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Ende der 90er-Jahre war Russland wirtschaftlich und sozial am Boden. Das nutzte eine Elite um Putin aus, um die eigene Macht zu konsolidieren. Mann auf dem Roten Platz in Moskau. © Pixabay

«Der Einmarsch zeigt, dass der Kreml Russland arm halten will»

Meduza /  Putins Elite und nicht die russische Mentalität seien schuld am Krieg, sagt Politikprofessorin Gulnaz Sharafutdinova.

Red. Gulnaz Sharafutdinova ist Professorin am King’s College in London und Autorin des Buches «The Red Mirror: Putin’s Leadership and Russia’s Insecure Identity» (nur auf Englisch verfügbar). Das folgende Interview gab die in London lebende russische Politologin dem oppositionellen Online-Magazin «Meduza». Das journalistische Magazin wurde in Russland als «ausländische Agentin» verboten und verbreitet die Informationen auf Russisch und Englisch aus Lettland. Es finanziert sich mit Spenden.

Gulnaz Sharafutdinova.

Ihr neues Buch heisst auf Deutsch übersetzt «Der rote Spiegel: Putins Führungsstil und Russlands unsichere Identität.» Worum geht es?

Nach der Annexion der Krim wurde Russland von einer Welle des Optimismus erfasst. Die Kluft zwischen Russland und dem Westen ist seit 2006 gewachsen, als (der damalige Präsidentenberater Wladislaw) Surkow sagte, dass die russische Demokratie nicht ewig Bestand haben werde. Zur gleichen Zeit gab die von den Amerikanern finanzierte Forschungs-NGO Freedom House eine Erklärung ab, dass die russische Demokratie ins Wanken gerate und alles in Richtung Autoritarismus ginge. All dies trug zu dem wachsenden Missverständnis zwischen Russland und dem Westen bei. Nach 2014 wurde diese Kluft riesig. Der gesamte Westen begann, mit Angst und Unverständnis auf Russland zu blicken, während in Russland die Glücksindizes in die Höhe schnellten. Das alles war nur schwer zu begreifen; es schien, als befände sich Russland in einer anderen Welt. Die These meines Buchs lautet, dass die öffentliche Meinung in Russland durch die Brille der Politik der kollektiven Identität verstanden werden kann. Diese Identität wurde zu einer Art Motor für den Anstieg des sozialen Wohlstands und für Putins Popularität nach 2014.

Was hat es mit dem «roten Spiegel» im Titel des Buches auf sich?

Die Metapher des roten Spiegels bringt den Kern des Identitätskonzepts auf den Punkt. Wenn wir in den Spiegel schauen, sehen wir ein Spiegelbild, das Freude, Glück und Schönheit ausstrahlen kann, das aber auch, je nach Situation, Alter, Falten und Unzufriedenheit zeigen kann. Auch wenn die Person, die in den Spiegel schaut, unverändert bleibt. Das Gleiche gilt für die kollektive Identität. Die Gesellschaft sieht ihr Spiegelbild in einem Spiegel, aber dieser Spiegel ist nicht konstant, er verändert sich. Darüber hinaus können die Regierung oder sogar verschiedene gesellschaftliche Gruppen verschiedene Spiegel vorlegen oder fördern. In den 90er-Jahren, nachdem der sowjetische Spiegel verschwunden war, gab es zunächst nichts, was an seine Stelle getreten wäre. Es gab keinen kollektiven Spiegel, der es den Russen ermöglicht hätte, ihre kollektive Zugehörigkeit zur russischen Nation zu erkennen. Im 21. Jahrhundert hat der Kreml schliesslich einen neuen kollektiven Spiegel aufgestellt. Ich nenne ihn «rot», weil die Konsolidierung der Macht seit 2012 auf denselben Mechanismen und Ideen beruhte, die in der Sowjetunion angewandt wurden.

Was sind das für Mechanismen und Ideen?

Die sowjetische Identität basierte auf zwei Grundpfeilern. Der erste war das Gefühl des sowjetischen Exzeptionalismus, das jedem Sowjetbürger das Gefühl gab, zu einem einzigartigen Staat zu gehören. Die zweite Säule war die Bedrohung durch den allgegenwärtigen äusseren Feind. In den Geschichtsbüchern an sowjetischen Schulen wurden die Kapitel mit Sätzen wie «Die junge Sowjetrepublik war von einem dichten Ring von Feinden umgeben» eingeleitet. Oder: «Der Krieg gegen die ausländische Intervention und die innere Konterrevolution.» Nach der ersten Phase des Aufbaus des Sowjetstaates kam der Krieg gegen faschistische Invasoren, dann der Kalte Krieg, als der Feind um uns herum der imperialistische Westen wurde. Das Gefühl, dass die Sowjetunion immer von Feinden umgeben war, war im Grunde einer der ständigen Mechanismen, die auf die Konsolidierung der Gesellschaft hinarbeiteten. Das Gefühl des kollektiven Exzeptionalismus war für die sowjetische Gesellschaft ebenfalls von grundlegender Bedeutung. Es ist nicht verwunderlich, dass die gleichen Mechanismen, die zu Sowjetzeiten funktionierten, auch heute noch greifen. In meinem Buch versuche ich zu zeigen, wie diese beiden Mechanismen von den staatlichen Medien aktiv eingesetzt werden. Das Konzept des russischen Exzeptionalismus wurde ab etwa 2012 ganz bewusst gefördert. Und die Vorstellung, dass Russland von Feinden umgeben sei – von aussen und von innen – ist ein Gefühl, das sich nach 2014 mit besonderer Intensität in das öffentliche Bewusstsein einzuschleichen begann. Wie wir heute mit Entsetzen feststellen können, hat dies zum Krieg geführt.

