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Der erste K-Tipp vom 15. Mai 1991 © zz

20 Jahre K-Tipp: Eine einmalige Erfolgsgeschichte

upg /  Am 15. Mai 1991 erschien der erste K-Tipp mit «Informationen zur Fernsehsendung Kassensturz». Heute hat er ein Millionenpublikum.

Die Konsumentenzeitschrift K-Tipp ist die grösste abonnierte Zeitung der Schweiz. Das Schwester-Magazin «Bon à Savoir» ist die grösste abonnierte Zeitschrift der Westschweiz. Zum gleichen Verlag gehören die Magazine Gesundheits-Tipp, K-Geld, Haus&Garten und das inseratenfreie Saldo. Eine ganze Reihe von populären Ratgeberbüchern runden das Angebot ab.
Zuerst als Kassensturz-Leiter und später als Mit-Herausgeber habe ich mich für dieses Projekt während etlicher Jahre persönlich engagiert.

Eine Zangengeburt

Der Anfang der Erfolgsgeschichte war harzig. Die Zuschauerinnen und Zuschauer des Kassensturz bestellten immer mehr «Merkblätter» mit ausführlichen Testresultaten oder Hintergrundinformationen und Adressen zu Kassensturz-Beiträgen. Bis zu 25’000 Exemplare pro Sendung mussten einzeln in Couverts gesteckt werden und erreichten die Besteller mit zwei oder drei Wochen Verspätung.
Als damaliger Leiter des Kassensturz war ich neidisch auf eine populäre Fernsehsendung in Holland, die solche und noch viel mehr Informationen als abonnierte Begleitzeitschrift zur Sendung anbot. Ich war überzeugt, dass die multimediale Kombination von Fernsehen und Print Zukunft haben kann. Das Internet gab es noch nicht.
Im März 1988 hatte ich dem damaligen «Fernsehen DRS» vorgeschlagen, Tipps zum Kassensturz im Abonnement anzubieten und beantragte dafür 1,5 Stellen sowie ein Investitionsbudget von 40’000 Franken für das DeskTopPublishing.
Es vergingen Monate, bis Fernsehdirekter Peter Schellenberg im Herbst 1988 entschied, dass die SRG nicht selber eine abonnierbare Zeitschrift herausgeben könne. Der Hintergrund: Die SRG wollte nicht ins Print-Geschäft einsteigen, um den Zeitungsverlegern keinen Vorwand zu bieten, der SRG mit einem Privatfernsehen Konkurrenz zu machen.

Einen externen Verleger suchen

Schellenberg fand die Idee einer Begleitzeitschrift zum Kassensturz jedoch gut. Denn eine solche würde die Zuschauerbindung erhöhen. Der Fernsehdirektor riet mir, einen externen Verleger zu suchen. Doch das war schneller gesagt als getan. Verständlicherweise wollte das Fernsehen ein Vetorecht für sämtliche Inhalte, weil das Image des Kassensturz auf dem Spiel stand. Zudem sollte die zusätzliche Schreibarbeit von Kassensturz-Redaktoren nicht auf Kosten der TV-Sendung gehen. Deshalb war eine Entschädigung ans Fernsehen vorgesehen, so dass beim Kassensturz eine zusätzliche Stelle finanziert werden konnte.
Die schwierigste Hürde für einen externen Verleger war das Gewinnverbot. Das Fernsehen war damals – anders als heute – nicht bereit, mit einer gewinnorientierten Zeitschrift zusammen zu arbeiten. Die Leistungen sollen marktgerecht entschädigt, jedoch keine Gewinne ausgeschüttet werden.
So kontaktierten Hans Räz und ich als damalige Kassensturz-Leiter vorerst Druckereibetriebe und Verlage mit einer eigenen Druckerei. Es lockte schliesslich im Erfolgsfall ein grösserer Druckauftrag. Doch zwei der angegangenen Druckereien und Verlage antworteten negativ, die andern reagierten überhaupt nicht. Offensichtlich glaubten sie nicht an einen grossen Erfolg einer Begleitzeitschrift zum Kassensturz. Viel Zeit war verloren.

Glücksfall René Schuhmacher

Ende 1990 hatten Hans Räz und ich die Idee, den Rechtsanwalt René Schuhmacher anzufragen. Er war ein Spezialist in Konsumentenfragen und hatte mit der Herausgabe der Juristenzeitschrift «Plädoyer» bereits verlegerische Erfahrung. Schuhmacher war von der Idee sofort begeistert und bereit, die restriktiven Vertragsbedingungen mit dem Fernsehen einzugehen.
Das finanzielle Risiko wollte er jedoch nicht allein tragen. Denn der Erfolg hing nicht nur von ihm, sondern wesentlich auch vom Beitrag der Kassensturz-Redaktion ab. Je länger sich Hans Räz und ich mit dem Projekt beschäftigten, umso mehr waren wir vom Erfolg überzeugt. Deshalb investierten wir zusammen mit Schuhmacher je 20’000 Franken für die Lancierungskosten. Insgesamt war also der Betrag zusammen, den ich als Investitionsbudget dem Fernsehen vorgeschlagen hatte.

