Kommentar
Das UKW-Panikorchester spielt zu früh
Wer – wie der Autor – sein letztes UKW-Gerät vor gut einem Jahrzehnt entsorgt hat und Radiostationen nur noch über DAB, Apps oder Browser empfängt, ist ziemlich erstaunt über das derzeitige Zetermordio wegen der geplanten Abschaffung von UKW zugunsten des DAB-Sendebetriebs. Die Konsumenten geben Hunderte von Franken für ein Smartphone, einen Computer oder ein Fernsehgerät aus, um mit den neuesten technischen Entwicklungen mitzuhalten. Aber für den Erwerb eines Radiogeräts mit neuem Standard reicht es nicht mehr? Obwohl ein solches deutlich weniger kostet als jeder andere Medienapparat. Ist das Radio das Aschenbrödel der Medienbranche?
Durchschnittlich hört hierzulande ein Zeitgenosse täglich über hundert Minuten lang einen Radiosender, was ziemlich viel ist. Man könnte daraus schliessen, die Bindung an ein bevorzugtes Programm müsse gross sein. Glaubt man den Mitte Jahr publizierten Nutzungszahlen, ist dem nicht so. Nachdem die SRG Ende 2024 den UKW-Betrieb eingestellt hat und sich auf den DAB-Betrieb konzentriert, verzeichnen die Kanäle des öffentlichen Rundfunks deutliche Einbussen. Seit mehr als zwanzig Jahren haben die SRG und die Verwaltung die Digitalisierung des Radios im Visier. Es gab erhebliche Marketinganstrengungen, etwa bei der Umstellung der volkstümlichen Musikwelle von der Mittelwelle auf DAB. Das war der erste grosse Versuch, auch einer breiteren, technisch wohl eher konservativeren Publikumsschicht die neue digitale Radiowelt schmackhaft zu machen. Diese Hörerschaft konnte die SRG «umpolen». Doch der radikale Schritt hin zu DAB scheint schmerzhaft zu werden.
Trafen die Marktanalysen der SRG nicht zu, war sie zu zweckoptimistisch? War sie naiv und glaubte, sie könne dank ihrer Marktmacht im Radiosektor das Publikum relativ leicht zum DAB-Betrieb hinziehen und damit den privaten Stationen den völligen Wechsel erleichtern? Jetzt geht jedenfalls die Angst um. Ein Radio-Panikorchester unter der Leitung von Roger Schawinski hat es geschafft, dass der Nationalrat dieser Tage einer Vertagung der UKW-Abschaltung zustimmte. Das kommt einer Bankrotterklärung gleich. Denn damit bringen die Radios zum Ausdruck, dass eine starke Minderheit der Hörerschaft eine schwache Bindung zu einem einzelnen Produkt hat. Ist dieses nicht mehr auf dem alten Weg verfügbar, springen demnach zahlreiche Nutzer zu einem nächsten Angebot. Gleichsam nach dem Motto: Hauptsache, eine Geräuschkulisse ist gewährleistet. Gleichgültig welche.
Ob die Lage so dramatisch ist, wissen wir noch nicht. Mag sein, dass die untreuen SRG-Hörerinnen und -Hörer nach der abrupten, obwohl ausgiebig kommunizierten Abschaltung verärgert waren und sich trotzig anderswo umhörten. Bleibt die Frage, wie viele Personen inzwischen ihren Entscheid überdacht und sich auf den DAB-Betrieb eingerichtet haben, um wieder das bisher gewohnte Radioprogramm einschalten zu können. Erwartungsgemäss dürfte eine entsprechende Entwicklung einsetzen. Die Radionutzungsergebnisse am Ende dieses Jahres könnten Indizien dazu liefern, ob und wie stark ein Gesinnungswandel im Publikum zu erkennen ist. Dann könnte die Politik verlässlicher entscheiden, ob ein teurer und Chaos verursachender Marschhalt zugunsten von UKW angebracht ist. Falls die Schwarzmaler Recht bekommen, bekämen allerdings die Kulturpessimisten Auftrieb: Das Radio wäre demnach für zahlreiche Personen bloss ein beliebiger Dudelfunk.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Es war wohl eher das auf Biegen und Brechen herbeigeredete digitalisieren des Radios «teuer und Chaos verursachend». Gerade bei Technologien ist oft das bewährte die bessere Lösung.