Als Russland sich 2014 zum ersten Mal im roten Spiegel sah, war es ihm schmerzlich vertraut, geliebt und wiedererkennbar. Natürlich waren die Ideen und Symbole, die im Spiegel zu sehen waren, nicht allen Russen gleichermassen vertraut; sie sprachen eher diejenigen an, die in der Sowjetzeit gelebt hatten. Wir müssen jedoch betonen, dass die Regierung diese Ideen auch bei der jüngeren Generation förderte, die in dem Glauben aufwuchs, dass ihr Mutterland in der Vergangenheit sehr mächtig gewesen und gefallen war, nun aber wieder auf die Beine kam. Kein Wunder, dass der berüchtigte Dokumentarfilm, den Millionen von Russen sahen, den Titel «Krim: Der Weg nach Hause» trägt. Es wurde versucht, diese Ideen und Symbole auch für Menschen attraktiv zu machen, die diesen Weg nicht schon zu Sowjetzeiten gegangen waren.

Was unterscheidet Ihre Argumentation von der Vorstellung, dass es eine «spezielle sowjetische Mentalität» gibt, die nie aus dem russischen Bewusstsein verschwinden wird?

Ich bin gegen deterministische Erklärungen in der Geschichte, gegen die Suche nach einem «kulturellen Code» oder einer «historischen Matrix», die einem Land oder einer Kultur innewohnt. Diese Art von Erklärungen schliesst die Möglichkeit gesellschaftlicher Veränderungen aus und lenkt die Forscher von sozialen Veränderungen ab, während sie auf dem Unveränderlichen verharren. Bis zu einem gewissen Grad sind diese Erklärungen wahrscheinlich einfacher, vor allem heute, da Russland diesen verbrecherischen Krieg in der Ukraine führt und die Zukunft des Landes unklarer denn je ist. Für mich gehen jedoch Argumente, die sich auf eine «besondere Kultur», eine «besondere Art von Menschen» oder einen «ausgetretenen Pfad» oder eine «Matrix» stützen, an der Rolle der Hauptschuldigen und der Hauptursache des Problems vorbei: der russischen politischen Elite und dem russischen Führer.

Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass die aus der Sowjetzeit übernommenen kognitiven Strukturen neben anderen Ideen und Rahmenbedingungen schlummern, die die Kraft haben, einen anderen Weg nach vorne zu ermöglichen. Genau aus diesem Grund betone ich in meinem Buch die Frage der politischen Führung. Die Politiker im Kreml und die von ihnen kontrollierten Medien picken sich die Elemente der Vergangenheit heraus, die ihren Zielen dienen und es ihnen ermöglichen, an der Macht zu bleiben. In meinem Buch zeige ich, wie die politische Führung und Elite dafür verantwortlich sind, wie die Geschichte und ihre Brennpunkte genutzt werden.

In den 1990er Jahren war Boris Jelzin Präsident desselben Landes, das heute existiert. Aber er setzte auf Reformen, Transformation, eine Neuinterpretation der russischen Vergangenheit und eine neue Vision von Russlands Zukunft. Jelzin setzte auf das, was Russland werden könnte, während der Kreml heute auf das setzt, was Russland war. Dies ist auch kein Versuch, in die Vergangenheit zurückzukehren. Es ist ein Versuch, die Macht heute zu konsolidieren, indem man die psychologischen Methoden der Manipulation der Ereignisse von gestern einsetzt.

Ich behaupte, dass die politische Führung und die Eliten für die Manipulation der Geschichte sowie für die Förderung einer bestimmten Politik zur Schaffung einer kollektiven Identität verantwortlich sind. Diese Politik hat die heutige russische Gesellschaft in einen Zustand der aggressiven antiwestlichen Konsolidierung versetzt.

Meinen Sie damit, dass sie den Rahmen dafür schaffen, wie die Menschen ihre realen Erfahrungen sehen?

Ja, denn es wäre auch möglich, die Ereignisse der 90er-Jahre völlig anders zu interpretieren. Man könnte sagen, dass Russland extrem schwierige Zeiten durchgemacht hat, aber wir wussten, wohin es gehen würde und warum; dass es eine starke Nation werden würde, indem es in Humankapital – Kunst, Kultur, Vielfalt und so weiter – investiert, statt in militärische Macht und die Annexion anderer Territorien.

Aber wie frei sind die Eliten bei der Auswahl der ihnen zur Verfügung stehenden Ideen?

Damit Propaganda funktionieren kann, muss sie ein Körnchen Wahrheit enthalten. Sie kann nicht vollständig auf Lügen aufgebaut sein. Es gibt Dinge, die offensichtlich Fake News sind, aber auch Desinformation kann in einen akzeptablen Rahmen für die Interpretation der Realität passen. Erfolgreiche Propaganda muss einen gewissen Wahrheitsgehalt haben, und in diesem Sinne ist die Propaganda des Kremls sehr erfolgreich.

