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Nationalflagge von Honduras © MacClure/Flickr

Der Staatsstreich in Honduras wird "legalisiert"

Roman Berger /  Trotz Gründung einer «Linksfront» sitzen die Putschisten fest im Sattel. Honduras entwickelt sich zu einer Bananenrepublik.

Soeben hat der von Putschisten vor zwei Jahren gestürzte Präsident Honduras, Manuel Zelaya, die Gründung einer «Linksfront» ausgerufen, um bei den nächsten Wahlen im 2013 teilzunehmen. Seine «liberalsozialistische Bewegung» will die «bürgerliche Oligarchie und die Putschisten» verdrängen. Nach geltendem «Recht» in Honduras darf Zelaya nicht selber kandidieren. Deshalb will Zelaya seine Gattin als Präsidentschafts-Kandidatin aufstellen.
Erster Militärputsch in Südamerika seit langem
Doch trotz der erlaubten Rückkehr des ausser Landes gebrachten Ex-Präsidenten sitzen die Putschisten, hinter denen eine rechtskonservative Verschwörung aus Politikern, Militärs und reichen Familien stand, fester im Sattel denn je. Den ersten Militärputsch in Südamerika seit langem haben viele westliche Staaten zwar mit vielen Worten verurteilt, in Tat und Wahrheit jedoch unterstützt. Heute wird die «Normalisierung» in Honduras gelobt, obwohl sich das Land in Richtung Bananenrepublik entwickelt.
Rückkehr als Alibi für normale Beziehungen
Erst am letzten Mai-Samstag, 23 Monate nach seinem Sturz, ist der ehemalige Präsident aus dem Exil wieder nach Honduras zurückgekehrt. Ein Pakt zwischen Zelaya und Porfirio Lobo, der im Januar 2010 aus einer von der Armee kontrollierten Wahl als neuer Präsident hervorgegangen ist, machte es möglich.
Die Rückkehr Zelayas war eine Bedingung für die Wiederaufnahme des nach dem Putsch suspendierten Honduras in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die meisten Länder normalisierten wieder ihre diplomatischen Beziehungen. Und die Finanzhilfe für das arme Land in Zentralamerika begann wieder zu fliessen.

Zwei Wahrheitskommissionen

In Honduras soll eine offizielle Wahrheitskommission die jüngste Vergangenheit aufarbeiten und die Frage nach Opfern und Tätern klären. Auch damit will sich die Regierung Lobo vor der Weltöffentlichkeit legitimieren. In einem Grossteil der Bevölkerung fehlt dieser Wahrheitskommission aber die Legitimität. «Die am Putsch Beteiligten sitzen weiterhin fest im Sattel. Eine absurde Show. Die Täter werden sich kaum selbst zu Tätern erklären,» konstatiert Fausto Milla. Der Priester ist ein führendes Mitglied einer alternativen Wahrheitskommission, der angesehene Juristen und kirchliche Menschenrechtskämpfer aus Lateinamerika und Spanien vorstehen. «Ohne Wahrheit keine Gerechtigkeit», heisst ihre Forderung.
Dennoch mangelt es der staatlichen Wahrheitskommission keinesfalls an internationaler Anerkennung. Koordiniert wird sie von Eduardo Stein, langjähriger Funktionär der UNO und Ex-Vizepräsident von Guatemala. Personell und finanziell wird die offizielle Kommission durch die UNO und die Europäische Union unterstützt. Als einziges Land innerhalb der EU unterstützen nur die Niederlande die alternative Wahrheitskommission.

Putsch mit Hilfe des US-Militärstützpunktes

Eine entscheidende Rolle im honduranischen Konflikt spielten die USA. Washington hatte den Staatsstreich wohl als illegal verurteilt. Gleichzeitig ist aber bekannt, dass die Putschisten den US-Militärstützpunkt Palmerola bei Comayagua benützten, um Zelaya auszuschaffen. In ihrem Hinterhof hat heute der Kampf gegen den Drogenhandel und Terrorismus für die USA Priorität. Im Klartext heisst das: Mehr Mittel für die Sicherheitskräfte, welche Honduras und ganz Zentralamerika «stabilisieren» sollten. Opfer dieser Stabilitätspolitik sind die machtlose Bevölkerung und die Demokratie.