Wer will darf ja gerne digital streamen. Dazu brauchts dann aber auch kein DAB.
Einen UKW Sender/Empfänger baue ich mir selbst aus relativ einfach erhältlichen Bauteilen.
Einen DAB Emfpänger kann ich ohne aufwändige Technik weder herstellen noch warten, geschweige denn die Infrastruktur für die Sender. Die komplett sinnfreie Digitalisierungswut die vor allem von Menschen die von der Technologie dahinter nur wenig verstehen diskutiert und entschieden wird nimmt doch sehr unangenehme Züge an.
Vermutlich kommt der Hörerschwund deswegen, weil man das Autoradio ersetzen oder umrüsten müsste. Bei mir ist es jedenfalls so. Ich höre meist nur im Auto Radio und nun halt nur noch Deutschlandfunk. Die Infosendungen, Diskussionen und internationalen Nachrichten sind da vielleicht sogar besser als die von SRF. Warum soll ich nun in ein 10-jähriges Auto noch DAB einbauen? Nur wegen Regionalnachrichten, die man abends am Fernsehen auch noch aufgetischt kriegt?
Leider wurde zu diesem Thema viel zu viel gelogen, verschwiegen oder einfach unsachlich informiert. DAB und später DAB+ konnten sich schlicht nicht am Markt etablieren und es war die Initiative der SRG mit einem UKW-Verbot eine Änderung zu erzwingwen. Die Behauptung in Norwegen habe sich die Situation nach einer Weile erholt trifft auch nicht zu, im Gegenteil im Moment gewinnt UKW wieder an Boden. DAB+ sollte weniger Energie verbrauchen, bessere Audioqualität, eine bessere Versorgung und weniger Kosten als UKW bringen, keiner dieser Punkte wird heute erfüllt, wäre es nämlich wirklich so, so hätte die SRG praktisch keinen Zuhörer verloren. Im Gegensatz zu allen Sytemwechseln der Vergangenheit, ist es das erste Mal, dass das neue System schlechter als sein Vorgänger ist. Als Steuerzahler und Konsument stellt sich mir die Frage, warum ich diesen erzwungenen und sinnlosen Wechsel mitmachen soll und ob ich diese Entwicklung am Verbraucher vorbei finanzieren will.
Gönnen mag ich dem Autor seine DAB Radio, trotzdem finde ich diese Kolumne sehr schwach. Wer politische Gegner als Panikorcherstee beschimpft ist an keiner echten Diskussion interessiert. Auch will er offensichtlich die Realität nicht anerkennen. Vielen Menschen geht der erzwungene «Fortschritt» durch die forcierte Digitalisierung heutzutage zu weit. Auch geht er wesentlichen Kritiken aus dem Weg. Digitale Systeme sind häufig anfällig auf Hackerangriffe oder schlechter Instandhaltung. Für den Kriegsfall, welcher leider immer näher zu kommen scheint, wäre eine funktionierende analoge Infrastruktur unabdingbar. So weit ich weiss, ist der geplante UKW Ausstieg auch ein CH Sonderfall. Wie sollen ausländische Autofahrer vor einem Tunnelbrand gewarnt werden,wenn kein Dab Radio im Auto verbaut wurde. Und zuletzt, viele Radios bieten erfolgreich einen Internet Stream an, wieso sollten wir jetzt noch, den völlig veralteten Zwischenschritt Dab benutzen? Kurz, besser bleiben wir ,bei bewährtem.
Sehr treffend beschrieben! Ich höre seit den Anfangszeiten DAB. Bei uns läuft den ganzen Tag Radio Classic, weil es so beruhigend wirkt (und störungsfrei läuft).
