Weihnachten Geschäft Geschenke Läden Geschäfte

Natürlich erzählen Ladeninhaber, dass das Geschäft mit den Weihnachtsgeschenken glänzend laufe. © SRF

Das Gegenteil von Journalismus

Marco Diener /  Bund und Berner Zeitung fragen Ladeninhaber, wie das Weihnachtsgeschäft laufe. Hervorragend natürlich. Zahlen fehlen.

Kurz vor Weihnachten wollten Bund und Berner Zeitung (sie unterscheiden sich kaum mehr) Bilanz ziehen. Sie fragten in sechs Geschäften nach, wie das Geschäft laufe.

Roland Christen, Chef des Berner Warenhauses Loeb, sagte: «Wir sind sehr zufrieden. Es läuft überdurchschnittlich gut. Die Nachfrage ist in sämtlichen Preisgruppen gross.»

François Geelhaar, der einen Kinder- und Möbelladen führt, meinte: «Wir stellen eine Zunahme fest im Vergleich zu vor der Pandemie. Insbesondere bei den Babyartikeln, Kindermöbeln und Spielwaren.»

Und Gian Martin Padrutt vom Herrenmodegeschäft Zwald in Bern durfte berichten: «Wir stellen bei unseren Kundinnen und Kunden dieses Jahr ein entspanntes Konsumverhalten fest. Sie erzählen viele persönliche, interessante Geschichten.»

Nun ist es den Ladeninhabern und -chefs ja nicht zu verargen, dass sie gerne rühmen. Sie können ja schlecht sagen: «Heute Morgen war der Laden leer.» «Die Kinderkleider liefen dieses Jahr besonders schlecht.» Oder: «Unsere Stammkunden sind neuerdings sehr geizig.»

Aber an den Zeitungen wäre es, Zahlen zu liefern oder Beweise vorzulegen, wenn sie schon übers Weihnachtsgeschäft berichten wollen. Und nicht einfach Sätze abzudrucken, die auch in einer Publi-Reportage stehen könnten.

Die einzigen Zahlen, die Bund und Berner Zeitung nennen, entstammen einer Umfrage. Laut dieser wollten Herr und Frau Schweizer dieses Jahr im Schnitt 343 Franken für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Sagen sie jedenfalls.

Ganz gut wäre gewesen, wenn sich die Journalisten in den letzten Wochen in der Berner Innenstadt ein bisschen umgesehen hätten. Loeb gewährte «30 Prozent Rabatt auf ausgewählte Fashion-Produkte». Die Migros schrieb Ski, Snowboards, Schuhe, Helme und Brillen schon im November um 20 Prozent herunter. Und die Schaufenster waren damals bereits voll mit Ausverkaufs- und Rabatt-Plakaten.

Vielleicht wäre es auch ganz gut gewesen, wenn Bund und Berner Zeitung bei den Kunden nachgefragt hätten. Stattdessen fragten sie Christa Markwalder, FDP-Nationalrätin und Präsidentin der Swiss Retail Federation. Sie versuchte, Ladenbesitzern Mut zu machen, aber Fakten legte auch sie nicht auf den Tisch. Sie sagte: «Die Kundinnen und Kunden sind trotz steigender Preise und Unsicherheiten weiterhin bereit, Geld für Weihnachtsgeschenke auszugeben. Zudem wollen die Menschen ihre Weihnachtseinkäufe wieder vermehrt in festlicher Atmosphäre machen. Sie gehen in die Läden.»

Schade, dass Christa Markwalder einfach ein paar Floskeln loswerden durfte. Man hätte sie ja auch fragen können: Warum liefern sich die Geschäfte ausgerechnet während der besten Verkaufssaison solche Rabattschlachten?


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Eine Meinung zu

  • am 24.12.2022 um 13:51 Uhr
    Permalink

    Na ja, auch mit solchem «positiven» Journalismus kann das Geschäft angekurbelt werden. Und jeder der den Ausgaben-Schnitt von 343 Franken nicht erreicht, muss doch ein schlechtes Gewissen bekommen. Und die Verlage wollen sicher keine Inseratenkunden verlieren. Nur gut, dass immer mehr Leute den ganzen Rummel hinterfragen. Fröhliche Weihnachten.

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