Kommentar

Historische Isolation der USA im UNO-Sicherheitsrat

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Nur eines der 15 Ratsmitglieder stimmte für Washingtons Antrag auf Verlängerung des Waffenembargos gegen Iran.

So isoliert waren die USA im Sicherheitsrat der UNO noch nie in der Geschichte der 75-jährigen Weltorganisation: In der Nacht zum Samstag stimmte mit der Dominikanischen Republik lediglich eines der 15 Ratsmitglieder für den Resolutionsantrag, das im Oktober auslaufende Waffenembargo gegen Iran vollumfänglich und auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Die Nein-Stimmen der beiden Vetomächte Russland und China hätten bereits zur Ablehnung des Antrages ausgereicht. Doch alle übrigen elf Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme. Für die Annahme einer Resolution im Sicherheitsrat sind laut UNO-Charta mindestens neun Ja-Stimmen erforderlich. Die Isolation der USA ist umso bemerkenswerter, als die Trump-Administration während der seit Anfang 2020 laufenden Verhandlungen über eine Verlängerung des Waffenembargos gegen Iran massiven Druck auf die anderen 14 Ratsmitglieder ausübte.

Vertrag reaktivieren, den man gekündigt hat?

In Reaktion auf die Niederlage im Sicherheitsrat kündigte Präsident Trump an, die USA würden bereits diese Woche den sogenannten «Snapback-Mechanismus» auslösen. Dieser stammt aus dem Abkommen zur verschärften internationalen Kontrolle und Einschränkung des zivilen iranischen Nuklearprogramms, das Teheran 2015 mit den fünf Vetomächten des Sicherheitsrates sowie Deutschland vereinbart hatte. Der Mechanismus besagt, dass mit einer 30-Tage-Frist alle in den vergangenen Jahren aufgehobenen Sanktionen gegen Iran automatisch wieder in Kraft treten, wenn ein Vertragsstaat die Auflagen durch Iran nicht länger erfüllt sieht und deshalb Beschwerde erhebt. Die 13 Mitglieder des Sicherheitsrates, die dem US-Antrag nicht zustimmten, sind allerdings der Auffassung, dass die USA seit ihrem einseitigen Austritt im Jahr 2018 nicht mehr Vetragsstaat sind und daher diesen Vertragsmechanismus auch nicht anwenden können.

Vermittlung angeboten

«Letztlich geht es dieser US-Administration darum, vor den Präsidentschaftswahlen im November das gesamte Iran-Atomabkommen zu beenden», erklärte ein EU-Diplomat. Nicht ausgeschlossen wurde in New York, dass der Rat sich in weiteren Verhandlungen auf eine deutlich abgespeckte Version eines Waffenembargos einigen könnte. Wenn es beispielsweise nur gegen bestimmte, besonders gefährliche Waffen und für einen begrenzten Zeitraum gültig wäre. Auf die Frage, ob er bereit sei, auf den Vorschlag von Präsident Putin einzugehen, der Gespräche zwischen den Staats-und Regierungschefs aller sieben ursprünglichen Vertragsstaaten vorschlug, erklärte Trump am Samstag: «Wahrscheinlich nicht.» Frankreichs Präsident Macron signalisierte Zustimmung zu Putins Vorschlag. Die deutsche Bundesregierung wartet zunächst noch auf «weitere Detailinformationen» aus Moskau.

Will Trump mit Krieg gegen Iran die Wahlen gewinnen?