Warum jetzt noch viel Geld ausgeben für den Todeskandidaten UKW? Dafür weibelt ausgerechnet einer (Schawinski), der selber immer gegen die traditionellen Radiostationen gekämpft hat.
Ist Herr Schawinski vielleicht etwas alt geworden?
Alternativ könnte man Radioprogramme über Langwelle verbreiten wie vor 70 Jahren. Vorteil: sind auf der Ganzen Welt empfangbar,
Sie sind den Promotern der UKW-Zwangsabschaltung ganz schön auf dem Leim gekrochen: Die DAB+ infrastruktur ist teurer als die von UKW. Es werden bei DAB+ zwar bei schlechterer Qualität mehr Programme abgestrahlt, aber der Zuhörerrückgang ist trotzdem markant und das ist ein Fiasko. In weit weniger als zehn Jahren wird niemand mehr auf der Welt über DAB+ Radioprogramme empfangen, weil die Netze bereits abgebaut sein werden, UKW wird es aber immer noch geben. Können sie mir ein Privatradio nennen, welches ein eigenes DAB+ Sendernetz betreibt? Nein, weil es zu teuer wäre und es auch nicht genug Frequenzen dafür gibt, sie sind alle Kunden bei SwissMediaCast, Digris oder DABcom, welche ihre Netze nur Dank den Subventionen errichten konnten (wie auch die SRG). Die UKW-Sendernetze bezahlten die Radios mit ihrem Geld und nicht mit Steuergeldern.
Herzlicher Dank Herr Stadler.
Einzig das Wort wäre ersetze ich durch das Wort : IST für zahlreiche Menschen ein beliebiger Dudelfunk.
Sehr guter Artkel:
Was gibts da zu jammern.
Es wurde ja genug Werbung gemacht für Umstieg auf DAB+.
Ich habe schon per 28.12.2008 auf DAB/DAB+ umgestellt, als in der Schweiz die Mittelwelle, Landessender Beromünster, MW 531, abgestellt wurde. MW 531 verbreitete ja die SRF Musikwelle über die Luft.
Die Fahrzeughersteller haben es unterlassen, DAB+ serienmässig anzubieten.
BMW hat glaub ich ab 2014 in der Schweiz auch beim einfachsten Autoradio DAB+ serienmässig drin.
Bei Ford war ab Oktober 2015 DAB+ serienmässig drin, ausser beim Ford Ka.
Wenn ich damals Autoverkäufer gewesen wäre, hatte ich zukünftige Neufahrzeug-Besitzer darauf aufmerksam gemacht, DAB+ ab Werk zu bestellen.
Ich habe alle meine Oldtimer/Youngtimer auf DAB+ umgerüstet, nachgerüstet.
„Ist dieses nicht mehr auf dem alten Weg verfügbar, springen demnach zahlreiche Nutzer zu einem nächsten Angebot. Gleichsam nach dem Motto: Hauptsache, eine Geräuschkulisse ist gewährleistet. Gleichgültig welche.“
In meinem Fall nicht ganz. – Ich hörte vorallem im Auto Radio (es kann nur UKW, wie hunderttausende andere auch). Nach der Abschaltung des von mir geschätzten analogen Radios richtete ich bald eine Bluetooth-Verbindung zu meinem Handy ein. Nun konnte und kann ich mit einem simplen Satz („Hey G*****, spiel Radio xy“) Radio hören.
Nun kommt das Seltsame, das mich selber überrascht hatte: Ich zog und ziehe, trotz der nur minimalen Umstellung, die neu errungene Stille vor. Eine kleine Veränderung führte herbei, was längst überfällig war für mich: Weniger!
Ab und zu höre ich einen Podcast. Aber meistens nichts mehr.
Im Kanton Glarus und in anderen ländlichen Gebieten haben die Privatradios vor zwei Jahren UKW abgestellt – und niemand hat’s gemerkt. Kein Weltuntergang, kein Drama. Und wer hat «UKW abstellen» erfunden? Ihr könnt dreimal raten 😉