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Forderte vergeblich eine Kontrolle von Smartphones: Nationalrätin Marionna Schlatter. © Parlamentsdienste

«Lieber verdrängen wir die Risiken, statt sie zu messen»

Pascal Sigg /  Kein Geld für die Gesundheit: Der Nationalrat will Gerätestrahlung nicht kontrollieren. Auch der Bundesrat war dagegen.

Immer wieder kommen auch hierzulande Mobiltelefone auf den Markt, welche die Strahlengrenzwerte überschreiten. Bekannt wird dies nur, weil – neben den Herstellern – eine französische Behörde die Geräte kontrolliert (Infosperber berichtete).

Die Schweiz sträubt sich seit Jahren gegen eine griffige Kontrolle der Geräte (Infosperber berichtete). Und sie wird auch weiterhin nichts tun. Dies wurde letzte Woche klar, nachdem der Nationalrat einen Vorstoss von Marionna Schlatter deutlich abgelehnt hatte. Die Grünen-Politikerin forderte eine eigenständige Marktüberwachung der Geräte in der Schweiz.

Im Nationalrat sagte sie: «Ohne staatliche Aufsicht untergraben wir das Vertrauen der Bevölkerung in den Produkteschutz und lassen sie mit den Gesundheitsrisiken allein. Die grösste Strahlenbelastung geht vom eigenen Mobiltelefon aus.» Und fragte darauf die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP): «Wie wollen Sie, Frau Bundesrätin, das Vertrauen der Bevölkerung in den Ausbau der Mobilfunkantenneninfrastruktur gewinnen, wenn Sie nicht einmal bereit sind, eine Marktaufsicht über die Endgeräte zu vollziehen?»

Baume-Schneider wiederholte, dass der Bundesrat schon früher gefunden habe, der Schweiz fehle dafür das Geld. In der bundesrätlichen Stellungnahme hiess es: «Der Bundesrat anerkennt, dass es wegen einer Vollzugslücke keine Marktüberwachung von Produkten hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Auswirkungen durch NIS (nicht-ionisierende Strahlung) gibt. Allerdings braucht es für die Erfüllung dieser Aufgaben genügend finanzielle und personelle Ressourcen. Aus Kosten-/Nutzenüberlegungen und aufgrund der Bundesfinanzlage können die notwendigen Ressourcen momentan nicht bereitgestellt werden. Es soll daher aktuell auf eine Marktüberwachung verzichtet werden.»

Französische NGO an vorderster Front

Die Ablehnung im Nationalrat erfolgte deutlich entlang der Fraktionslinien. Linke und Grüne befürworteten die Motion, alle anderen Parteien waren dagegen. Damit verlässt sich die Schweiz weiterhin auf Gefährdungsmeldungen der Europäischen Union. Diese wiederum ist darauf angewiesen, dass sie von der französischen Behörde entsprechend informiert wird. Die französische NGO «Phonegate Alert» kritisierte diese Meldungen allerdings jüngst als lückenhaft.

«Phonegate Alert», welche die Enthüllungen über die zu stark strahlenden Handys ausgelöst hatte, verurteilte auch den Schweizer Entscheid: «Mit Blick auf die fehlenden Kontrollen ist er nur schwierig zu rechtfertigen. Zum Schaden öffentlicher Gesundheit scheint er vor allem Industrieinteressen zu schützen.»

Marc Arazi, Präsident der Organisation, sagte: «Die Schweiz streicht mit der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen hunderte Millionen ein, aber weigert sich, auch nur einen Rappen auszugeben, um ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Lieber verdrängen wir die Risiken, statt sie zu messen.»

Frankreich misst als einziges EU-Land – und verzeichnet immer mehr Hirntumorfälle bei Jungen

In Frankreich zeigte Anfang März eine Behördenstudie, dass Fälle von bösartigem Hirntumor, sogenannte Glioblastome, in den letzten 20 Jahren bei jungen Erwachsenen zwischen 15 und 39 Jahren dramatisch zugenommen haben. Der Bericht nennt nicht-ionisierende Strahlung auch als möglichen Risikofaktor. «Phonegate Alert» ist der Ansicht, dass eigentlich sämtliche Smartphones die Strahlengrenzwerte, die vor Gesundheitsrisiken wie Hirntumor schützen sollten, überschreiten.

Denn bei den Kontrollmessungen der Strahlung wird ein Abstand von 5 Millimetern vom Körper eingerechnet. Dies entspreche jedoch nicht der Nutzungsrealität, da viele Menschen die Geräte auf dem Körper tragen. Deswegen, so verlangt die NGO, sollten die Kontrollmessungen keinen Körperabstand einschliessen.

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

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