Kommentar

Donald Trumps strategische Pläne

Rudolf Strahm © zVg

Rudolf Strahm /  Erst wollten die USA die neoliberale Hyperglobalisierung um jeden Preis – dann wurden sie selbst Opfer der Freihandelsdoktrin.

Dies ist ein Gastbeitrag von Rudolf Strahm, ehemaliger Preisüberwacher und SP-Nationalrat. Sein Artikel erschien zuerst im «Direkt-Magazin». Infosperber veröffentlicht eine leicht redigierte Fassung in mehreren Teilen.

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Verwirrte Journalistinnen und Journalisten sowie verärgerte Politikerinnen und Politiker brandmarken Trumps «Strafzölle» als populistische Wirrnis oder als Deal-Chaos im Hirn des US-Präsidenten. Das ist zu einfach, selbsttäuschend und irreführend.

Donald Trump und seine Inspiratoren der «Heritage-Foundation» haben eine klare, zielgerichtete Agenda. Mit dem populistischen Slogan «Make America great again» der daraus resultierenden Maga-Bewegung will Trump das notorisch hohe und wachsende Handelsbilanz-Defizit korrigieren, das 2024 über 1200 Milliarden Dollar überschritten hatte. Das heisst, die USA importierten pro Tag für über 3 Milliarden Dollar mehr Güter, als sie exportierten. Mit China allein lag das Handelsbilanzdefizit täglich bei nahezu einer Milliarde DollarDer viel zitierte Überschuss in der US-Dienstleistungsbilanz (durch Exporte der Tech-Konzerne, Software-Handel, Online-Werbeerträge) ist nur ein Bruchteil davon. Gegenüber der Schweiz war der US-amerikanische Export-Überschuss an Dienstleistungen mit 30 Milliarden Dollar allerdings relativ hoch (zum Vergleich: 38 Milliarden US-amerikanisches «unvergoldetes» Warenhandels-Defizit gegenüber der Schweiz 2024).

Die USA importieren seit langem aus aller Welt auf Pump nach dem Motto «Kaufe heute –zahle später». Diese Importe werden mit Krediten und Dollaranlagen aus dem Ausland finanziert, hauptsächlich mit Treasury-Bills (Staatsobligationen in Dollar) und mit Aktienkäufen. Die wachsende Auslandverschuldung droht die USA seit Jahren zu schwächen. Der Dollar hat sich, zum Ärger der Wall Street, erneut abgewertet, und die Rating-Agenturen haben die Bonität der Staatsschulden (US-Treasury-Bills) herabgestuft. Die strategische Agenda von Trump besteht darin, die Importe durch hohe Importzölle zu bremsen und die Produktion aus dem Ausland in die USA zurückzuverlegen. So sollen die Auslandverschuldung begrenzt und die Staatskasse zusätzlich finanziert werden.

Auslandsverschuldung der USA

Abschottung mit Strafzöllen als Symptom des Niedergangs

Die vulgärökonomische Strategie Trumps mag für gewisse Kreise der amerikanischen Bevölkerung verständlich sein: Man muss nur die Zölle hochfahren und die einheimischen Arbeitsplätze schützen! Zum Vergleich: Als in den 1990er-Jahren bei uns nacheinander die schweizerischen Eisen- und Stahlwerke in der Klus, in Gerlafingen, Choindez und Rondez wegen billiger Eisenimporte defizitär wurden und nach und nach geschlossen werden mussten, fragten viele Verantwortliche der Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen (Smuv) und Angestellte: «Warum erhöht unser Bundesrat nicht einfach die Importzölle von Eisen und Stahl aus Lothringen und Russland? Warum schützt uns der Bundesrat nicht?»

Die Strategie der Abschottung mit «Strafzöllen» ist indes ein untrügliches Zeichen des wirtschaftlichen Niedergangs der USA. Die US-Industrie ist nicht mehr konkurrenzfähig. Wer kauft noch US-amerikanische Autos oder Haushaltgeräte mit zwei, drei Jahren Nutzungsdauer?

Niedergang der amerikanischen Industrie

WTO-Politik und Freihandelsdogma wurden zum Bumerang

Die schweizerisch-amerikanische Expertin Claudia Franziska Brühwiler von der Universität St. Gallen erklärt zu Trumps wirtschaftlichem Kompass: «Viele von Trumps Beratern und den Leuten aus seiner Administration gehören der Denkrichtung des sogenannten neuen Konservatismus an. Wirtschaftliche Effizienz, Konsum und Wirtschaftswachstum stehen für sie nicht an erster Stelle (…) Im Mittelpunkt steht der arbeitende Bürger, der sich und seiner Familie ein gutes Leben bieten können soll, und nicht der Konsument.» («NZZ» vom 18. August 2025)

Die globale Freihandelsordnung des allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) und ab 1995 der World-Trade-Organization (WTO), die ausgerechnet von der US-Regierung Clinton angeregt und durchgedrückt worden war, namentlich auch die Aufnahme Chinas in die WTO ab 2001, haben zum industriellen Niedergang der USA geführt. Die Industriezölle wurden durch das Gatt laufend gesenkt und mit dem Meistbegünstigungsprinzip weltweit durchgesetzt. Mit der WTO kamen Durchsetzungssanktionen hinzu.