Die 90er-Jahre waren in der Tat eine Zeit extremer wirtschaftlicher und sozialer Verluste und, was am wichtigsten ist, symbolischer Verluste für viele Menschen. Natürlich nicht für alle. Aber viele Menschen verloren wirklich ihre Vorstellung von dem Land, in dem sie lebten, von der kollektiven Identität, der sie angehörten. Die Menschen verloren ihre Karrieren, ihre Arbeitsplätze und so weiter. Ich habe Anfang der 90er-Jahre in Kasan gelebt und kann mich daran erinnern, wie verletzlich ich mich fühlte, wenn ich abends von der Strassenbahnstation nach Hause kam.

Aber Russland ist nicht der einzige Ort, an dem das passiert ist, das trifft auf praktisch alle postsowjetischen Staaten zu. Es ist daher sehr interessant zu vergleichen, wie diese Regierungen heute mit dem umgehen, was ihnen in den 90er-Jahren widerfahren ist. In Lettland, Litauen, Estland, Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik, die jetzt zur EU gehören, wird diese Zeit beispielsweise durch die Brille der Transformation betrachtet. Auch wenn die Geschehnisse sehr schmerzhaft waren, so waren sie doch notwendig, um ihre eigenen unabhängigen Nationalstaaten zu schaffen, die sich später für eine Annäherung an Europa entschieden. So verstehen sie diese Reformen heute. Sie wissen, wozu sie gut waren.

In Russland ist die ursprüngliche Bedeutung der Reformen verloren gegangen. Und dafür sind die Eliten verantwortlich. Ende der 90er-Jahre war sich Jelzin darüber im Klaren, dass es ein hartes Jahrzehnt gewesen war, und das kann man in seiner letzten Rede deutlich hören. Aber er wusste und glaubte an die Entscheidung, die er getroffen hatte. Putin hatte dieses Vertrauen nicht, oder besser gesagt, er dachte das Gegenteil. Der Kreml sah eine Gelegenheit, die nationale Stimmung für seine Zwecke zu nutzen. Ohne die Bedeutung der Reformen der 1990er Jahre wäre dieses Jahrzehnt vielleicht nur als traumatisch empfunden worden.

Dies war die grösste Anstrengung der Kreml-Medienmaschinerie, um die 90-er Jahre zu instrumentalisieren und die öffentliche Meinung zu erzeugen, dass dies die schwierigste Zeit in der modernen Geschichte Russlands war. Dieser Rahmen sieht vor, dass diese schwierige Zeit mit dem Amtsantritt Putins endete, als die patriotischeren Eliten an die Macht kamen und die Wirtschaft zu wachsen begann. In der Zwischenzeit sind aber auch ganz andere Darstellungen der Ereignisse in den 90er-Jahren möglich. Zum Beispiel: «Wir haben harte Zeiten durchgemacht, eine Zeit der Verluste, aber jetzt wächst die Wirtschaft, und das Leben in unserem Land verbessert sich aufgrund dieser Reformen.» Niemand spricht darüber, dass die Wirtschaft gerade wegen dieser umstrittenen Reformen zu wachsen begann.

Übrigens gibt es in der Nachkriegsgeschichte sowohl Deutschlands als auch Japans dieses Phänomen des «Wirtschaftswunders». Dieses positive soziale und politische Konstrukt wurde zur Legitimierung der Nachkriegsreformen verwendet, um es den Deutschen und Japanern zu ermöglichen, sich selbst zu erklären: «Ja, wir haben eine Phase der Entfaschisierung durchgemacht, aber jetzt sind wir eine erfolgreiche Gesellschaft, die sich schnell erholt und vorwärts kommt.» Nach der schwierigen Zeit der liberalen Reformen in Russland haben wir auch ein Wirtschaftswachstum erlebt, das es ohne diese Reformen nicht gegeben hätte. Doch anstatt dies als «russisches Wirtschaftswunder» zu deuten, das die Schmerzen des postsowjetischen Übergangs gerechtfertigt hätte, beschloss der Kreml, die 90er-Jahre nicht nur zu negieren, sondern sie auch zu einem dunklen Fleck in unserer Geschichte zu machen, sie mit dem Dreck zu vermischen. So konnte der russische Präsident wie ein Ritter in glänzender Rüstung aussehen, der die Dunkelheit aus dem Land vertreibt.

Die Eliten sind dafür verantwortlich, wie die Gesellschaft die in Russland berühmte Frage aus dem Film «Brat 2» («Bruder 2») beantwortet: «Wo ist die Macht, Bruder?» Putins Antwort lautet, dass sie in Russlands militärischen Fähigkeiten liegt, in Russland als einer Nation, die Furcht und Respekt gebietet. Aber für die Mehrheit der Russen wäre eine andere Antwort vielleicht ebenso verlockend gewesen, eine Antwort, die die wirtschaftliche Entwicklung, die Entwicklung des menschlichen Potenzials, die «wissensbasierte Wirtschaft», die Schaffung kultureller, finanzieller und technologischer Produkte, die internationales Interesse hätten wecken können, beinhaltet hätte. Darin mag unsere Stärke gelegen haben. Dafür hätten wir jedoch andere politische Institutionen, unabhängige Gerichte und den Schutz des Privateigentums gebraucht. Leider verlief die Entwicklung des politischen Systems und der Institutionen in Russland in eine völlig andere Richtung. Darüber habe ich in meinem ersten Buch «Politische Folgen des vetternwirtschaftlichen Kapitalismus in Russland» geschrieben.

