Kommentar

kontertext: Adieu Radiostudio Bruderholz – bonjour Studio MOH

Linda Stibler © Claude Giger

Linda Stibler /  Ein Neubau der Superlative und neue Wohnungen am alten Standort, die zum Teil verkauft werden. Ende gut alles gut?

Seit Anfang Mai sendet das Studio Basel vom neuen Standort im Meret Oppenheim-Hochhaus am Bahnhof. Mit dem Publikumstag am 22. Juni wird das Studio symbolisch dem Publikum übergeben.
Achtzig Jahre lang befand sich das Studio Basel auf dem Bruderholz. Von hier wurden die Radioprogramme des Landessenders Beromünster der Schweizerischen Radiogenossenschaften im Zusammenwirken mit den übrigen Studios der Deutschschweiz ausgestrahlt. Eine dynamische Entwicklung prägt seither die Strukturen der gesamten SRG und verändert sie laufend. Radio DRS , wie der Landessender später hiess, wurde immer wieder neu gegliedert. Nicht nur neue Sender wurden geschaffen, sondern auch viele Sendegefässe und Radioredaktionen neu organisiert, was zum Beispiel in den Neunzigerjahren zu einer stärkeren Konzentration führte und einzelne Programmteile von Basel nach Zürich oder Bern verlegt wurden, u.a. auch die Produktion von SRF 3. Im Jahr 2011 gab es einen weitgehenden Zusammenschluss mit dem Schweizer Fernsehen, was zum neuen Namen SRF führte.
In Basel blieb der Grossteil der Kulturredaktion, der Hörspielproduktion, der Religion und das Regionaljournal Basel und Baselland. Eine weitere Zentralisierung drohte. Die technischen Veränderungen der elektronischen Medien schritten rasant voran. Der Konkurrenzdruck und der scheinbar unumgängliche Zwang, auch im digitalen Bereich Angebote zu machen, wuchs und eine weitere Zentralisierung oder gar Verlegung nach Zürich stand im Raum. Das Studio Basel sei dem Wandel nicht mehr gewachsen und zudem auch zu wenig zentral gelegen, was die ständig steigende Mobilität der Menschen behindere.
Betreiberin des Studios auf dem Bruderholz war die Radiogenossenschaft Basel; sie war lange Zeit auch Besitzerin des Bodens, musste diesen aber aus finanziellen Gründen im Jahre 1981 der SRG abgeben, die dann ihrerseits der Radiogenossenschaft das Land im Baurecht überliess. Diese etwas seltsame Konstruktion verringerte die Handlungsmöglichkeiten der regionalen Radiogenossenschaft.
Im Jahr 2006 trat die Fernseh- und Radiogenossenschaft Basel (RFB) die Flucht nach vorne an und beschloss zusammen mit der SRG einen neuen Studiostandort an zentraler Lage und mit erweiterten technischen Möglichkeiten zu realisieren – das insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Fernsehen und den neuen digitalen Angeboten.
Das Projekt im geplanten Hochhaus am Meret Oppenheim-Platz am westlichen Ausgang des Bahnhofs bot die Gelegenheit, sich dort langfristig einzumieten. Die Genossenschaft übertrug die Planung dem Vorstand und einer Planungskommission. Im Verlauf der Planungsarbeiten gab die SRG das Land an die regionale Genossenschaft zurück. Ein nicht unwichtiger Fakt bei der Verwertung des alten Studios.
Nachdem die Planung vorangetrieben wurde und bei der Genossenschaft Schritt für Schritt Zustimmung fand, konnte das Projekt im kürzlich vollendeten Meret Oppenheim Hochhaus verwirklicht werden.

