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Abgaben auf CO2 oder nicht erneuerbare Energien sollen die Energiewende vorantreiben © Glasseyes view/Flickr/cc

Energiekonsum umlenken – aber wie?

Hanspeter Guggenbühl /  Lenkungsabgaben auf Energie oder CO2 – zur Debatte stehen drei Modelle: das Untaugliche, das Rückschrittliche und das Biegsame.

Über die Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer», welche die Grünliberale Partei (GLP) einreichte, debattierte der Nationalrat gestern Dienstag derart lange, dass ihm die Zeit fehlte, darüber abzustimmen. Doch der Beschluss ist absehbar: Der Nationalrat wird voraussichtlich am Donnerstag die GLP-Initiative zur Ablehnung empfehlen und den linksgrünen Gegenvorschlag versenken. Das Gleiche beschloss im Juni bereits der Ständerat.
Trotzdem bleibt das Thema Lenkungsabgabe auf dem Tisch. Denn mit Ausnahme der SVP, die alle Vorschläge ablehnt, befürworten «grundsätzlich» alle Parteien die Einführung von Lenkungsabgaben, um den Energiekonsum zu drosseln und den Umstieg auf erneuerbare Energie zu fördern. Zuletzt entscheidet das Volk darüber. Zur Debatte stehen zurzeit drei Modelle, die wir hier beschreiben und bewerten:

1. Die GLP-Initiative: Untauglich

Inhalt: Die GLP-Initiative verlangt den Ersatz der Mehrwertsteuer (MWSt) durch eine Steuer auf nicht erneuerbarer Energie. Ihr Ertrag soll den Ausfall der MWSt vollständig ersetzen. Damit müsste der Staat Öl, Gas, Kohle und Atomkraft mit total 22 Milliarden Franken pro Jahr belasten. Beim heutigen Energiekonsum würde eine Kilowattstunde (kWh) Strom um mehr als 30 Rappen, ein Liter Benzin um drei Franken verteuert, rechnet der Bundesrat. Und falls die Energiesteuer den Verbrauch wie erwünscht senkt, stiege die Belastung weiter. Die letzte konsumierte kWh nicht erneuerbare Energie könnte sich damit theoretisch auf 22 Milliarden Franken verteuern. Trotzdem will die GLP ihre Initiative nur dann zurückziehen, wenn das Parlament einen Gegenvorschlag dazu beschliesst (was nach dem Ständerat auch der Nationalrat kaum tun wird).
Bewertung: Die GLP-Initiative, so zeigt obige Rechnung, ist untauglich und in der Abstimmung chancenlos, weil sie das Lenkungsziel der Energiesteuer vollständig mit dem Finanzierungsziel der Mehrwertsteuer verknüpft. Schon eine teilweise Verknüpfung, also zum Beispiel eine Energieabgabe, die durch eine Senkung einer andern Steuer kompensiert wird, ist ökonomisch und politisch umstritten. Das zeigte sich vor zwölf Jahren, als das Schweizer Volk die grüne Initiative «Energie statt Arbeit besteuern» an der Urne wuchtig ablehnte. Ökonomen bevorzugen darum Modelle von Lenkungsabgaben ohne Erhöhung der Staatsquote, deren Ertrag vollständig an Produzenten und Konsumenten zurück verteilt wird.
2. Die FDP-Initiative: Ein Rückschritt
Inhalt: Die Freisinnig-Liberale Fraktion reichte im Juni eine Parlamentarische Initiative «für eine umwelt- und klimafreundliche Energieversorgung» ein. Sie verlangt per Verfassung ab 2020 eine CO2-Abgabe auf Brennstoffen und Importstrom, sofern dieser aus «CO2-intensiver Produktion» stammt. Ausnahmen gelten nicht nur für energieintensive Unternehmen, sondern auch für Unternehmen und Privatpersonen, die Zielvereinbarungen zur Senkung ihres CO2-Ausstosses abschliessen. Mit der Einführung dieser Lenkungsabgabe muss der Bund Förderabgaben für Gebäudesanierungen und die Finanzierung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) sofort aufheben.
Bewertung: Die FDP, so zeigen ihre Parteiprogramme, ist im Prinzip seit 30 Jahren für Lenkungsabgaben. Bei konkreten Vorlagen stimmte sie in den letzten 20 Jahren aber stets dagegen. Umweltpolitisch bringt ihre aktuelle Initiative, wenn man von der CO2-Abgabe auf Importstrom absieht, keinen Fortschritt. Denn eine CO2-Abgabe auf Brennstoffen hat die Schweiz auf Gesetzesstufe bereits eingeführt. Einer höheren Abgabe auf Verfassungsstufe wird die FDP kaum zustimmen, nachdem sie die Erhöhung der bestehenden Abgabe stets bekämpfte. Die Aufhebung der Förderabgaben für Gebäudesanierungen und Ökostrom ist ordnungspolitisch zwar richtig, stellt umweltpolitisch aber einen Rückschritt dar.
3. Die Absicht des Bundesrats: Biegsam
Inhalt: Um seine Energiestrategie 2050 umzusetzen, will der Bundesrat mittelfristig ebenfalls eine Energie-Lenkungsabgabe einführen. Sie soll ab 2021 die heutigen Förderabgaben schrittweise ersetzen. Der Abgabe-Ertrag soll – analog zur bestehenden CO2-Abgabe – an Wirtschaft und Bevölkerung zurückerstattet werden. Diese Vorlage erfordert eine Verfassungsänderung. Die Federführung dazu liegt bei Finanzministerin Eveline Widmer Schlumpf. Inhaltlich dürfte ihr Verfassungstext ähnlich ausfallen wie der Gegenvorschlag zur GLP-Initiative, den die rotgrüne Minderheit beantragt, und die der Nationalrat analog zum Ständerat am Donnerstag wohl ablehnen wird.
Bewertung: Die vom Bundesrat beabsichtigte Abgabe erfüllt die wichtigsten Grundsätze, die Ökonomen und Parlamentsmitglieder von der FDP bis zu den Grünen an Lenkungsabgaben stellen. Doch die Wirkung der noch unbekannten Vorlage lässt sich nach oben oder unten biegen. Wie stark sie den Energiekonsum umlenkt, hängt von drei Unbekannten ab: Der Höhe der Abgabe. Der Frage, welche Energieträger davon erfasst werden. Dem Zeitplan zur Einführung.
Erst die konkrete Lösung wird zeigen, wie viel das grundsätzliche Ja zu Lenkungsabgaben wert ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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