Ist Russland das einzige Land, das ein kollektives Trauma zur Legitimierung seines Regimes einsetzt?

Ganz und gar nicht. Ich interpretiere und demonstriere dies durch das Prisma der Theorie der sozialen Identität. Durch sie wird die Frage der Führung als Prozess untersucht, als Entwicklung der Beziehung zwischen dem Führer und seinen Nachfolgern. Infolgedessen sehen die Nachfolger den Führer als jemanden, der die Interessen ihrer Gruppe besonders fördert, der eine Art Prototyp dieser Gruppe darstellt und sie in den Augen der anderen und in ihren eigenen Augen bedeutsamer macht. Vor allem aber wird das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gruppe während dieses Prozesses gestärkt.

Anhand dieser Theorie lässt sich die Bedeutung der Tatsache erkennen, dass viele Russen in Putin jemanden sehen, der die Interessen der Nation fördert und Russland auf der Weltbühne wichtiger macht; sie sehen in ihm das Symbol eines starken Russlands. Eine absolut universelle Beobachtung in der Sozialpsychologie ist, dass jeder Mensch zu einer Gruppe gehören möchte, die besser ist als andere. Es gibt sogar einen Gruppendiskriminierungseffekt: Menschen nehmen die Gruppe, der sie angehören, immer als besser wahr als andere; sie nutzen jede kognitive Möglichkeit, um zu beweisen, dass ihre Gruppe die beste ist.

Für die Russen wurde diese Voreingenommenheit durch die Annexion der Krim bestätigt, als ihr Gefühl der Zugehörigkeit zur russischen Nation mit einem gewissen Stolz und allgemein positiven Gefühlen verbunden wurde. Aus diesem Grund sehen viele Russen Putin als einen starken Führer an.

Putin ist nicht der einzige, der diese Mechanismen anwendet. Donald Trump zum Beispiel sprach, obwohl er Millionär und Geschäftsmann ist, Gruppen von Amerikanern an, die sich durch die Globalisierung verloren und aus der Wirtschaft und Gesellschaft ausgestossen fühlten, Menschen, die ihre Arbeitsplätze durch die Abwanderung von Unternehmen nach China, Mexiko oder Brasilien verloren hatten.

Dies führte zum Niedergang vieler amerikanischer Städte, und in Ermangelung eines sozialen Sicherheitsnetzes, das sie hätte über Wasser halten können, wurden viele Menschen noch stärker an den Rand gedrängt. Trump spielte mit den Emotionen dieser Menschen, ihrem Gefühl von Verlust, Trauma und mangelndem Selbstwertgefühl. Indem er an sie appellierte, versuchte er, ihnen eine Art Hoffnung zu geben und sie in den Hallen der Macht zu vertreten. All dies bedeutet, dass die Strategie, die auf der Verwirklichung einer kollektiven Identität beruht, nicht nur in Russland angewandt wird.

Ihr Buch wurde in englischer Sprache veröffentlicht. Es richtet sich in erster Linie an Leser im Westen. Gibt es Pläne für eine Übersetzung? Und wenn ja, wird es für russische Leser angepasst? Wie würden Sie das anstellen?

Das ist eine sehr wichtige Frage. Ich habe viel darüber nachgedacht. In der Einleitung der aktuellen Ausgabe habe ich geschrieben, dass das Buch, wenn ich es für ein russisches Publikum geschrieben hätte, wahrscheinlich ganz anders ausgefallen wäre. Jetzt lautet die Hauptaussage: «Wir müssen verstehen, was mit Russland geschehen ist und welche Rolle die Eliten dabei gespielt haben, und wie das mit der Rolle der normalen russischen Bürger übereinstimmt und wer die Schuld trägt.» Im Westen wird oft darüber gesprochen, wie bestimmte kulturelle und historische Wege zur immerwährenden Reinkarnation des russischen Autoritarismus geführt haben. Ich zeige auf, welche Rolle die Eliten und der Führer bei der Schaffung der heutigen Situation gespielt haben. Das bedeutet, dass andere Eliten an die Stelle der jetzigen treten können, mit anderen Ideen und anderen ideologischen Grundsätzen, die die Gesellschaft in eine andere Richtung führen können.

Wenn ich für die russische Gesellschaft schreiben würde, wäre die Hauptbotschaft des Buches: «Wenn du ertrinkst, geh unter oder schwimm.» Auf dieses Sprichwort spiele ich in dem Buch sogar an. Warum habe ich das Buch dann nicht für das russische Publikum geschrieben? Nun, da ist ein ethischer Grund im Spiel. Wer bin ich, dass ich als jemand, der im Ausland lebt und Russland von aussen betrachtet, die Verantwortung dafür übernehme, den Russen zu sagen, dass alles an ihnen liegt? Das ist eine zu grosse Verantwortung. Ich würde mich nicht wohl dabei fühlen, so etwas von London aus zu sagen.

