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Kurt Imhof im Kreuzverhör beim «Prozess» gegen die «Weltwoche» im Theater am Neumarkt © TV

Ein radikaler Mensch

Robert Ruoff /  Kurt Imhof bleibt nicht nur mit seinem medienpolitischen Werk in Erinnerung, sondern auch mit seinem Interesse für die Menschen.

Die protestantische Kirche von Meilen war voll bei der Feier zum Abschied von Kurt Imhof. Kollegen, Mitarbeiter, Freunde hatten sich um die Familie versammelt, um sich gemeinsam zu erinnern an einen Menschen, der ein Leben voller Engagement für die Publizistik, die öffentliche Debatte, die Demokratie und die freiheitliche Gesellschaft der Schweiz geführt hat. Und der bei aller Debattierlust immer grossen Humor und menschliche Wärme ausgestrahlt hat.

Viele haben schon fast alles gesagt über den Soziologen und Historiker. Im Kern stand immer sein Einsatz für das grosse Ganze. Er hat Soziologie nicht als Wissenschaft im Elfenbeinturm betrieben, sondern als Engagement für die legitimen Bedürfnisse der Menschen in der Gesellschaft. Er hat Medienkritik nicht als Selbstzweck betrieben, sondern wegen ihrer ursprünglichen Aufgabe für Öffentlichkeit und Gesellschaft, für Aufklärung als Befreiung der Menschen aus einer selbst verschuldeten Unmündigkeit.

Kurt Imhof war ein radikaler Denker, im ursprünglichen Sinn des Wortes. Er hat, auch als Historiker, nach der «Radix» gesucht, wie die Lateiner sagten, nach den Wurzeln der Dinge und der Menschen. Und er hat das getan mit dem ihm eigenen Sinn für die Ironie der Geschichte.

Roger de Weck, mit Kurt Imhof einer der Gründer des «Club Helvétique», hat bei der Abdankung daran erinnert, dass Kurt Imhof bei der Entstehung des Clubs den Zweckartikel dieser radikal-freiheitlichen Vereinigung eingebracht hat. Er lautet:

«Der Club Helvétique (CH) bezweckt die Pflege des eidgenössischen Staatsgedankens und die demokratische, fortschrittliche Entwicklung der Institutionen des Bundes.
Er nimmt Stellung gegen alle Bestrebungen, liberale und soziale Grundlagen unserer Willensnation zu zerstören.
Er tritt für eine Schweiz ein, die gemeinschaftliche Sorgfalt pflegt.
Er kämpft für Freiheit: für eine offene Gesellschaft, die ihre Vielfalt schätzt, und ein offenes Land, das Verfolgte schützt.
Der Club Helvétique versteht das patriotische Erbe von 1848 als Pflicht, die Ideale der modernen Schweiz jetzt erst recht zu bekräftigen.»

Dieser Text, so de Weck, stammt aus der Gründungsakte der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP), die 1894 im Bahnhofbuffet Olten gegründet wurde. Der «linke» Medien- und Gesellschaftswissenschafter wusste, dass wir auch heute und morgen für die Erkenntnisse der Aufklärung und die Kernideen der französischen Revolution eintreten müssen – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit –, wenn wir unser Zusammenleben in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft lebenswert gestalten wollen. Das ist die politische Seite.

Und das ist die menschliche Seite. Wer das Glück hatte, Kurt Imhof mit seinem Engagement, seiner Vitalität und Wärme hier oder da zu begegnen, konnte erleben, dass all sein Einsatz darin wurzelte, dass er das Land und die Menschen liebte. Er war, auch das bleibt unvergessen, ein radikaler Mensch.

Kurt Imhof (17.Januar 1956 – 1. März 2015) lernte Bauzeichner, machte dann neben der Berufsarbeit die Matura und studierte anschliessend Soziologie und Geschichte. Als prägnant formulierender Soziologie-Professor wurde er bald zu einer ersten Adresse für die Medien – die er seinerseits einer engagierten Kritik unterzog. Mit der Gründung des Forschungsinstituts für Öffentlichkeit und Gesellschaft schuf er ein Lebenswerk, das einen dauerhaften Beitrag zum Bewusstsein für die gesellschaftspolitische Rolle der Medien in der Schweiz und darüber hinaus leistete. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden diese Arbeit weiterführen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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