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Offroader erhalten Bonus zur Umweltverschmutzung © Podknox/Flickr

Bund gibt ausgerechnet Offroadern einen CO2-Bonus

Hanspeter Guggenbühl /  Schwere Offroader dürfen weiterhin mehr Sprit verbrauchen als Kleinwagen. So will es eine Verordnung zum CO2-Ausstoss von Neuwagen.

Die CO2-Emissionen von neuen Personenwagen «sind bis Ende 2015 auf durchschnittlich 130 Gramm CO2/km zu vermindern». So steht es als «Grundsatz» im revidierten CO2-Gesetz, welches das Parlament im März beschlossen hat. 130 Gramm CO2 entsprechen dem Verbrauch von 5,5 Liter Benzin oder 5,0 Liter Diesel pro hundert Kilometer.

Doch von diesem Durchschnittswert dürfen die Auto-Hersteller stark abweichen, je nach Gewicht der Fahrzeuge. Das zeigt jetzt die Ausführungsverordnung, die das Bundesamt für Energie (BFE) anfang dieser Woche zur Anhörung vorlegte. Das Wichtigste steht im Kleingedruckten des Anhangs, der mathematische Formeln zur «Berechnung der Zielvorgabe» enthält.

Bonus für grosse Autos

Aus diesen Formeln (Leseprobe: 130 + a x (Leergewicht – Mt-2) g CO2/km) lässt sich der zulässige CO2-Ausstoss für die einzelnen Gewichtskategorien ausrechnen und feststellen: Grosse Autos erhalten einen CO2-Bonus, Kleinwagen einen Malus. Konkret: Wer mit einem schweren Offroader von A nach B oder seine Kinder in die Schule fährt, darf die Umwelt weiterhin stärker belasten als jene, die das mit einem Kleinwagen tun. Das illustrieren folgende zwei Beispiele:

– Grosse Autos mit einem Leergewicht von 2,2 Tonnen dürfen ab 2015 noch 162 Gramm CO2/km ausstossen, ohne CO2-Bussen zahlen zu müssen. Das entspricht einem Spritverbrauch von 6,8 Liter, also einem Viertel mehr als der eingangs erwähnte Durchschnittswert. Zur Gewichtskategorie von 2,2 (oder mehr) Tonnen gehören unter anderem vornehme Limousinen von Mercedes bis Lexus oder Geländewagen von Toyota bis Nissan.

– Für kleine Autos mit einem Gewicht von 1,0 bis 1,2 Tonnen gilt ein CO2-Zielwert von 108 bis 116 Gramm CO2/km oder ein Spritverbrauch von 4,5 bis 5 Liter/100 km. In diese Kategorie fallen Kleinwagen vom Smart über Fiat bis zum VW Polo.

EU-konformer «Lastenausgleich»

Bei dieser Differenzierung der CO2- Zielwerte gehe es «um einen Lastenausgleich zwischen Herstellern respektive Importeuren von grossen und von kleinen Fahrzeugen», begründet auf Anfrage BFE-Sektionschef Thomas Volken. Denn grosse Fahrzeuge verbrennen in der Regel mehr Sprit als kleine, weil sie mehr Verpackung transportieren müssen.
Die Berechnung der Zielwerte in der Verordnung, so betont Volken, entspreche den EU-Vorschriften und stütze sich auf Artikel 11 e des revidierten CO2-Gesetzes. Darin steht: «Der Bundesrat legt die Berechnungsgrundlagen für die Zielvorgabe fest und berücksichtigt dabei insbesondere: a) die Eigenschaften der Personenwagenflotte der Importeure oder Hersteller wie Gewicht, Standfläche oder Ökoinnovationen; b) die Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft.»

Tatsächlich sehen auch die Vorschriften der EU nach Gewicht differenzierte CO2-Zielwerte vor. Denn ohne diese Differenzierung hätten sich vor allem die Deutschen, die überdurchschnittlich grosse Autos produzieren und damit Mühe gehabt hätten, den CO2-Ausstoss ihrer Karossen genügend zu senken, den neuen EU-Vorschriften widersetzt. Rechtlich lässt sich damit die Schweizer Ausführungs-Verordnung kaum anfechten.

Weiter erhält die Verordnung – ebenfalls analog zur EU – Ausnahmeregelungen für Klein- und Nischenhersteller. So können Hersteller von wenig verbreiten Autos (zum Beispiel Ferrari oder Aston Martin) EU-Zielwerte aushandeln, die über den Zielwerten der Verordnung liegen.

Hats keiner gemerkt?

Politisch war das Bonus-Malus-System für Gross- und Kleinautos in der Schweiz bisher kein Thema, weil es – ausserhalb eines kleinen Kreises von Fachleuten, Autolobbyisten und zuständigen Beamten – offensichtlich unerkannt blieb. So genehmigte das Parlament den betreffenden Artikel 11 e im revidierten CO2-Gesetz diskussionslos. «Die Politiker haben diese Regelung nicht begriffen», mutmasst dazu ein Vertreter der Automobilwirtschaft.
Das Gleiche gilt offenbar für die Jungen Grünen: Obwohl sie mit ihrer provisorisch zurückgezogenen «Anti-Offroader-Initiative» schwere Spritsäufer ganz verbieten wollten, haben sie gegen den CO2-Bonus für grosse Autos bisher nicht protestiert (ihr Protest betraf bisher lediglich die relativ unbedeutende Fristverzögerung der Verordnung). Darauf angesprochen erklärte am Dienstag die Junge Grüne und Nationalratskandidatin Aline Trede: «Wir müssen die Verordnung jetzt einmal genau anschauen.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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