Fulminanter Start

Die Lancierung des K-Tipp am 15. Mai 1991 verlief fulminant. «TV-Première: Kassensturz gibt eigene Zeitung heraus» titelte die Sonntags-Zeitung auf dem Plakat-Aushang. Das Abonnement für 20 Franken war ein Renner. Viel Nachtarbeit war angesagt. Mit den voraus bezahlten Abo-Einnahmen konnte der K-Tipp bald die Seitenzahl erhöhen, eigene redaktionelle Leistungen bieten sowie die Aufmachung ständig optimieren. René Schuhmacher leistete eine herausragende Arbeit. Der K-Tipp wurde grösser und grösser, ohne je einen Bankkredit aufzunehmen. Die Unahbängigkeit war garantiert.
Der Erfolg beflügelte: Mit dem Engagement des damaligen Leiters der TV-Sendung Puls, Steffen Lukesch, erschien bald das Begleitmagazin «Puls-Tipp» (heute «Gesundheits-Tipp»). Die Investitionskosten trug der K-Tipp. Und die neuen Ratgeberbuchreihen «K-Dossier» und «Puls-Dossier» stiessen auf grossen Anklang.
Nur sieben Jahre nach dem Start überholte der K-Tipp 1998 den Beobachter und die Schweizer Illustrierte und wurde zur grössten abonnierten Zeitung der Schweiz. Seit 1999 bis heute kann der K-Tipp stolz sein auf eine Leserschaft von über einer Million.

Ringiers Nachahmung

Die Schweizer Grossverlage nahmen den Erfolg des K-Tipp lange Zeit kaum zur Kenntnis. Im wichtigen Inseratenmarkt ist der K-Tipp ein Nischenprodukt geblieben, obwohl ein Inserat im K-Tipp mehr auffällt als in der Inseratenflut anderer Magazine.
Ringier reagierte zuerst und wollte den Medienverbund Fernsehen-Zeitung als Erfolgsrezept kopieren. Zur Ringier-Sendung «Sprechstunde Gesundheit» lancierte der Grossverlag eine gleichnamige Zeitschrift. Beide, sowohl die TV-Sendung unter Samuel Stutz als auch die Zeitschrift, prostituierten sich mit der Medizin- und Spitallobby und verspielten ihre Glaubwürdigkeit. Mehrmals hat die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Kommunikation, die «Sprechstunde Gesundheit» wegen verbotenen und nicht deklarierten Werbeauftritten gerügt und gebüsst. Trotz grosser Investitionen und trotz der Werbung in der TV-Sendung konnte sich die Zeitschrift am Markt nicht halten. Ringier hat sie Mitte 2009 eingestellt.

Erfolg auch ohne Fernsehen

Zum Erfolg des K-Tipps hat die beliebte Sendung Kassensturz wesentlich beigetragen. Bald bereuten das Schweizer Fernsehen und die SRG, den K-Tipp nicht selber herausgegeben zu haben. Jetzt wollten sie sich wenigstens an den Einnahmen beteiligten und liessen sich die Hinweise auf den K-Tipp im Kassensturz jahrelang mit rund einer halben Million Franken geldwerter Leistungen pro Jahr abgelten.
Der Erfolg des K-Tipp war jedoch nicht allein und vielleicht nicht einmal vor allem dem Fernsehen zu verdanken. Das Westschweizer Pendant zum K-Tipp, die Konsumentenzeitschrift «Bon à Savoir», entwickelte sich fast noch schneller als der K-Tipp zur grössten abonnierten Zeitung der französischen Schweiz und überholte auch die vorherige Spitzenreiterin «Illustré». Es gab dort keine Zusammenarbeit mit dem Fernsehen und die Mitglieder der Redaktion hatten den Bekanntheitsgrad Null. Wie der K-Tipp vertritt «Bon à Savoir» die Interessen der Konsumentinnne und Konsumenten ohne jegliche Rücksichten. Die hohe Glaubwürdigkeit und der hohe Nutzwert haben zur Folge, dass diese Zeitschriften über ausgesprochen treue Abonnentinnen und Abonnenten verfügen. Der günstigste Abonnent ist bei allen Zeitungen immer noch der, der nicht verloren geht.

Trennung und Konsolidierung

Nachdem Hans Räz und ich 1996 das Schweizer Fernsehen verlassen hatten, brachten wir unsere TV-Produktionsgesellschaft «Räz&Gasche GmbH» in die Verlagsgruppe des K-Tipp ein und beteiligten uns zu gleichen Teilen an einer Kapitalerhöhung der Herausgeberin «KI Konsumenteninfo AG». Nach einigen produktiven Jahren kam es im Trio mit René Schuhmacher zu wesentlichen Meinungsunterschieden über die Führung des Unternehmens. In der Folge verkauften Hans Räz und ich unsere Anteile an René Schuhmacher, so dass Schuhmacher das weiterhin nicht gewinnorientierte Unternehmen weiter führen und konsolidieren konnte.
Unterdessen haben sich K-Tipp und Kassensturz getrennt. Das Magazin Puls-Tipp musste den Namen auf Betreiben des Fernsehens in «Gesundheits-Tipp» ändern. Die TV-Sendung Puls arbeitet heute mit der Zeitschrift «Schweizer Familie» zusammen.
K-Tipp und Gesundheits-Tipp gehören weiterhin zu den wenigen unabhängigen und glaubwürdigen Zeitungen, die einen echten «Service au Public» bieten und versuchen, sich von Konzernen und Lobbys nicht vereinnahmen zu lassen. Diese Seelenverwandtschaft verbindet sie mit unserer neuen Plattform Infosperber.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Mitgründer und langjähriger Mitherausgeber und Redaktionsleiter des K-Tipp.

Zum Infosperber-Dossier:

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Medien unter Druck

Wer Zeitungen und Fernsehen kontrolliert und besitzt, hat Einfluss und Macht.

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