Kommentar

Hände weg von gestohlenen Daten

Rainer Stadler © zvg

Rainer Stadler /  Wer in den von Kriminellen publizierten Daten von NZZ und Co. schnüffelt, macht sich zum Komplizen.

Dieser Tage hat die Hacker-Gruppe Play weitere Daten publiziert, die sie der NZZ und CH-Media gestohlen hat. Was sie genau ins Darknet gesetzt hat, steht offenbar noch nicht fest. Die NZZ sei mit der Analyse beschäftigt, meldete sie am Freitag. Es handle sich um ein grosses Datenvolumen. Zeitungskunden, aber auch Mitarbeiter müssen jedenfalls befürchten, dass nun persönliche Informationen über sie – Adressen, Löhne usw. – in einem weiteren Kreis bekannt werden. Das ist für die Betroffenen höchst unangenehm, vielleicht gar gefährlich.

Die Möglichkeit eines Zugangs zu vertraulichen Daten weckt unweigerlich das Interesse von Journalisten. Denn, so die implizite Hoffnung, vielleicht wäre da irgendwo ein toter Hund begraben. Eine Redaktion hat sich bereits beschwert, dass Rechtsvertreter der beraubten Unternehmen sich gegen eine Publikation wehrten.

Journalisten, welche die gestohlenen Daten durchstöbern wollen, sollten das unterlassen. Wenn sie solche Daten auswerten und darüber schreiben, machen sie sich der Hehlerei schuldig. Sie machen ein Geschäft mit unrechtmässig beschafften Daten. Die Leaks bzw. Publikationen dieser Kriminellen sind nicht zu vergleichen mit den Leaks von entwendeten Firmendaten in Steuerparadiesen, über die einige Redaktionen in den vergangenen Jahren mit grossem Tamtam berichteten. In diesen Fällen konnten sich die Redaktionen auf ein öffentliches Interesse berufen. Das gilt jedoch nicht im Fall der Hacker-Gruppe Play. Diese publiziert die Daten nur aus selbstsüchtigem Interesse. Sie will von den betroffenen Unternehmen Geld erpressen. Bei diesen Daten gibt es zudem nicht einmal einen Anfangsverdacht, dass illegale oder unsaubere Tätigkeiten aufgedeckt werden könnten. Also kann kein öffentliches Interesse geltend gemacht werden.

Ein Verzicht, über diese Daten zu schreiben, reicht allerdings nicht aus. Illegitim ist bereits der Versuch, in solchen Daten herumzustöbern. Das Interesse an der Respektierung der Privatsphäre muss mehr wiegen als das Interesse, beispielsweise durch das Durchstöbern von Gehaltslisten die Lohnpolitik eines Unternehmens kritisch analysieren zu können. Wer Daten durchforstet, die aus Gewinnsucht an die Öffentlichkeit gelangen, stärkt zudem das Geschäft der Kriminellen. Er macht sich zu einem Komplizen. Das Drohpotenzial der Erpresser würde erheblich schrumpfen, wenn sie wüssten, dass niemand ihre publizierten Daten anschaut. Wer sich nicht an den hier geforderten Verzicht hält, trägt zur Ausbreitung einer Schnüffelgesellschaft bei. Zum Schaden aller.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor arbeitete von 1989 bis 2020 auf der Redaktion der NZZ.
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7 Meinungen

  • am 13.05.2023 um 16:23 Uhr
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    Danke für diesen wichtigen Hinweis. Das tönt vernünftig, war mir aber nicht bewusst.
    Mich erstaunt, dass 1/3 der Leser den Artikel unnütz findet. Sind das alles Juristen?

    • Favorit Daumen X
      am 13.05.2023 um 16:47 Uhr
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      Das sind nicht ein Drittel unserer Leserinnen und Leser, sondern nur knapp 30, welche auf «Ja» oder «Nein» geklickt haben. Solche Bewertungen und auch die Kommentare sind überhaupt nicht repräsentativ für die Leserschaft.

      • am 14.05.2023 um 23:40 Uhr
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        Danke, Urs

      • am 15.05.2023 um 13:56 Uhr
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        ~ 30%: Ist das wirklich die schlechte (unerwünschte) Leserschaft. Der Fehler liegt ja bei der NZZ, die es nicht geschafft hat ihr System zu schützen. Allenfalls lässt sich noch einen moralischen Unterschied konstruieren zwischen jenen die damit Geld machen und jenen die aus purer Neugierde ihre Nase da reinstecken.

  • am 14.05.2023 um 09:48 Uhr
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    Art. 160 Schweizer Strafgesetzbuch: Absatz 1 Wer eine Sache, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie ein anderer durch eine strafbare Handlung gegen das Vermögen erlangt hat, erwirbt, sich schenken lässt, zum Pfande nimmt, verheimlicht oder veräussern hilft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

    Daten sind keine Sachen, daher keine Hehlerei. Gruß Rechtsanwalt Schmitz

    • PortraitRainerStadler
      am 14.05.2023 um 14:59 Uhr
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      Ich argumentiere nicht als Jurist. Ob ich nun gestohlene Weinflaschen oder gestohlene Daten kommerziell weiterverwende, ist in beiden Fällen ein ähnliches Problem.

  • am 15.05.2023 um 18:22 Uhr
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    Herr Stadler, es ehrt Sie an die Moral von Journalisten zu appellieren. Ob dies genügt und ob dies dem Anspruch eines investigativen Journalismus entspricht, ist jedoch etwas anderes.
    Jeder vernünftige Mensch wird Ihnen zustimmen, dass die Veröffentlichung des Gehaltes von Herrn Mayer oder Frau Müller schäbig ist.
    Jedoch sind alle mir bekannten großen Enthüllungen nur durch «gestohlene» Daten möglich gewesen, von der Berner Finanzaffäre bis hin zu Wikileaks (z.B. Hillary Clintons E-Mails).
    Entsprechend Ihrer Aufforderung hätten diese Daten nicht nur nicht publik gemacht werden, sondern schon nicht gesichtet werden sollen.
    Wie unterscheidet man welche Daten «berechtigterweise» gestohlen und dann zu sichten sind und welche nicht? Wenn die Daten der NZZ und Co. nun offenbarten, dass Politik oder gar Regierung Einfluss auf die Berichterstattung genommen hätte, z.B. zu den Themen Corona oder Russland?
    Dies wäre ohne Sichtung nie möglich.

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