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Bombenanschläge kommen in Bagdad immer wieder vor. Sprengstoffsuchgeräte könnten sie verhindern. © CC

Tödliche Schlamperei der Regierung in Bagdad

Daniela Gschweng /  Die Sicherheitskräfte im Irak arbeiten seit vielen Jahren mit gefälschten Sprengstoffsuchgeräten. Die Regierung wusste Bescheid.

Nach den jüngsten Bombenanschlägen in Bagdad, bei dem mehr als 200 Menschen starben, will der irakische Premierminister Haidar al-Abadi sie endlich loswerden: gefälschte Sprengstoffdetektoren.

Obwohl die irakische Regierung seit mindestens neun Jahren weiss, dass es sich um wirkungslose Attrappen handelt, werden mit den falschen Bombendetektoren an Checkpoints Menschen und Fahrzeuge kontrolliert. Wie viele Menschenleben sie schon gekostet haben, weiss keiner.

«Kein Mensch in diesem Land glaubt daran, dass die Detektoren funktionieren», zitiert der «Guardian» den Iraker Sheikh Qadhim al-Sayyed. Die Massnahme der Regierung sei überfällig, kommentiert ein Polizist, der es satt hat, für die Benutzung der Geräte ausgelacht zu werden.

Nutzloses Plastik aus dem heimischen Hinterhof

Dass die gefälschten Detektoren ein gutes Geschäft sind, ist schon lange bekannt. Seit Jahrzehnten werden sie in den Krisengebieten der Welt eingesetzt. Die ersten Fälschungen tauchten vor 20 Jahren in den USA auf und orientierten sich im Aussehen an einem Golfball-Suchgerät. Neue «Fabrikate» tauchten immer wieder auf.

In Grossbritannien wurden 2013 mehrere Personen zu Gefängnisstrafen verurteilt, die zweistellige Millionenbeträge mit dem Verkauf der Geräte verdient hatten. Ein Paar aus Bedfordshire stellte die falschen Bombensucher aus billigen chinesischen Plastikteilen in seinem Hinterhof her. Das Teuerste daran war die Verpackung.

Irak bezahlte für falsche Sprengstoffdetektoren in den Jahren 2007 bis 2010 etwa 77 Millionen Franken. Nachdem bekannt wurde, dass es sich um nutzlose Fälschungen handelte, verwendete das Land die Detektoren weiter. Seit 2007 kamen wenigstens 4000 Personen durch Bombenanschläge ums Leben. Die Mehrzahl der dabei verwendeten Bomben wurde an Checkpoints «kontrolliert».

«So tun als ob»

Laut dem «Guardian» ordnet Al-Abadi nun an, die Geräte nicht länger zu verwenden. Eine Untersuchung des Innenministeriums über den Verkauf derselben soll wiederaufgenommen werden.

Ein bisschen Plastik, eine Antenne: Angeblich soll das Gerät mit dem Namen ADE 651, das im Iran hauptsächlich zum Einsatz kommt, Sprengstoff und Drogen auf grosse Distanzen aufspüren können. In Wirklichkeit ist es so wirksam wie eine Wünschelrute. (Quelle: Produktwerbung)

«Manchmal ist es besser, so zu tun als ob», zitiert der «Guardian» einen langjährigen Mitarbeiter des Innenministeriums. «Die Leute brauchen Sicherheiten. Eingestehen, dass sie [die Detektoren] nicht funktionieren hiesse zugeben, dass wir nichts Besseres haben».

Die tödliche Ursache: Korruption

Ein schwacher Trost für diejenigen, die sich jeden Tag an den Checkpoints stauen, um mit einem nutzlosen Plastikteil kontrolliert zu werden. Und vor allem für diejenigen, die bei den jüngsten Anschlägen Freunde und Familienangehörige verloren haben.

Ein Iraker fasst das so zusammen: «Ich habe zwei Söhne bei Bombenanschlägen verloren. Wir brauchen loyale Männer, die uns schützen. Solche, die keine Bestechungsgelder annehmen…egal welche Religion sie haben».
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund von Berichten des «Guardian» und anderer Quellen erstellt.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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