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Flammschutzmittel stecken in vielen Alltagsgegenständen. Auch Möbelstücke wie Stühle werden damit behandelt. © Depositphotos

Unterschätzte Gefahr durch polymere Flammschutzmittel

Daniela Gschweng /  Sie gelten als sicher und sind nicht reguliert. Doch auch moderne Flammschutzmittel können die Umwelt vergiften.

Mögliche Zerfallsprodukte polymerer Chemikalien sollten dringend ermittelt und überwacht werden, fordert ein internationales Forschungsteam. Ihre Untersuchung polymerer bromierter Flammschutzmittel zeigt, dass diese bedenkliche Zerfallsprodukte an die Umwelt abgeben. Doch viele dieser Chemikalien gelten als sicher.

Die Flammschutz-Polymere hatten ihre nicht polymerisierten Vorgänger einst abgelöst, weil diese gesundheitsschädlich sind. Herkömmliche bromierte Flammschutzmittel sind inzwischen weitgehend verboten oder eingeschränkt.

Polymere sind von Regulierung weitgehend ausgenommen

Polymere, also lange Verkettungen einzelner Moleküle, gelten aufgrund ihrer grossen Molekülstruktur als stabil und nicht schädlich. Die Behörden gehen davon aus, dass die Moleküle zu gross sind, als dass sie aus Produkten entweichen und Schaden anrichten könnten. Von Regulierungen in den USA, der EU und der Schweiz sind sie deshalb weitgehend ausgenommen.

Die Forschenden fordern nun ein Umdenken. «Unsere Arbeit zeigt deutlich, dass diese Polymere mit Umweltrisiken verbunden sind und ihre Verwendung angemessen bewertet und reguliert werden sollte», sagt Da Chen, Umweltchemiker an der Universität Jinan in China und Hauptautor der im Magazin «Nature Sustainability» veröffentlichten Studie.

Die Studie mit Flammschutzmitteln legt dar, dass die grossen Moleküle über die Zeit giftige Stoffe abgeben können. «Da diese Flammschutzmittel in grossen Mengen produziert werden, bin ich sehr besorgt über die mögliche Verschmutzung», sagt auch Co-Autorin Miriam Diamond von der Universität Toronto gegenüber «Sci-Tech-Daily». 

Reste von Flammschutzmitteln in der Nähe von Recycling-Anlagen

Die Forschenden fanden nicht nur heraus, dass polymerisierte bromierte Flammschutzmittel (Poly-BFR) in der Umwelt in kleinere Moleküle zerfallen, sondern auch, dass sie dadurch gefährlicher werden.

Für seine Studie simulierte das internationale Forschendenteam Umweltbelastungen wie UV-Strahlung oder mechanische Beanspruchung, denen zwei gebräuchliche Poly-BFR in der Umwelt und beim Recycling ausgesetzt sind. Anschliessend bestimmten die Forschenden 76 Zerfallsprodukte, die dabei entstanden.

Als Nächstes sammelten und analysierten sie Boden-, Staub- und Luftproben in der Nähe von südchinesischen Elektroschrott-Recyclinganlagen sowie bis zu hundert Kilometer davon entfernt. Die zuvor bestimmten Zerfallsprodukte fanden sich am häufigsten in Proben, die aus unmittelbarer Nähe stammten. Mit zunehmender Entfernung nahm ihre Menge ab.

Mindestens eines der Abbauprodukte ist giftig

Für mindestens eines der Abbauprodukte zeigten toxikologische Tests Auswirkungen auf die Entwicklung von Zebrafischembryonen. Dazu gehörten Anomalien des Gehirns, des Herzschlags und des Bewegungsapparats sowie eine gekrümmte Wirbelsäule und eine verringerte Körperlänge der Fische – Auswirkungen, wie sie für die jeweiligen Monomere der Flammschutzmittel bekannt sind. Tests mit Zebrafischembryonen sind eine gebräuchliche Methode, um die Toxizität einer Chemikalie zu bewerten.

Die Forschenden aus den USA, Kanada und China schliessen daraus, dass sich polymere Flammschutzmittel als ebenso problematisch erweisen könnten wie ihre nicht-polymeren Vorgänger.

Die Studie hat auch Auswirkungen auf andere Arten von Polymeren wie PFAS-Polymere. Diese werden in einer ganzen Reihe Textilien, in Lebensmittelverpackungen oder Kosmetika verwendet. Auch fluorierte Polymere können Verunreinigungen enthalten und in kleinere Moleküle zerfallen.

Bromierte Flammschutzmittel

Konventionelle bromierte Flammschutzmittel wie polybromierte Diphenylether (PBDE) wurden lange in vielen Produkten verwendet. Herstellung und Nutzung sind für viele Einzelsubstanzen inzwischen eingeschränkt oder verboten. Wegen ihrer universellen Verwendung – zum Beispiel in Möbeln, Autos und Baustoffen – finden sie sich noch immer in der Umwelt. Sie stören die Fortpflanzung, den Hormonhaushalt, können Krebs verursachen und die Entwicklung des Gehirns beeinflussen. Die persistenten (lang haltbaren) Chemikalien verschmutzen Luft, Wasser und Boden. Sie können sich in Menschen und Tieren anreichern.

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