeen sollen bei ihren Einsätzen in Filme und Killergames die produziert werden möglichst positiv dargestellt werden. Die Akzeptanz für den Kriegsdienst soll dadurch gefördert und die Rekrutierung erleichtert werden. Heute hofft man auch geschicktes Personal zur Steuerung von Drohnen, die für aussergerichtliche Hinrichtungen weltweit zum Einsatz kommen, in den Game-Gemeinden zu finden. Auf der anderen Seite wird die zunehmende Gewalt von Jugendlichen beklagt. In Schulen werden Alarmsysteme gegen Angriffe von mit Schiesseisen bewaffneten Amokläufern eingerichtet.
      Der Tages-Anzeiger, die NZZ, 20 Minuten und andere Medien in der Schweiz stellen seit Jahren regelmässig die neuesten Games vor, auch Kriegsspielgames. Shooter-Games sollen harmlos sein, suggerieren uns die Journalisten. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass Postfinance, eine Tochtergesellschaft der Schweizer Post, E-Sportlern — Computer-Kriegsspiel-Gamer, die an Turnieren teilnehmen — mit 400’000 Franken unterstützte, wie im Blick zu lesen war. Ich habe dazu auf Rubikon ein Text geschrieben: http://www.rubikon.news/artikel/mords-spass

    • am 19.09.2021 um 20:29 Uhr
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      Ich finde „American Sniper“ eben nicht unsäglich. Unsäglich — überfüssig, es eigens zu erwähnen — ist Krieg und dessen gesellschaftlichen und psychologischen Folgen. Der Film, eine Art Variation von „Deer Hunter“, erzählt nüchtern, ganz ohne Filmmusik: was passiert, streng aus dem Blickwinkel des Scharfschützen, oder ganz nahe an ihm. Was passiert mit ihm, seiner Umgebung, seinen Beziehungen. Mich wundert es nicht, dass Kritiker den Film unsäglich finden, es gehört zum guten Ton, Eastwood, Cowboys und Scharfschützen schlecht zu finden. Das Abbilden des real existierenden amerikanischen Patriotismus wird mit dem Abzubildenden verwechselt. Die Kritiker sind überfordert, bestimmte kinematografische und dramaturgische Erzähl-Stile des Abbildens einzuordnen. Und wenn in einer Erzählung nicht irgendwo explizit mit dem moralischen Zeigefinger auf das ungeheuerliche hingewiesen wird, muss sie schlecht sein; wenn nicht auch die (leidende) Gegenseite empathisch gezeigt wird, muss sie schlecht sein. Ja, der Film hat nicht das „Prädikat besonders wertvoll“, wie auch nicht Pasolinis „Salo“, in dem Folterszenen gerade durch teilnahmlose Beobachtung durch ein Fernrohr und durch die Abwesenheit der Akustik für den Zuschauer im Parkett so richtig unerträglich werden. „American Sniper“ will nicht mit moralisierenden Statements und empathischen Kameraschwenks zu den „richtigen“ Leuten politisch korrekt sein, sondern gerade durch die Abwesenheit all dies dem Zuschauer so richtig weh tun.

  • am 17.09.2021 um 20:15 Uhr
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    Soll ich jetzt Mitleid mit diesen Mörderwerkzeugen der Reichen und Mächtigen bekommen? Gewalt ist nur zur wirklichen Notwehr erlaubt aber bestimmt nicht um Reiche noch reicher zu machen.

  • am 18.09.2021 um 13:16 Uhr
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    Sind Soldaten Opfer? Sicherlich sind sie das – in zweiter Linie, und für eine lange Zeit ihres Lebens. In erster Linie sie sie aber Täter. Und die Taten von Soldaten besteht nicht darin, Brunnen zu bohren oder kleinen Mädchen aus dem Kopftuch zu helfen. Um es mit Egon Bahr zu sagen: «In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.»
    Wahrscheinlich übersteigt die Realität eines Krieges die Phantasie von (jungen) Männern und Frauen, die in Deutschland oder den USA aufgewachsen sind. Die Täuschung über die Kriegsrealität (durch Medien, Politik, Militär, Geschichtsunterricht, …) funktioniert aber nur in Tateinheit mit Selbsttäuschung.
    Die meisten Soldaten und Soldatinnen sind sich im Vorhinein wohl auch nicht darüber im Klaren, zu welchen Taten sie unter Kriegsbedingungen fähig sind. Wer sich jedoch ein wenig mit der sozialpsychologischen Forschung der letzten siebzig Jahre beschäftigt kann feststellen, dass Krieg immer zu schrecklichen Täten «befähigt».
    Die Lehre nach dem ersten Weltkrieg war eigentlich unmissverständlich: Nie wieder Krieg! Oder – damit es auch die deutschen Grünen verstehen: Nie wieder robuste Mandate.