Die seit Gründung der UNO grösste Abstimmungsniederlage der USA im Sicherheitsrat war absehbar und wurde von der Trump-Administration ganz offensichtlich bewusst in Kauf genommen. Jetzt ist nach Auffassung der Strategen in Washington der Weg frei, dem Nuklearabkommen mit Iran den Garaus zu machen. Und das noch rechtzeitig vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November, bei denen nach derzeitigen Umfragen Joe Biden als Sieger hervorgehen wird. Er hat bereits angekündigt, den 2018 vollzogenen Austritt der USA aus dem Abkommen wieder rückgängig zu machen. Doch dieses Kalkül Trumps würde nur aufgehen, wenn Iran über die bisherigen Verstösse hinaus ebenfalls ganz aus dem Abkommen aussteigen würde. Teheran hat seit Anfang 2019 mit kalkuliertem Risiko auf die verschärften Sanktionen der USA und das Duckmäusertum der EU gegenüber diesen Sanktionen reagiert, das Abkommen aber nie gebrochen. Genau dazu will Trump die Führung in Teheran jetzt durch erneut verhängte und verschärfte Sanktionen provozieren. Diese Konfliktstrategie birgt ein hohes, auch militärisches Eskalationsrisiko. Denn möglicherweise erliegt Trump der gefährlichen Illusion, ein Krieg mit Iran Ende Oktober könne die tief gespaltene US-Bevölkerung noch hinter ihm vereinen und ihm doch noch den Wahlsieg sichern. Die EU sollte daher alle diplomatischen Möglichkeiten nutzen, Teheran von einem Ausstieg aus dem Abkommen oder anderen Eskalationsschritten abzuhalten.

Abgespecktes Embargo

Ein zeitlich begrenztes und auf besonders gefährliche Offensivwaffen beschränktes Embargo gegen Iran, das auch in Berlin, Paris und London befürwortet wird, ist dabei keineswegs falsch. Es würde in erster Linie Teherans Hauptlieferanten Russland und China betreffen. Eine entsprechende Einigung im Sicherheitsrat wäre – wenn überhaupt – allerdings nur vorstellbar in einem Paket mit einem Waffenembargo gegen Saudiarabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und alle anderen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika, die ihre Waffen hauptsächlich aus den USA, Deutschland und anderen EU-Staaten erhalten und gegen Iran aufrüsten.

Resolution, Sanktionen und Abkommen

Vor 13 Jahren hatte der Sicherheitsrat in einer für alle UNO-Mitgliedsstaaten völkerrechtlich verbindlichen Resolution die Lieferung jeglicher Art von Waffen an Iran untersagt. Die Führung in Teheran stand unter Verdacht, ein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen zu betreiben und damit gegen den NPT-Vertrag zum Verbot der Weiterverbreitung atomarer Massenvernichtungsmittel zu verstossen. Darüber hinaus verhängten die UNO, die USA und die EU seit 2006 auch Wirtschaftssanktionen gegen Iran. Im Juli 2015 vereinbarte Iran mit den fünf ständigen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates (USA, China, Russland, Frankreich und Grossbritannien) sowie Deutschland ein Abkommen, das strikte internationale Kontrollen sowie weitreichende Beschränkungen für Teherans ziviles Nuklearprogramm vorsieht. Damit soll jegliche Nutzung der Atomtechnologie zu militärischen Zwecken in Iran verlässlich verhindert werden.
Das seinerzeit im Wesentlichen zwischen der damaligen Obama-Administration und der iranischen Führung ausgehandelte Nuklearabkommen sieht die schrittweise Aufhebung aller Sanktionen und das Auslaufen des Waffenembargos im Oktober dieses Jahres vor, solange sich Teheran an die Bestimmungen des Abkommens hält. Das war bis Anfang 2019 auch der Fall. Doch 2018 brüskierte die Trump-Administration die anderen sechs Vertragsstaaten mit dem einseitigen Austritt der USA aus dem Nuklearabkommen. Zudem verhängte Washington neue Sanktionen nicht nur direkt gegen Iran, sondern auch sogenannte Sekundärsanktionen gegen Wirtschaftsunternehmen und Banken aus Drittländern. Damit sollen deren Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Iran verhindert werden. Unter diesem Druck der USA haben inzwischen fast sämtliche Unternehmen und Banken aus der EU, die auf dem US-Markt vertreten sind, ihre Geschäftsbeziehungen zu Iran eingestellt oder geplante, bereits vertraglich vereinbarte Milliardeninvestitionen wieder abgeblasen. In Reaktion auf diese Entwicklung hat Iran seit Frühjahr 2019 in bislang drei angekündigten Schritten gegen einige Bestimmungen des Abkommens verstossen, zugleich aber immer das Festhalten an dem Abkommen bekräftigt.


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