Der Umsturz in Honduras hat auch die Beziehungen zur EU und Staaten wie der Schweiz zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt. Dialog und diskrete Einflussnahme hätten mehr Wirkung als Druckmassnahmen, heisst es in Brüssel und in Bern.

Die Realität in Honduras weckt aber Zweifel an dieser Strategie. Seit Lobo Präsident ist, gibt es fast jede Woche neue Tote: Protestierende Bauern, die von ihrem Land vertrieben wurden. Gewerkschafter, die für ihre Rechte kämpfen. Journalisten, die über Gewalt und Straflosigkeit berichten.

Aufwachen der Zivilbevölkerung

Die nationale Elite, die seit der Unabhängigkeit 1821 als Militärdiktatur oder Herrschaft der «zehn Familien» das Land kontrollierte, konnte durch den Staatsstreich vor zwei Jahren den wachsenden Einfluss der Zivilgesellschaft stoppen und ihren eigenen Einfluss wieder festigen. Dies geschieht aber auf einem fragileren Fundament als zuvor. Die sozialen Bewegungen haben im Widerstand gegen das Putschregime an Schwung gewonnen. «Der Putsch war wie ein Aufwachen für die Zivilbevölkerung und der Protest wie eine Schule auf den Strassen», schreibt Edgar Soriano, Historiker und Delegierter der aus dem Putsch entstandenen Widerstandsbewegung Frente Nacional de Resistencia Popular, die sich als Partei legalisieren soll .

Ausverkauf der Ressourcen

Die verschärfte Polarisierung der Gesellschaft ist nicht nur eine Folge des Putsches, sondern gründet auf einer neoliberalen Politik, gegen die die Bevölkerung schon unter Zelayas Vorgängern protestierte. Mittlerweile verfügt ein Prozent der Bevölkerung über 33 Prozent des bebaubaren Bodens. Es findet ein eigentlicher Ausverkauf der Ressourcen statt: Nicht nur die Energie und die Telekommunikation sollen privatisiert werden, ausländischen Firmen werden auch Konzessionen von ganzen Flüssen angeboten, wo Wasserkraftwerke gebaut werden sollen, die Strom für den US-Markt produzieren werden.

Zurück zur Bananenrepublik

In speziellen Entwicklungszonen, in denen honduranische Gesetze ausser Kraft sind, können ausländische Investoren nach dem Vorbild der Bananenplantagen ihre wirtschaftlichen Enklaven oder «Musterstädte» aufbauen. Präsident Lobo setzt auf den Export von Palmöl. Nahrungsmittel sollen aus dem Ausland importiert werden. Verlierer dieser Politik sind die verarmte Bevölkerung und der honduranische Staat, der die Souveränität und die Kontrolle über einen Teil seines Territoriums verliert. Honduras entwickelt sich zurück zur Bananenrepublik.

Klare Sprache der Bischofskonferenz

Zu den Befürwortern des Militärputsches gehörten auch die Bischofskonferenz und ihr Vorsitzender, Kardinal Andres Rodriguez Maradiaga. Umso erstaunlicher ist die deutliche Sprache der gleichen Bischofskonferenz, die in einer eben veröffentlichten Erklärung «Gewalt», «Machtmissbrauch», «Lüge und den fehlenden Respekt der herrschenden Macht vor dem Leben» scharf verurteilt.
Genau diese Stellen fehlten in dem Text, der in einer von der Oligarchie kontrollierten wichtigen nationalen Tageszeitung veröffentlicht wurde. Die für die «herrschende Macht» kritischen Formulierungen sind einfach weggelassen worden. «Eine Demonstration von Realitätsverweigerung, die für sich selber spricht,» kommentiert das unabhängige «Radio Progreso» den Zensurvorgang.

In Honduras herrscht eine Machtelite, die glaubt, sie habe wieder freie Hand, je mehr ihr Land wieder aus dem Blickwinkel der internationalen Öffentlichkeit verschwindet.
Honduras ist ein tief gespaltenes Land. Ein Bürgerkrieg ist für viele Beobachter ein durchaus mögliches Szenario. Spätestens dann müsste sich die internationale Staatengemeinschaft mit dem angeblich «stabilisierten» Honduras wieder befassen.


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