Hohe Strafen für Chemie-Manager wegen PFAS-Verschmutzung
In Venetien, Italien, liegt eine der am stärksten mit PFAS verschmutzten Gegenden Europas. Quelle der Verschmutzung ist das Chemieunternehmen Miteni, das jahrzehntelang fluorhaltige chemische Vorprodukte herstellte.
Ein Gericht in Vicenza verurteilte am 26. Juni elf verantwortliche Manager zu hohen Strafen, weil sie das Wasser der ganzen Region mit PFAS verschmutzt hatten. Das Urteil ist ein Erfolg für hunderte Kläger und Klägerinnen.
Das Gericht verurteilte elf ehemalige Manager der Unternehmen Mitsubishi und ICIG wegen der Verschmutzung von rund 200 Quadratkilometern und des Grundwassers, ausgehend vom Standort Trissino, zu Gefängnisstrafen zwischen zwei und 17 Jahren.
Das Unternehmen Miteni
Gegründet 1965 als Forschungszentrum eines Textilunternehmens, produzierte Miteni in Trissino Fluorchemikalien zur Verwendung in anderen Industrien, unter anderem für den US-Konzern Dupont (heute Chemours). 1988 wurde Miteni von Enichem und Mitsubishi übernommen, 1996 wurde Mitsubishi alleiniger Eigentümer. 2009 ging das Unternehmen an ICIG (International Chemical Investors Group) mit Sitz in Luxemburg, 2018 meldete es Konkurs an. Wesentlichen Anteil an der Schliessung hatte die No-PFAS-Bewegung, die entstand, als die enorme Verschmutzung des umliegenden Wassers mit PFOA (Perfluoroctansäure) und anderen PFAS öffentlich wurde.
Trissino liegt etwa 80 Kilometer westlich von Venedig. Miteni hatte seine Abfälle lange Zeit in die umgebenden Gewässer eingeleitet und so das Grundwasser der ganzen Region mit PFAS verschmutzt. Venetien ist dicht besiedelt. Betroffen sind mindestens 300’000 Personen, nach Schätzungen der WHO noch mehr.
Entdeckt wurde die Belastung laut dem «Spiegel» 2013 eher zufällig durch ein EU-Forschungsprojekt. Die PFAS-Werte im Wasser gehören neben denen im schwedischen Ronneby und dem französischen St. Louis zu den höchsten in Europa.

«Mütter gegen PFAS» als treibende Kraft
Der 2021 eröffneten Klage hatten sich 200 Anwohnerinnen und Anwohner angeschlossen sowie etwa 100 Auswärtige und Organisationen wie Greenpeace. Treibende Kraft war unter anderem «Mamme no PFAS», eine Gruppe von Frauen aus der Region, die sich zusammengeschlossen hatten, nachdem hohe PFAS-Konzentrationen in ihrem und im Blut ihrer Kinder entdeckt worden waren. 2016 wurden dafür 85’000 Personen aus 21 Ortschaften getestet.
Das erstinstanzliche Urteil beinhaltet auch eine finanzielle Entschädigung von 50’000 Euro für jede an der Klage beteiligte Bürgerin bzw. jeden beteiligten Bürger, 6,5 Millionen Euro für die Region Venetien und 58 Millionen Euro für das italienische Umweltministerium. Zudem sei noch ein Verwaltungsverfahren offen, berichtet die Zeitung «Luxemburger Wort».
Greenpeace: «Historisch!»
Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden. Die Vertreterin von Greenpeace Italien, Chiara Campione, nannte es laut AFP «historisch». Das könnte tatsächlich so sein. Soweit bekannt, ist es das erste Mal, dass Verursacher einer PFAS-Verschmutzung direkt und persönlich zur Rechenschaft gezogen werden.
Das Gericht in Vicenza hatte im Mai zudem erstmals eine direkte Beziehung zwischen dem Tod eines ehemaligen Angestellten von Miteni und seiner PFAS-Belastung hergestellt. Pasqualino Zenere war 2014 an Nierenbeckenkrebs gestorben – einer Krankheit, die als unmittelbare Folge der langanhaltenden Exposition gegenüber PFOA und PFOS anerkannt ist.
Anhaltende Folgen für die Bevölkerung
Das Trinkwasser in der Region wird seit 2013 mit Aktivkohlefiltern von PFAS befreit, Blut und Urin von Anwohnerinnen und Anwohnern werden regelmässig untersucht. Die Folgen bleiben.
Eine Studie, die im April 2024 publiziert wurde, stellte fest, dass die Zahl der Todesfälle in der Region, die auf Krebs sowie auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen waren, zwischen 1985 und 2014 deutlich höher lag als erwartet. «Mamme no PFAS» zitieren ausserdem Daten über eine Zunahme von Diabetes, Bluthochdruck, hohen Cholesterinwerten und Schilddrüsenerkrankungen sowie Einflüssen auf die reproduktive Gesundheit.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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