Die USA kauften mit zunehmender neoliberaler Hyperglobalisierung (die sie selber inspiriert und durchgepaukt hatten) vermehrt und billiger in Japan, Südkorea, danach in China ein. Innert zwei Jahrzehnten sind in den USA nacheinander die Verhüttungs-, Stahl-, Maschinen- und die Autoindustrie wegen billigerer Importe buchstäblich zu Industriewüsten geschreddert worden. Millionen von Angestellte in der Industrie- und Auto-Produktion wurden innert Kürze ins Prekariat abgedrängt und erlitten einen sozialen Abstieg in nie da gewesenem Ausmass. Dieser industrielle Strukturwandel verlief ohne soziale Absicherung, mit nur kurzem Arbeitslosengeld, ohne Umschulungsbeihilfen und ohne Strukturpolitik.

Die amerikanische Industrie (mit Ausnahme der geschützten Rüstungsindustrie) wurde von asiatischen Importen regelrecht zerstört. Die ehemals reichsten industriellen Bundesstaaten wie Pennsylvania, Ohio, Indiana, Michigan, Wisconsin wurden zum «Rust-Belt» (Rostgürtel) und letztlich zu Swing-States zugunsten von Trump verwandelt.

WTO Genf
Die Welthandelsorganisation WTO räumte dem Freihandel stets die erste Priorität ein. Arbeits- oder Naturschutz stufte sie als nachrangig ein.

Zerstörung der US-Industrie durch Freihandel – der Rust Belt

Es wäre ein eigenes Kapitel wert, den Einfluss der WTO-Freihandelsdoktrin in dieser Industriezerstörung zu analysieren. Die WTO war sozial und ökologisch blind. Bei Handelskonflikten hat sie immer den Freihandel priorisiert – vor den Arbeitsschutz-Konventionen der International Labour-Organisation (Ilo) (zum Beispiel Verbot von Kinderarbeit, Verbot von Diskriminierung) und vor allen ökologischen Abkommen (beispielsweise Tropenholzschutz, Delphin-Schutz). Widerspenstige Länder wurden mit Strafpanels und Sanktionen abgestraft. Diese sogenannte «regelbasierte Freihandelsordnung» der WTO ist heute am Boden. Die neoliberale Hyperglobalisierung hatte ihre Erfinder demontiert!

Trumps Zerstörung der WTO-Regeln und seine aussenpolitische Agenda ist der (vermutlich erfolglose) Versuch, die Industrie in den USA wieder aufzubauen, die Importe durch einheimische Produktion zu ersetzen und die Zahlungsbilanz auszugleichen. In die gleiche national-neokonservative Strategie gehört auch der geopolitische Plan, die heute sage und schreibe 750 US-Militärstützpunkte in 80 Ländern abzubauen – oder von anderen Ländern bezahlen zu lassen.

Diese Massnahmen zur Verhinderung des Handelsbilanzdefizits sind vermutlich nicht völlig wirkungslos. Aber die «Kollateralschäden» der Trumpschen Zollpolitik werden diese zum Scheitern bringen: Inflationseffekte im Inland, Fachkräftemangel bei der Reindustrialisierung, Umgehungshandel, Wirtschaftsrezession.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Rudolf Strahm war SP-Nationalrat und eidgenössischer Preisüberwacher sowie sieben Jahre SP-Zentralsekretär.
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Eine Meinung zu

  • am 6.09.2025 um 19:29 Uhr
    Permalink

    Deutscher Bundestag Antwort der Bundesregierung Drucksache 17/8935 07. 03. 2012: «Mit dem Glass-Steagall Act ist Anfang der 30er-Jahre das Trennbankensystem durch zwei Bundesgesetze eingeführt worden. Insbesondere das zweite Gesetz, der Banking Act of 1933, etablierte die institutionellen Trennung zwischen dem Einlagen- und Kreditgeschäft und dem Wertpapiergeschäft….Das zweite Glass-Steagall-Gesetz wurde mehrfach modifiziert und schließlich im Jahr 1999 unter Präsident Bill Clinton-insgesamt aufgehoben..»

    1999 hat es der damalige Präsident Clinton den Investmentbanken ermöglicht die Geschäftsbanken zu beherrschen. Die US-Industrie wurde verzockt. Die Kohle wird aufgesaugt von Zockern. Dem Staat fehlt die Kohle. Geldpumpen ist angesagt, das bringt Gewinne für die Banken etc. Donald Trump hat keinen Handlungsspielraum, sonst würde er das Kartenhaus gefährden.
    Wer ist Schuld an der US-Misere: Die WTO-Politik oder das Zocken der Investmentbanker.
    Gunther Kropp, Basel

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