Damit die Menschen ihren Bürgersinn entwickeln können, brauchen sie ein Mindestmass an wirtschaftlichem Wohlstand.

Gulnaz Sharafutdinova

Ich kann dem Westen sagen: «Leute, ihr versteht Russland nicht, lasst es uns so sehen», aber ich könnte den Russen nicht in die Augen sehen und sagen: «Kommt schon, Leute, ihr macht es nicht richtig, ihr müsst stattdessen dies oder das tun.» Da ich nicht in Russland lebe, glaube ich nicht, dass ich das Recht habe, das zu tun.

Natürlich würde ich gerne glauben, dass es nützlich ist, wenn die Menschen in Russland mein Buch mit einem gewissen Mass an Offenheit für meine Ideen lesen würden. Im heutigen Russland werden die kollektiven Emotionen durch die öffentliche Sphäre und die Anwendung verschiedener Frames auf die Realität sehr effektiv manipuliert. Ich versuche, diese emotionalen Faktoren aufzudecken. Psychologen sind der Meinung, dass das Sprechen über Gefühle den Menschen hilft, mit ihnen umzugehen. In gewisser Weise versucht das Buch, über diese kollektiven Emotionen zu sprechen und so die Möglichkeit für einen gesellschaftlichen Wandel zu schaffen.

Wann wird die russische Gesellschaft für einen Wandel bereit sein?

Der Krieg, den die russische Regierung in der Ukraine begonnen hat, hat die Möglichkeiten, über diese kollektiven Emotionen zu sprechen und eine angemessene Reaktion der Zivilgesellschaft zu erreichen, zunichte gemacht. Viele Menschen in Russland haben eine aggressive Abwehrhaltung eingenommen und rechtfertigen und verteidigen die kriminelle Entscheidung des russischen Präsidenten. Ich sehe nicht, wie Russland diesen ungerechten Krieg gewinnen kann und kann nur hoffen, dass er so schnell wie möglich beendet wird.

Natürlich hat sich Russland in den letzten 10 oder 15 Jahren gesellschaftlich gewandelt. Wir haben das Wachstum des lokalen Aktivismus gesehen, es gab Fortschritte im bürgerlichen Bewusstsein und das Engagement jüngerer Russen in kollektiven Aktivitäten. Nicht umsonst haben auch die Repressionen in den letzten zwei Jahren zugenommen. Ein gesellschaftlicher Wandel basiert jedoch in der Regel auf der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes. Damit die Menschen ihren Bürgersinn entwickeln können, brauchen sie ein Mindestmass an wirtschaftlichem Wohlstand. Je ärmer die Menschen sind und je härter der Kampf ums Überleben ist, desto schwieriger ist es für sie, darüber nachzudenken, wie sie die Institutionen ihres Landes verändern können. Das Überleben steht immer an erster Stelle. Die wirtschaftlichen Bedingungen in Russland hatten sich bis 2013 verbessert. Nach zehn Jahren der Entwicklung kam es zu den Protesten von 2011–2012, die meiner Meinung nach ein Spiegelbild dafür waren, wie die wirtschaftliche Entwicklung in die soziale und politische Entwicklung überging.

Dann, nach 2013, stagnierte die Wirtschaft. Der Einmarsch in die Ukraine hat unter anderem gezeigt, dass der Kreml Russland arm halten will. Auf diese Weise kann der militarisierte Staat die Gesellschaft leicht in die Knie zwingen, ohne dass eine politische Mobilisierung und das Wachstum der Opposition drohen. Im Prinzip kann diese Situation sehr lange andauern. Viele Staaten leben seit vielen Jahren in einem solchen Zustand der Depression.

Was wird mit der öffentlichen Meinung in Russland im nächsten Jahr geschehen? Man hört oft Aussagen wie: «Wir haben die 90er-Jahre überlebt, wir werden auch dies überleben, und tatsächlich wird dies unsere Wirtschaft ankurbeln und zu ihrer Wiedergeburt führen.»

Der Blickwinkel, der mir geholfen hat, die Reaktion nach dem Krimkrieg zu verstehen, lässt mich vorhersagen, dass viele Russen im Rahmen einer patriotischen Konsolidierung auf diesen Krieg reagieren werden. Ich befürchte, dass es keine massenhafte Antikriegsbewegung geben wird und dass die Russen, die das Geschehen mit Schmerz und Entsetzen betrachten, in der Minderheit sind. Ausserdem wird man ihnen mit zunehmender Aggression begegnen. Die innere Zerrissenheit Russlands wird sich also nur noch weiter verschärfen, und die Folgen werden noch viel härter sein. Wie lange das alles anhält, hängt davon ab, wie schnell das politische System kollabiert. Es kann sich noch eine Weile halten, aber die Tatsache, dass es nicht zum Wohle der russischen Gesellschaft oder der Zukunft funktioniert, wird im Laufe der Zeit immer mehr Menschen klar werden. Die zukünftige Transformation ist unvermeidlich.