    • am 20.09.2021 um 07:35 Uhr
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      Meine Zustimmung, Herr Joachim Wieck. Meine Ergänzung: Opfer und Täter sind nicht nur die Soldaten. Kriege traumatisieren und krimininalisieren ganze Bevölkerungen. Und das über Jahrhunderte. In einem Teufelskreis, aus dem langsam aber sicher die ganze Welt nicht mehr rauszukommen scheint!?

  • am 20.09.2021 um 07:56 Uhr
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    Ich sehe Soldaten eher als Täter, denn als Opfer, solange diese nicht zwangsrekrutiert werden. Jeder Mensch muss mit seinen Entscheidungen und Taten zurechtkommen.

    Wenn der verweichlichte westeuropäische Soldat die knallharten Interessen der Finanz- und Wirtschaftskonzerne durchsetzten muss, ja dann merkt er vielleicht dass er nicht auf der Seite der Guten steht wie im Kino immer suggeriert wird. Vielleicht kann er damit nicht umgehen?
    Haben die Amis nicht kurz vor dem Abzug noch per Drohne ein paar Zivilisten ermordet?
    So einfach als Frust…
    Was denkt sich nun der Drohnenpilot? Kann passieren..? Ich brauche jetzt eine Lohnerhöhung…?
    Soll ich jetzt Mitleid mit dem Drohnenpilot haben?
    Warum finden sich überhaupt Menschen die andere von oben abknallen ohne Gerichtsverfahren und ohne offenbar genau zu wissen wer sich im Ziel befindet?
    Warum legitimieren wir Schweizer denn überhaupt diese völkerrechtswidrige Abschlachtung?
    Hat ein Schweizer Politiker was dagegen gesagt? Ist es für uns Schweizer ok, wenn unsere «Freunde» andere einfach abknallen?

  • am 20.09.2021 um 11:06 Uhr
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    Und wozu nun, braucht auch die Schweiz neue Tarnkappenbomber? Um auch an diesem Wahnsinn teilnehmen zu können? Zur «Sicherheit»!

  • am 21.09.2021 um 14:58 Uhr
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    Ich habe im Bus die Mitteilung gelesen: «Today is the international day of peace.» Da hätte doch unser Nethanayou – Putin-Freund Cassis wirklich einmal eine sinnvolle Aufgabe: Er soll in der UNO eine Resolution einbringen lassen, die die US-Massenmörder-Regierung verpflichtet, nachdem sie hunderte von Milliarden ihrer Kriegsindustrie gestopft und ungezählte Afghanische Zivilisten mit ihren gottverdammten, feigsten Waffen, den Drohnen, getötet und verstümmlet hat, jetzt wenigstens 10 Mia für den Wiedraufbau des von ihnen zerstörten Landes und vorderhand die durch ihr rücksichtloses Verhaten verursachte drohende Hungersnot mit einigen weiteren Milliarden zu verhindern, denn sonst gilt doch überall: Der Verursacher eines grossen Schadens ist für die Behebung desselben verantwortlich. Joe Biden hat bei der Inauguration eine grossartige Frau ein sehr schönes Gedicht aufsagen lassen: Nun soll er endlich in jenem Sinn handeln, die Drohnenangriffe sofort stoppen und eben für den Frieden sehr viel Geld ensetzen. Die Taliban haben diese Supermilitäracht so schnell aus ihrem Land verjagt, weil die USA bei den Afghanen mit Recht verhasst sind, und ihnen nichts anderes übrig blieb, als so schnell als möglich zu fliehen. Aber ich habe gelesen, dass sie noch Söldnertruppen dort stationiert haben, um das von ihnen angefangene Drecksgeschäft weiterzuführen. Wie lange schaut die Welt dem Treiben dieser NATO-Mordgesellen noch zu?

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