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In Alltagsgegenständen findet sich eine Vielzahl von hormonaktiven Chemikalien. © Depositphotos

EU soll hormonaktive Chemikalien strenger regulieren

Daniela Gschweng /  Hormonwissenschaftler schlagen konkrete Massnahmen gegen die allgegenwärtigen Chemikalien und milliardenteure Umweltschäden vor.

Drei Fachgesellschaften für Hormonforschung fordern die EU auf, besser gegen hormonaktive Chemikalien vorzugehen. Die Chemikalien, die auch Endokrine Disruptoren (ED) oder Endokrine Disrupting Chemicals (EDCs) genannt werden, können Krankheiten auslösen und sind in vielen Alltagsprodukten enthalten – zum Beispiel in Verpackungen, Kosmetika oder Textilien.

In einem offenen Brief fordern die Endocrine Society, die European Society of Endocrinology und die European Society for Paediatric Endocrinology die EU auf, die Regeln für hormonaktive Chemikalien zu verschärfen – vor allem im Rahmen der geplanten Überarbeitung der EU-Chemikalienverordnung REACH.

Gefährlich für Mensch und Umwelt

Hormonstörende Substanzen wirken, indem sie Hormone nachahmen, blockieren, deren Funktionsweise ändern oder anderweitig in die Mechanismen der Hormonsteuerung eingreifen. Betroffen sind dabei nicht nur Geschlechtshormone und Fortpflanzung, sondern beispielsweise auch der Fett- und Zuckerstoffwechsel, Blutdruck und Nervensystem.

Human endocrine system
Das endokrine System im menschlichen Körper.

Endokrine Disruptoren werden mit einer ganzen Reihe Krankheiten in Verbindung gebracht. Sie können Unfruchtbarkeit, Übergewicht, Diabetes oder Krebs mit verursachen. Besonders gefährdet sind Kinder, Schwangere und Jugendliche, weil sich ihr Körper in sensiblen Lebensphasen befindet. Betroffen sind auch Menschen, die beruflich mit Chemikalien zu tun haben, wie Landwirtinnen und Landwirte.

Bisherige Regeln reichen nicht aus

Nach Ansicht der Fachgesellschaften reichen die bisherigen Regeln zu ihrer Eindämmung nicht aus. Bestehende EU-Vorschriften seien eindeutig nicht in der Lage, die zunehmende Belastung mit endokrin wirksamen Substanzen und die Häufung chronischer Krankheiten zu verhindern, schreiben die Expert:innen. Immer mehr Menschen kämen mit hormonaktiven Chemikalien in Kontakt.

Das ist richtig, es gibt eine grosse Zahl endokriner Disruptoren, die sich in vielen Alltagsprodukten finden: Phthalate als Weichmacher in Plastik, Bisphenole in Verpackungen, Parabene als Konservierungsstoffe in Kosmetika.

Auch die Umwelt leidet – zum Beispiel durch langlebige Stoffe wie PFAS, die sich in Böden, Wasser und Lebewesen anreichern. Oder durch für Menschen durchaus erwünschte Wirkungen wie bei der Antibabypille, deren Rückstände ins Abwasser gelangen. Hormone wirken auf alle Lebewesen – auch auf Fische, Haus- und Zuchttiere.

Hohe Kosten durch Schäden und Reinigung

Die Kosten dieser Hormonverschmutzung sind hoch: Die Schäden durch hormonaktive Chemikalien kosteten die EU laut Schätzungen mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr, führen die Expertinnen und Experten an. Besonders teuer werde es, wenn PFAS aus der Umwelt entfernt werden müssten. Ohne weitere Beschränkungen könnten diese Kosten in Europa über einen Zeitraum von 20 Jahren bis zu zwei Billionen Euro betragen.

Vier konkrete Vorschläge

Die Fachgesellschaften der Endokrinologie (Hormonwissenschaft) machen vier Vorschläge, wie die EU vorgehen könnte:

  1. Bessere Datengrundlage und mehr Tests: Firmen sollen verpflichtend prüfen, ob ihre Chemikalien das Hormonsystem stören – unabhängig davon, wie viel sie davon herstellen. Hintergrund für diese Forderung ist wohl die sogenannte Tonnageschwelle der EU-Chemikalienagentur ECHA. Welche Informationen ein Hersteller oder Importeur bei der Zulassung einer Chemikalie einreichen muss, richtet sich bisher nach der Menge, die er in Verkehr bringen wird. Unterhalb einer Tonne gibt es beispielsweise nur wenige Vorschriften und eine Schätzung des Herstellers über die Menge genügt. Hormonstörende Stoffe sind aber oft in kleinsten Mengen wirksam.
  2. Regulierung für ganze Chemikaliengruppen: Ähnliche Chemikalien wie verschiedene Bisphenole sollen gemeinsam bewertet und reguliert werden. Das ist teilweise schon der Fall (Infosperber berichtete). Eine Regulierung für die gesamte Stoffklasse der PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) wird in der EU diskutiert.
  3. Mischungseffekte berücksichtigen: Die Wirkung von mehreren Chemikalien zusammen soll bei der Bewertung mitgerechnet werden – durch einen extra Sicherheitsfaktor. (Siehe Infosperber: Der Cocktail-Effekt)
  4. Verbot in Alltagsprodukten: Hormonstörende Chemikalien sollen nicht nur in Spielzeug, Verpackungen oder Kosmetika verboten werden, sondern grundsätzlich in allen Konsumgütern.

Unterstützung für PFAS-Verbot

Die Fachleute begrüssen den Vorschlag der EU, PFAS weitgehend zu verbieten. Ausnahmen soll es nur geben, wenn die Stoffe wirklich notwendig sind und es keine Alternativen gibt.

Weiterführende Informationen


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