Kommentar
Die Wut auf den Kapitalismus reisst die Demokratie mit runter
Red. – Natascha Strobl ist Autorin und Politologin aus Österreich. Sie ist Expertin für Rechtsextremismus und die «Neue Rechte». Infosperber publiziert ihre Kolumne bei «moment.at» im Rahmen der Creative Commons-Lizenz BY-NC-SA 4.0. Titel und Vorspann von der Redaktion.
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«Der Standard» hat wieder einmal das Linzer Market-Institut bemüht, eine Umfrage zur Demokratie zu machen. Die grosse, alarmistische Schlagzeile ist, dass nur sieben Prozent der Bevölkerung wirklich voll zufrieden sind. Doch ist das weder verwunderlich noch ist die Einstellung unverständlich oder gar schlimm.
Würde irgendjemand ernstlich behaupten, dass wir gerade in der besten aller vorstellbaren Welten leben? Zwischen Inflation und Austerität? Mit merklichen Verschlechterungen im Bildungs- und Gesundheitssystem? Vielleicht ist die grosse Mehrheit schlicht unzufrieden, weil sie weiss, dass es besser geht oder es sogar schon erlebt hat?
Doch so wird nicht darüber berichtet. Die Berichterstattung kreiselt immer unausgesprochen darum: Das Problem ist die Unzufriedenheit, nicht all das, was zu dieser Unzufriedenheit führt. Dabei dürfen Menschen mehr wollen und mehr verlangen und sich mehr wünschen.

Die FPÖ hat nicht die richtige Antwort, aber eine Antwort
Dementsprechend ärgerlich sind die rein negativen Analysen dieser Ergebnisse. Da werden FPÖ-Politiker:innen und ihre Wähler:innen vermischt, und es wird behauptet, dass sich letztere durch die Bank ein ganz anderes politisches System wünschen. Das stimmt für die Politiker:innen. Bei den Wähler:innen wäre es dann doch interessant, genauer hinzuschauen und zu fragen, wie dieses Anders denn ausschauen soll. Der FPÖ das Monopol auf «anders» zu geben ist auf jeden Fall die schlechteste aller Varianten. Damit macht man ihren Job.
Das gilt insbesondere, wenn man dieses Anders nie ausformuliert. Dazu zählt auch, dass nie zwischen politischen und ökonomischen Elementen unseres Systems unterschieden wird. Der menschenfeindliche Neoliberalismus ist im politischen System der Demokratie bei solchen Umfragen quasi «eingepreist». Das eine ohne das andere wird unvorstellbar gemacht – jedenfalls nicht getrennt voneinander besprochen.
Demokratie und Neoliberalismus sind nicht eins
Dabei sind es Widersprüche: Wenn einem etwas an der Demokratie liegt, muss man sich gegen dieses Wirtschaftssystem stellen. Die, die es verteidigen, weil sie profitieren, sind die grössten Saboteur:innen an der Demokratie. Wenn man Demokratie und Wirtschaftssystem vermengt und als «das System» abfragt, reisst die Wut auf den Kapitalismus die Demokratie mit runter.
Es ist also gar nicht schlecht, wenn Leute den aktuellen Zustand nicht für das Beste halten, was sie bekommen können. Sie dürfen mehr verlangen, mehr wollen und sich nach einem schöneren und leichteren Leben sehnen. Die FPÖ suggeriert, dass dies mit autoritärer Politik im Sinne Russlands oder der USA möglich ist.
Damit die extreme Rechte nicht mit dieser verheerenden Antwort das Monopol auf radikalen Wandel hat, müsste eine solidarische Gegenposition sichtbar werden: Ja, es ist schlecht, wie es ist. Ja, es kann und muss anders werden. Die Zukunft kann viel besser sein als die Gegenwart. Das funktioniert aber nur solidarisch.
Und in einem ersten Schritt gehört es dazu, dass die öffentliche Diskussion nicht versucht, die Unzufriedenheit an sich zu tabuisieren. Die hat durchaus ihre Berechtigung. Nicht darüber zu reden und zu hoffen, dass die Menschen dann wieder mehr vom selben wollen, ist auf jeden Fall nicht die Antwort darauf.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Natascha Strobl ist Autorin und Politologin aus Österreich. Sie beschäftigt sich in ihrer Kolumne bei «moment.at» damit, was hinter den Aussagen und Nachrichten von Politiker:innen und Parteien steckt.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.










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