Dann werden alle Fragen, die mit der russischen nationalen Identität verbunden sind, wieder zur Diskussion stehen. Diese zukünftigen Gespräche werden nicht auf der Wahrnehmung Russlands als Opfer, sondern als Aggressor beruhen. Der Aufbau einer neuen russischen Gesellschaft kann, wenn wir uns ein positives Szenario für die Zukunft vorstellen dürfen, nur durch die Übernahme von Verantwortung für das, was das Land getan hat, erfolgen.

Aber ich sehe keine rosigen Aussichten für die nahe Zukunft. Manchmal hat man das Gefühl, dass dieser Krieg uns den letzten Rest an Hoffnung genommen hat. Aber die Hoffnung ist das Letzte, was vergeht. Also warte ich einfach auf das Ende des Krieges.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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19 Meinungen

  • am 29.04.2022 um 12:01 Uhr
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    Es sind wohl eher die westlichen Eliten und Bürokraten, die den Einmarsch provozierten.
    Sämtliche Zusicherungen an die Russen, die NATO nicht Richtung Osten zu erweitern, sind zu nichtigen Lügen geworden.
    Mich würde interessieren, wie wohl die USA reagierte, würde Russland wieder (wie 1961) in Kuba ihre Basen einrichten, Raketen liefern usw. Dasselbe natürlich noch in Mexiko.

    Wie würde die USA reagieren, wenn sämtliche Sicherheitsansprüche der USA ignoriert würden? Einfach abwarten? Wohl kaum.
    Doch die NATO will jetzt überall im russischen Westen ihre Stellung beziehen und riskiert einen atomar geführten Krieg.
    Jede Medaille hat 2 Seiten, und damit will ich Putins Regierungsstil gar nicht gutheissen.

    • ToniKoller
      am 30.04.2022 um 00:13 Uhr
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      Lieber Herr Kaderli, einer vernunftgesteuerten, dem Volkswohl verpflichteten russischen Führung wäre die Osterweiterung der Nato schlicht egal. Denn so ein Kreml wüsste (und Putin weiss es eigentlich auch): 1. Es gibt und gab niemals eine Absicht der Nato, Russland anzugreifen (sowas hat der Kapitalismus für seine Interessenwahrung nicht nötig). Ihr Vergleich mit Kuba 1961 hinkt: Die USA haben damals keinen Vernichtungskrieg gegen Kuba begonnen. Obwohl dies einfach gewesen wäre – und die Sowjets zumindest rhetorisch eine «Weltherrschaft» anstrebten. 2. Die Nato hat sich nicht selber erweitert – das könnte sie gar nicht. Sie wurde erweitert durch demokratisch legitimierte Beitritte von Ex-Sowjetrepubliken und -Ostblockländern, welche nun mal mit (Sowjet-)Russland schlechte Erfahrungen haben. Hätte man diesen Ländern den Beititt verweigern sollen, um das «Sicherheitsbedürfnis» eines autokratischen (und wie wir spätestens jetzt wissen: imperialistischen) Moskauer Regimes zu befriedigen?

  • am 29.04.2022 um 13:02 Uhr
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    Herzlichen Dank Frau Sharafutdinova für die umfassende und präzise Beschreibung der viel zitierten «russischen Seele».
    Dass nun die Ukraine, welche von Stalin auf ärgste unterdrückt wurde (Stichwort «Holodomor»), die beschriebenen Reformen schaffte, wird nun von den Russen, welche die Ukraine stets als «kleinen Bruder» interpretieren, als demütigend empfunden. Dies ist meines Erachtens ein zentraler Punkt, welcher die breite Akzeptanz des Putin-Krieges, mit dem Ziel den kleinen Bruder «heim ins Reich» zu holen, beflügelt.
    Aber für die ukrainische Bevölkerung sind es genau diese historischen Erfahrungen, welche durch diese Invasion erneut aufleben und die unglaubliche Entschlossenheit, sich gegen diesen Rückfall in eine russische Abhängigkeit zu stemmen, erklären.

    • am 30.04.2022 um 01:58 Uhr
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      Sie sitzen da leider einem grossen Irrtum auf: Die Ukraine ist ein kleptokratischer Staat und wohl das korrupteste Land Europas. Mit der Demokratie ist es auch nicht weit her – es wurden/werden per Dekret oppositionelle Medien und Fernsehsender verboten und ethnische Minderheiten schikaniert. Oppositionelle und Abweichler werden verfolgt und ermordet – jüngstes Beispiel dafür ist der Mord an einem «verräterischen» Verhandlungsführer, der mit Russland Friedensgespräche geführt hat. Von den gesellschaftlich und in der Armee breit abgestützten Rechtsradikalen gar nicht zu reden…

  • ToniKoller
    am 29.04.2022 um 15:13 Uhr
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    Danke für die Publikation dieser klarsichtigen Analyse! Sie räumt auf mit dem pseudohistorischen Determinismus, welcher Putin zum unvermeidlichen Resultat der russischen Geschichte und Russland zum blossen Opfer des bösen Westens verklärt.
    Gewissen «Putin-Verstehern» muss man durchaus ein Kränzchen winden. Nämlich jenen, die verstehen, was Putin heute ist: Ein Diktator mit reaktionärem Gesellschaftsbild, der in seiner Grossmannssucht vor nichts zurückschreckt, um als Wiederhersteller des zaristisch/sowjetischen Imperiums in die Geschichte einzugehen.
    Man sieht: Das Wort «verstehen» kennt unterschiedliche Bedeutungen …

    • am 1.05.2022 um 12:28 Uhr
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      «…der in seiner Grossmannssucht vor nichts zurückschreckt, um als Wiederhersteller des zaristisch/sowjetischen Imperiums in die Geschichte einzugehen.» Man sieht, sie gehören zu denjenigen die aufs Wort glauben was andere, die ihn ebenso wenig kennen, über Putin sagen, statt ihm vielleicht einmal selber zuzuhören. Nebenbei: Glauben sie wirklich ernsthaft Putin sei so dumm zu glauben, er könne die Sowjetunion wieder «auferstehen lassen»…?!

