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Schlagzeile im Tages-Anzeiger vom 30.3.2012 © ss

Verfrühter Scherz zum 1. April

Barbara Marti /  Als «politisch brisant» berichtete der TA, dass Frauen mangels Führungserfahrung in Banken «riskante Geschäftsmodelle» förderten.

Frauen in Geschäftsleitungen von Banken verfügten über «eine deutlich geringere Führungserfahrung als die männlichen Kollegen» und einiges spreche dafür, dass «dieses Manko zu höherer Risikobereitschaft» beitrage. Kurz: «Je höher die Frauenquote, desto riskanter wird deren Geschäftsmodell.»
So zitierte der Tages-Anzeiger am Freitag in prominenter Aufmachung die Schlussfolgerung einer Publikation und meinte, diese sei «in politischer Hinsicht brisant». Um die Aussagen als seriös erscheinen zu lassen, behauptete die Zeitung im Untertitel, die «Deutsche Bundesbank hat (dies) untersucht».
Unkonventionelle Thesen mahnen zur Vorsicht
Bisher hatten mehrere seriöse Studien übereinstimmend ergeben, dass Frauen im Finanzbereich weniger Risiken eingehen als Männer und eher für eine langfristige Geschäftspolitik einstehen.
Eine neue seriöse Studie, die das Gegenteil belegt, würde eine grössere Schlagzeile verdienen. Aber eben: Die Quelle und Autorenschaft müssten klar sein, die Studie einsehbar und die angewandte Methode einigermassen wissenschaftlich sein.
Autoren ungenannt, Studie nicht veröffentlicht
Während der Tages-Anzeiger online noch von einer «Studie» der Bundesbank spricht, nennt es die Printausgabe nur noch ein «Diskussionspapier» oder «Papier der Bundesbank». Das Papier spricht von «anekdotischen Beweisen» an. Das muss eine neue Erfindung sein. Denn bisher war man davon ausgegangen, dass sich etwas um eine Anekdote handelt oder dann den Charakter eines Beweises hat.
Der Tages-Anzeiger nennt weder den Titel des Papiers noch die Namen der Autoren. Das «Autorentrio» habe aus «einem Bundesbanker und zwei externen Universitätsprofessoren» bestanden. Der deutsche «Tagesspiegel» informierte genauer und nannte die drei – männlichen – Forscher mit Namen: Allen N. Berger, Thomas Kick und Klaus Schaeck. Auf Anfrage des «Tagesspiegels» meinte die Bundesbank-Sprecherin, der federführende Autor arbeite «an einer Universität in South Carolina», und ob er überhaupt Professor ist, sei nicht sicher. Da wird Allen N. Berger keine Freude haben, denn er ist tatsächlich Professor an der University of South Carolina. Auf seiner Homepage ist das «Diskussionspapier» allerdings nicht zu finden. Auch Klaus Schaeck zeichnet als Professor der privaten «Bangor Business School» in Grossbritannien. Thomas Klick ist ein Mitarbeiter der Bundesbank.
Eines ist klar: Die These der zu grossen Risikofreude weiblicher Manager beruht zum Teil auf Anekdoten, sicher jedoch nicht auf einer auch nur halbwegs wissenschaftlichen Studie. Trotzdem brachte sie es zu Schlagzeilen, nur weil die These bisheriger Evidenz widerspricht.
Die Sprecherin der Bundesbank beeilt sich zu betonen, dass das Diskussionspapier nicht die Meinung der Bundesbank wiedergebe. Die Bundesbank habe – entgegen der Darstellung des Tages-Anzeigers – auch gar nicht selber untersucht, wie Frauen die Risikobereitschaft von Finanzinstituten beeinflussen.
Empirisch widerlegt
Der Tagesspiegel weist darauf hin, dass die jüngste Vergangenheit die vorgelegte These eh widerlegt habe. Denn die Banken mit den grössten Verlusten seien alle von Männern geleitet worden: Die Hypo Real Estate (Georg Funke), die Bayern LB (Werner Schmidt), die WestLB (Thomas Fischer) oder die IKB (Stefan Ortseifen).
Es wären noch die Herren der Bank Wegelin, der UBS oder der Credit Suisse anzuführen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift FrauenSicht.

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