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Irina Bokova, heute Direktorin der UNESCO, hat grosse Chancen © Pedro França / Wikimedia

Irina Bokova – oder doch Antonio Guterres?

Andreas Zumach /  Nicht nur in den USA, auch in der Uno wird diesen Herbst noch gewählt. Die Amtszeit von Generalsekretär Ban Ki-moon läuft ab.

Im Auswahlverfahren für den künftigen Uno-Generalsekretär hat der frühere portugiesische Ministerpräsident Antonio Guterres auch bei der zweiten anonymen Testabstimmung im Uno-Sicherheitsrat die meisten Stimmten erhalten. In der Nacht zum Samstag votierten erneut 12 der 15 Ratsmitglieder für den 67-jährigen. Bis Mitte 2015 war Guterres Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge und gilt daher als einer der international erfahrensten Kandidaten unter den insgesamt zehn BewerberInnen für die Nachfolge von Generalsekretär Ban ki moon. Der Südkoreaner tritt Ende Dezember nach zwei fünfjährigen Amtsperioden ab.

Doch trotz der erneut höchsten Zahl an Ja-Stimmen für Guterres ist seine Wahl zum neuen Uno-Generalsekretär keineswegs sicher. Denn anders als bei der ersten Testabstimmung im Juli, bei der der Portugiese neben den zwölf Ja-Stimmen drei Enthaltungen auf sich zog, votierten diesmal zwei Ratsmitglieder gegen Guterres. Darunter war nach Informationen von infosperber auch das vetoberechtigte ständige Ratsmitglied Russland.

Bei den anonymen Testabstimmungen im Sicherheitsrat können die 15 Mitgliedsstaaten für jeden Bewerber und jede Bewerberin mit Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung votieren. Bei der ersten Testabstimmung im Juli erhielten alle 15 Ratsmitglieder gleichfarbige Abstimmungskarten, in der zweiten Runde waren die Karten für die fünf ständigen und vetoberechtigten Ratsmitglieder (USA, China, Russland, Frankreich, Grossbritannien) in einer anderen Farbe gehalten. Nach Angaben russischer Diplomaten wurde eine der beiden Nein-Stimmen gegen Guterres von Moskaus UNO-Botschafter Witaly Tschurkin abgeben. Im Vorfeld des Auswahlverfahrens, das im Frühsommer mit der Anhörung der KandidatInnen vor der Uno-Generalversammlung begonnen hatte, hatte die russische Regierung bereits angekündigt, sie werde diesmal einen Generalsekretär aus der seit 1945 noch nie berücksichtigten Regionalgruppe Osteuropa durchsetzen – notfalls mit dem Mittel des Vetos gegen die vier BewerberInnen aus anderen Weltregionen. Dazu gehören neben Guterres die frühere neuseeländische Premierministerin und derzeitige Direktorin des Uno-Entwicklungsprogramms (UNDP) Helen Clark sowie die frühere Aussenministerin Argentiniens Susana Malcora sowie der ehemalige australische Regierungschef Kevin Rudd. Bleibt Moskau bei dieser Veto-Strategie, hätte unter den sechs Bewerbern und Bewerberinnen aus Osteuropa wahrscheinlich die frühere bulgarische Aussenministerin und derzeitige Direktorin der Uno-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco), Irina Bokova, beste Aussichten, zur ersten Generalsekretärin in der 71-jährigen Geschichte der Uno nach sieben männlichen Amtsinhabern gekürt zu werden.

Bukova ist unter den sechs osteuropäischen BewerberInnen – darunter der frühere slowenische Präsident Danilo Turk und der Ex-Aussenminister Serbiens, Vuk Jerem – diejenige mit der grössten internationalen Erfahrung. Sie setzte sich bereits bei ihrer Wahl zur Unesco-Direktorin gegen sieben männliche Konkurrenten durch. Sollte Russland nicht bis zum Schluss des Auswahlverfahrens auf einen Kandidaten aus Osteuropa bestehen, hätte wahrscheinlich die Neuseeländerin Clark grössere Aussichten als der Portugiese Guterres zumindest in den nächsten fünf Jahren den Uno-Chefposten zu besetzen. Denn ein Kandidat aus der Region Ozeanien kam noch nie zum Zuge, Westeuropa hingegen stellte seit 1945 bereits drei Generalsekretäre.

Nach Abschluss des Auswahlverfahrens im Sicherheitsrat stimmen die 193 Mitglieder der Generalversammlung über die Empfehlung des Rates ab.


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