Nostalgie und Futurismus

In den letzten Wochen dieses Frühjahrs wurde das alte Studio endgültig geräumt. Abschiedsgefühle bewegten nicht nur die heutigen und ehemaligen Mitarbeiter und andere Mitbeteiligte – Musiker, Interviewpartner, Kulturschaffende –, sondern auch die lokale Bevölkerung. Das Studio Basel war weitherum bekannt, ein absolut zauberhafter Ort unweit der letzten grossen Freifläche zwischen Binningen und Basel. Ein schönes, leicht in sich gekehrtes Gebäude mit einem begrünten Innenhof, intimen Büros und Senderäumen und einer grosszügigen Kantine.
Ein harter Kontrast zum neuen Standort am Bahnhof. Auf mehreren Stockwerken des imposanten Hochhauses befinden sich die grossen neuen Studioräume. Ganz im Stil der Zeit, mit grossen offenen Arbeitsräumen, wo viele Medienschaffende ihrer Arbeit nachgehen, meistens nur auf Zeit, äusserst mobil und beweglich. In intimeren kleinen Räumen werden Gäste und Interviewpartner empfangen; die Senderäume sind mit modernster Technik ausgestattet. Hier begegnen sich Fernsehmacher und RadiojournalistInnen und auch die digitale Verknüpfung hat ihren Anteil. In den oberen Stockwerken sind zudem Radiodirektion und Administration untergebracht.
Für das Studio Basel beginnt eine neue Ära. Das hat durchaus futuristische Dimensionen und das wird nicht ohne Einfluss auf die Dynamik der Medienarbeit insgesamt bleiben, die von Beschleunigung und Mobilität geprägt sein wird. Leicht geht dabei der Blick nach innen und das Nachdenken verloren. Das hat auch mit dem neuen Standort zu tun. Die paar Schritte, die man früher in einer schönen Umgebung vom Tram zum Studio machen musste, gaben etwas Leichtigkeit und Distanz. Heute werden die Gäste und Mitarbeiter inmitten von Menschenmassen auf den nächsten Zug rennen.

Umweltfreundliche Wohnüberbauung am alten Standort

Bleibt noch die Frage, was mit dem alten Studio passiert. Diese Frage interessiert zwar das allgemeine Publikum weniger, doch die Genossenschaft hat sich lange damit befassen müssen, nicht zuletzt auch aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen. Wenn die RFB weiterhin als Trägerschaft auftritt und ihren ohnehin schon beschränkten Einfluss auf das Gesamtunternehmen SRF geltend machen soll, muss sie nicht nur ihre ideelle Kraft für den Service Public aufbringen, sondern nach Möglichkeit auch finanziell zum Unternehmen beitragen. Im Verlaufe des Planungsprozesses wurde den GenossenschafterInnen in Aussicht gestellt, dass man das Land des alten Studios selbst bewirtschaften, das heisst mit einer Neuüberbauung das nötige Geld erwirtschaften wolle, das für den neuen Standort am Bahnhof eingesetzt werden soll. Diese Aussicht erleichterte den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern die Zustimmung zum ganzen Unterfangen. Es ist kein Geheimnis, dass das Land am alten Standort an privilegierter Wohnlage kostbar ist. Kein Wunder, dass es schon lange auch von anderer Seite Begehrlichkeiten weckte.

Enttäuschung und Kritik

Kurz vor Abschluss der Neubauplanung wurde aber bekannt, dass es nicht gelang, das ganze Projekt zu finanzieren, weil die Radiogenossenschaft offenbar dafür keine Kredite erhielt. So wurde ein Teil des architektonisch schönen und umweltverträglichen Neubauprojekts von der Planungsgruppe zweigeteilt. Beinahe zwei Drittel (nämlich 30) der dannzumal neu erstellten Wohnungen stehen zum Verkauf und nur 18 wird die Radiogenossenschaft selbst behalten. Unter diesen Prämissen wurde das Neubauprojekt dem Kanton Basel-Stadt unterbreitet. Der Grosse Rat würdigte dieses Projekt und stimmte der benötigten Aufzonung des Areals zu, allerdings mit der Auflage, die Wohnungen unter eine moderate Residenzpflicht zu stellen, um Spekulation oder Missbrauch zu verhindern (zum Beispiel, dass die Wohnungen gehortet oder als Zweitwohnungen genutzt werden). Die Radiogenossenschaft als Bauherrin hat gegen diese Auflage Rekurs eingereicht. Ein zweifelhafter Akt, denn der Kanton hat das Land mit seiner Aufzonung grosszügig aufgewertet. Daher gab es auch an der ausserordentlichen Generalversammlung, die diesem Geschäft abschliessend zustimmen musste, Widerspruch, denn man befürchtet eine Verzögerung und unnötige Konflikte. Allgemeine Kritik wurde auch an der teilweisen Privatisierung des Projekts laut, mit dem ein Teil des Landes verkauft werde. Trotzdem stimmte die Radiogenossenschaft am 22. Mai dem Unternehmen zu. Und damit ist die letzte Etappe des Standortwechsels erreicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Journalistin und Autorin Linda Stibler war über 40 Jahre in verschiedenen Medien tätig, unter anderem in der damaligen National-Zeitung, in der Basler AZ und bei Radio DRS (heute SRF). Die Autorin ist Genossenschafterin der RFB.

    Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann (Redaktion, Koordination), Silvia Henke, Mathias Knauer, Guy Krneta, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Ariane Tanner, Rudolf Walther, Matthias Zehnder.

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