Kommentar

Wird Evelyne Widmer-Schlumpf Euro-Gruppenchefin?

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Gret Haller /  Die Chancen der Kleinen im Euro-Raum.

Jean-Claude Junker wird sein Amt als Euro-Gruppenchef abgeben. Zur Nachfolgeregelung hat als einer der ersten der FDP-Europa-Abgeordnete Wolf Klinz seine Wünsche formuliert. Gegenüber dem Sender Deutschlandfunk sagte er: «Wir haben an sich mit dem Vertreter eines relativ kleinen Landes eine sehr gute Erfahrung gemacht. Man muss ja feststellen, dass die Person Juncker sehr stark geprägt ist durch seine Heimat, durch Luxemburg. Er war immer zwischen den beiden großen Nachbarn Frankreich und Deutschland. Die Kunst zu vermitteln und auszugleichen ist ihm quasi schon in die Wiege gelegt worden. So einen brauchen wir.»*)
Solche Töne lassen aufhorchen in der Schweiz – auch sie ein europäisches Land mit einer politischen Kultur, die deutsche und französische Wurzeln miteinander verbindet. Zwar um einiges grösser als Luxemburg mit dessen halber Million Einwohner, aber ebenfalls ein Land mit einem – im Vergleich mit dem BIP – namhaften Finanzplatz. Der scheidende Euro-Gruppenchef wusste seine Stellung als luxemburgischer Ministerpräsident, der die Landesinteressen zu verteidigen hatte, mit seinem europäischen Amt optimal zu verbinden.
Die Grossen kommen nicht in Frage. Angesprochen auf eine Kandidatur des deutschen Finanzminister meint Klinz: «Ob das Herr Schäuble ist oder Herr Moscovici, das darf hinterfragt werden. Fest steht, dass – Sie haben es benannt – Schäuble natürlich durchaus ein Kandidat ist, dem Europa eine Herzensangelegenheit ist, gar keine Frage. Er ist auch ein Kandidat, der inzwischen eine äußerst hohe Kompetenz hat und auch international sehr angesehen ist. Das würde also alles für ihn sprechen. Aber es hat ja schon im Frühjahr der inzwischen gewählte Präsident Hollande klar gemacht, dass für Frankreich ein Kandidat Schäuble nicht in Frage kommt. Warum das so ist, wurde nicht im Einzelnen erläutert. Ich gehe mal davon aus, dass die Franzosen gesagt haben, ein derart prestigeträchtiger Posten darf nicht in die Hände des ohnehin schon stärksten Mitgliedslandes der Eurozone und der Europäischen Union insgesamt fallen. Die Schlussfolgerung, dass es jetzt dann automatisch der französische Kandidat wird, die ist meiner Meinung nach aber auch nicht zulässig …». Dies eine mehrheitsfähige Meinung im Euro-Raum.

Die Anforderungen an den neuen Euro-Gruppenchef sind gross. Kein Wunder also, dass man für dieses Amt auch auswärtige Persönlichkeiten in Betracht zieht, insbesondere die schweizerische Finanzministerin. Ihre harte und konsequente Haltung hat man in Deutschland durch die Verhandlungen zum Steuerabkommen kennen gelernt. Genau diese Härte und Konsequenz ist heute in der Verteidigung des Euro gegen Angriffe von Finanzmärkten und Rating-Agenturen gefragt.
Es geht aber auch um persönliche Qualitäten, welche durchaus etwas mit schweizerischer politischer Kultur zu tun haben, insbesondere mit der Fähigkeit, unterschiedliche – auch politische – Kulturen unter einen Hut zu bringen. Dazu nochmals Klinz: «Ich würde mir wünschen, dass man, wenn man schon Schäuble verhindert – und so sieht es ja aus -, dass man sich dann wiederum auf einen einigt, der tatsächlich ein Verständnis hat für unterschiedliche Sichtweisen und dem es dann gelingt, einen produktiven Konsens herzustellen.»
Da liegt der Name Evelyn Widmer-Schlumpf auf der Hand. Im Dezember 2007 hat sie mit ihrer mutigen Bereitschaft zur Einsitznahme in den Bundesrat die Konsensfähigkeit der schweizerischen Landesregierung nach vier turbulenten Jahren wieder hergestellt. Damit spielte sie eine ur-schweizerische Karte, die seit der Gründung der Eidgenossenschaft und angesichts deren Wurzeln im Genossenschaftswesen immer Trumpf gewesen ist: Sich angesichts äusserer Gefährdung trotz auseinanderstrebender Interessen immer wieder zusammenzufinden und die Dinge gemeinsam zu regeln. Genau dies braucht die Euro-Zone dringend wie kaum zuvor.


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