  • am 29.04.2022 um 16:27 Uhr
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    3 Aspekte:

    der «Zustand der aggressiven antiwestlichen Konsolidierung» ist mir neu. Ich muss gestehen, dass ich keine persönliche Beziehung zu Russland habe, aber Schilderungen sowohl Bekannter als auch Autoren die Russland bereisen oder Kontakt zu Russen haben hätten mich das nicht ahnen lassen.
    So, wie bei uns Russland – zumindest in den Systemmedien – dämonisiert wird, müssten wir uns aber dafür an die eigene Nase fassen.

    Für Russland sehe ich die Identitätsstiftung als hilfreich, stand doch das Land kurz vor dem absoluten Ausverkauf an «den Westen» unter dessen neoliberalen Ideologie.

    Insgesamt klingt das für mich exakt wie «god’s own country», nur in grün, äääh, rot meine ich natürlich. Die USA zeigen viele Merkmale eines gescheiterten Staates, und halten ebenso mit Mythen und Riten die öffentliche Meinung halbwegs über Wasser.
    Der Unterschied ist, dass Herr Putin sich über eine warme Mahlzeit für jedes Kind Gedanken macht, wohingegen jenseits des Atlantik…

  • am 29.04.2022 um 19:37 Uhr
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    Wird Infosperber jetzt auch schon zum Lückenmedium? Medusa wurde von einem geschassten Oligarchen (Chodorowski?) geründet und wird auch noch von ihm alimentiert. Die entscheidende Info weggelassen!

  • am 29.04.2022 um 22:38 Uhr
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    Wenn man sich den ganzen Text antut, grinst einem breit die westliche Propaganda an: Sehr schön zu erkennen im kleinen Abschnitt über Jelzin und Putin. Jelzin hat Russland schlicht und einfach ausverkauft, den Oligarchen und gierigen Unternehmen zum Frass vorgeworfen und die Bevölkerung verarmen lassen. Auch wenn es schwülstig erscheint, aber kaum war Putin an der Macht stieg zum Beispiel das Bruttoinlandprodukt von unter 2000 Dollar/Kopf am Anfang des Jahrtausends bis auf ca. 15’000 Dollar/Kopf 2014 und die Löhne verzehnfachten(!) sich. Das ist nicht «russische Propaganda» sondern das sind belastbare Zahlen! Immer wieder frage ich mich warum man sich derart Mühe gibt, Russland (Putin..?) im schlechtestmöglichen Licht erscheinen zu lassen, aber dass man einen Jelzin dermassen überbewertet und falsch darstellt, zeigt eigentlich wunderbar dass es scheinbar an Fakten und Wahrheiten mangelt…

    • ToniKoller
      am 30.04.2022 um 13:47 Uhr
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      Warum man Putin «im schlechtesten Licht» erscheinen lässt? Ganz einfach: Weil er sich als lügenhafter, gewaltbereiter Diktator entpuppt hat. Gegen diese Einsicht hilft keine noch so berechtigte Kritik am Westen. Ausser bei den Leuten in diesem Forum, die dem Antiamerikanismus als Ideologie verfallen sind.

      • am 1.05.2022 um 12:37 Uhr
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        Mir scheint doch eher dass sie hier einer ideologischen Russophobie verfallen sind. Vielleicht können sie meinem Beitrag auch noch mit Fakten statt nur mit Unterstellungen und Beleidigungen begegnen? Putins Kriegsbeginn kann ich als Grund für ihre Anschuldigungen nicht akzeptieren, da sie dann konsequenterweise fast alle bisherigen US-Präsidenten ebenfalls als «lügenhaft und gewaltbereit» darstellen müssten und das wollen wir ja nicht oder…?;)

  • am 30.04.2022 um 07:28 Uhr
    Permalink

    Der Westen liess und lässt seit Russland seit dem Fall der Mauer keine Gelegenheit sich zu entwickeln und nicht auf das Militär zu setzen. Jelzin war ein Trinker, die Ausbeutung der Bodenschätze Russlands durch westl. Multis kam unter ihm in die Gänge. das Volk würde verarmen, siehe LA und Afrika. Putin hat dies gestoppt, seitdem planten die westlichen Eliten diesen Krieg. Viel zu einseitiger Bericht, auch die USA sehen sich in Ihrem Spiegel gerne immer wieder als schiesswütige Cowboys. Dies wird ständig durch alle Präsidenten befeuert, ausser Trump, um sich an der Macht zu halten und selber zu bereichern.

