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«TX (Tamedia) hat von der Westschweiz keine blasse Ahnung»

Red. /  Nach den Kündigungen bei «20minutes»: Peter Rothenbühler wirft Tamedia vor, ihre Westschweizer Printmedien zu vernachlässigen.

upg. Die «TX-Group» (Tamedia) kündigte an, 28 Stellen bei der Westschweizer Redaktion der Gratiszeitung «20minutes» zu streichen. Die Umsatzzahlen seien gesunken.

«Skandal» oder «gute Nachricht»?

Für Edgar Bloch, Präsident des Journalistenverbands Impressum ist diese Massenkündigung «ein Skandal». Anders sieht es Peter Rothenbühler, früher Chefredaktor der Westschweizer Zeitung «Le Matin». Es sei «eine gute Nachricht, dass es dieser Gratiszeitung, die Tamedia in der Romandie lancierte, nicht so gut geht». Denn diese Gratiszeitung habe den traditionellen Regionalzeitungen sehr geschadet: «Falls die gedruckte Ausgabe von ‹20minutes› verschwindet, wird das den bezahlten Regionalzeitungen helfen.». Sein Interview im welschen Fernsehen hier.

Auf das Argument, dass die Werbeeinnahmen zu Google und Facebook abwandern und nicht zu den Regionalzeitungen, meinte Rothenbühler: «Tamedia erzählt Märchen.» Die «TX-Group» erziele enorme Profite mit ihren Online-Kleinanzeigen-Portalen im Auto-, Immobilien- und Stellenmarkt, «nur verwenden sie diese Profite nicht für ihre gedruckten Zeitungen». Früher hatten diese gedruckten Kleinanzeigen den Journalismus finanziert. 

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Peter Rothenbühler, früher Chefredaktor der Westschweizer Zeitung «Le Matin»

Heute würde sich Tamedia nicht mehr um die Qualität ihrer Zeitungen kümmern. Für ihre Printmedien würde sie auch keine Werbung mehr machen: «In den letzten Jahren sah man kaum je Werbung für ‹24Heures› oder die ‹Tribune de Genève›». Das grosse Geld würden die Verlage mit diesen Online-Kleinanzeigen machen und es nicht in gedruckte Zeitungen investieren. 

Auf die Frage, ob für die Zürcher «TX-Group» die Westschweiz eine «quantité négligeable» sei, erklärte Rothenbühler: «Anfangs begrüssten wir es, dass die «TX-Group» in der Westschweiz investiert. Aber wir merkten bald, dass sie die Westschweiz nicht kennen und sie an der Westschweiz gar nicht interessiert sind. Einige glaubten sogar, ‹24Heures› sei eine Boulevard-Zeitung, weil sie mit einem roten Titel erscheint.» Die «TX-Group» habe den früheren Verlag «Edipresse» umgepflügt, aber von der Westschweiz hätten sie keine blasse Ahnung gehabt: «Ihre Investition war rein spekulativ. Sie wollten dank ‹20minutes› ihre Inserate schweizweit platzieren und verkaufen können.» Am Anfang habe das auch funktioniert.

Es bleibe der «TX-Group» die Zeitung «24Heures», die eine gute Zeitung mit ausgewiesenen Journalistinnen und Journalisten sei. Doch die Sonntagszeitung «Le Matin dimanche» sei abgespeckt worden und man finde dort kaum noch guten Journalismus. Man brauche «Le Matin dimanche» nicht mehr zu lesen, um am Montag im Café zu hören: «Hast Du das gestern im ‹Le Matin dimanche› gelesen?». Der Grund: Die «TX-Group» investiere nicht mehr in diese Zeitung, obwohl sie es behauptete. Das stelle er seit zehn Jahren fest.


Der «TX-Group» (Tamedia)-Finanzchef in der Westschweizer Satire-Sendung «120 secondes»:


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2 Meinungen

  • am 30.10.2023 um 15:59 Uhr
    Permalink

    Die Misere betrifft nicht nur die Westschweiz. Auch in der Deutschschweiz unterlässt es die TX-Group, einen Teil der Einkünfte aus Kleinanzeigen (Auto, Immobilien, Stellen) an den Tages-Anzeiger und andere Medien weiterzuleiten. So schrumpfen die Redaktionsbudgets immer mehr.

  • am 31.10.2023 um 08:45 Uhr
    Permalink

    Die grundsätzliche Frage für mich ist, inwiefern ist es legitim und rechtens, dass eine Unternehmung einen grossen Teil der Pressepublikationen kontrolliert und dann unter verschiedenen ‹Brands› in diesen Publikationen 80 % dieselben Nachrichten publiziert. Das sind de facto nicht mehr verschiedene Publikationen, sondern nur noch eine Publikation mit einem kleinen Anteil an lokalem Content für Zürich, Basel, Bern, Luzern, Lausanne, Genf.
    Interessanterweise, sieht offenbar auch die Wettbewerbskommission in solcher Gleichschaltung und Marktdominanz kein Problem.

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