    • ToniKoller
      am 30.04.2022 um 21:04 Uhr
      Permalink

      «Der Westen lässt Russland keine Gelegenheit, sich zu entwickeln»: Bitte sehr, diese Entwicklung obliegt den Russen selber. Inwiefern soll der Westen hier etwas verhindert haben?
      Es war Russland selber, das sein Volksvermögen an örtliche Oligarchen verschacherte, und das nun unter Putin zur reaktionären Militärmacht verkommt.
      «Die westlichen Eliten planten diesen Krieg»: Wieviel frei erfundenen Unsinn seitens russophiler Ideologen muss man sich hier eigentlich noch zumuten lassen?

      • am 1.05.2022 um 13:07 Uhr
        Permalink

        ««Die westlichen Eliten planten diesen Krieg»: Wieviel frei erfundenen Unsinn seitens russophiler Ideologen muss man sich hier eigentlich noch zumuten lassen?» Herr Koller… tun sie sich einen Gefallen und erkundigen sie sich, dann werden sie feststellen dass es dazu keiner «russophiler Ideologie» bedarf. Das wurde/wird alles durchs Band von den als kriegslüsterne «Falken» und «Neocons» bekannten Amerikanern selber gesagt, geschrieben und festgehalten.

  • am 30.04.2022 um 07:58 Uhr
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    Wieso liess man die Russen bei jedem Versuch, auf den Westen zuzugehen, abblitzen? Wieso nahm man die russischen Bedürfnisse nie Ernst?

    Die einzige Rolle, die man den Russen zukommen lässt ist die vom saufenden, dummen Grobian, der als Sündenbock herhalten muss. Alles, was negativ ist, wird den Russen zugeordnet. Ja, in diesem Sinn sind die Russen das auserwählte Volk!

    Das sie ihr Buch auf Russisch anders geschrieben hätte, zeigt mir die Widersprüchlichkeit ihrer Position. Die Idee mit dem roten Spiegel empfinde ich etwas bescheiden

    Ohne die Russen währen wir heute von den Nazis bestimmt. Sie haben mit 27 Millionen Toten die Hauptlast getragen und erinnern sich noch daran. Die westliche Arroganz dem gegenüber muss für die Russen sehr schmerzvoll sein. So fühlt man sich von Feinden umzingelt, und wenn die NATO wächst und in ihren Übungen seit Jahrzehnten offen gegen Russland kämpft, ja, dann stimmt das wohl!

    Das fehlt im Text sehr.

  • am 30.04.2022 um 11:27 Uhr
    Permalink

    Wer den USA sprich NATO die Absolution erteilt höre bitte einmal dieses Video
    von George Friedman ein bedeutender Meinungsmacher von STRATFOR.

    https://youtu.be/xC4epLO3ArE

  • am 30.04.2022 um 23:52 Uhr
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    Eine andere Sage, wie der Krieg begründet werden kann – ein Konstrukt, das versucht die gegenwärtige Situation in Russland als geschichtliche Fortschreibung des Kommunismus darzustellen und den Russen ein kollektives Trauma zuordnet. Ihr Fazit: «Die Manipulation hat die heutige russische Gesellschaft in einen Zustand der aggressiven antiwestlichen Konsolidierung versetzt».
    Sie klammert die durch den westlichen Druck verursachten politischen Entwicklungen aus. Gulnaz Sharafutdinova meint im Interview, dass sie das Buch für Russen anders schreiben würde und lehnt die Verantwortung ab Russen ändern zu wollen ab? Wieso serviert sie uns Westlern dieses Narrativ, das nur denen dient, die ihre Vorurteile bestätigt haben wollen. Sie hat keine Ahnung von der russischen Seele. Russen verstehen sich auch heute noch als Kollektivgesellschaft, sie tragen das Herz nicht auf der Zunge und man muss nahe an sie herangehen, um wahrgenommen zu werden. Fazit: US Propaganda wissenschaftlich verpackt.

    • ToniKoller
      am 1.05.2022 um 13:05 Uhr
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      Sie nennen den Artikel eine » Sage» und ein «Konstrukt» – mit der einzigen dürftigen Begründung, die «durch westlichen Druck verursachten Entwicklungen würden ausgeklammert». Was denn für ein «westlicher Druck»? Der Westen hat Russland jahrzehntelang mit Selbstverständlichkeit seine Rohstoffe abgekauft und dem Land damit zu positiver Handelsbilanz und wachsendem Wohlstand verholfen. Den Nato-Beitritt einiger Grenzländer (eine Vorsichtsmassnahme eingedenk schlechter Erfahrungen mit Sowjetrussland) als «Druck» und «Umzingelung» zu bezeichnen, ist Putins Versuch, zwecks Machterhalt in seiner Bevölkerung Paranoia zu säen. Die Nato hegt gegenüber Russland keinerlei Angriffsabsichten. Statt einen Eroberungskrieg zu führen, sollten sich Putin & Co. besser um das Wohlergehen der russischen Bevölkerung kümmern.

      • am 2.05.2022 um 09:26 Uhr
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        Da haben Sie aber eine jahrzehntelange Entwicklung in der US Aussenpolitik eingeschlossen der politischen Kommunikation gegenüber Russland verpasst. Ich lokalisiere die Paranoia eher im Westen unter Auslassung des Friedensgedankens, was zu einer verheerenden Eskalation führt.

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