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Brustvergrösserung ist die zweithäufigste Schönheits-OP in der Schweiz - aber nicht ohne Risiko. © CC

Brustimplantate können Krebs verursachen

Daniela Gschweng /  Frauen, die eine spezielle Form von Brustimplantaten tragen, können an einer seltenen Art von Lymphdrüsenkrebs erkranken.

Ein schon länger gehegter Verdacht hat sich erhärtet: Brustimplantate könnten in einigen Fällen Krebs verursachen. Das gab die US-Gesundheitsbehörde FDA bereits im März bekannt. Vorangegangen war die Untersuchung von 359 Fällen von anaplastischen grosszelligen Lymphomen (ALCL), einer seltenen Art von Lymphdrüsenkrebs, im Zusammenhang mit Brustimplantaten. Ärzte hatten diese 359 Fälle freiwillig gemeldet.

Besonders bitter ist die Erkrankung für Frauen, die sich wegen Brustkrebs eine Brust entfernen liessen, sich zu einer Rekonstruktion entschlossen und dann Jahre später erfahren, dass die eingesetzten Implantate wiederum Krebs ausgelöst haben. Der Tumor kann sich bereits ein bis zwei Jahre nach der Implantation bemerkbar machen oder auch erst Jahrzehnte später. Im Durchschnitt dauert es acht Jahre, bis das Lymphom sich entwickelt.

Im Fokus: Implantate mit rauer Oberfläche

Experten schätzen, dass etwa eine von 30‘000 europäischen und US-amerikanischen Frauen an ALCL erkrankt, wenn sie eine spezielle Form von Implantaten trägt, berichtet die «New York Times». Bei 10 Millionen Frauen, die weltweit Implantate tragen, dürfte es dann 333 an ALCL Erkrankte geben. Für Australien sei die Schätzung aus unbekannten Gründen drei- bis dreissigmal so hoch. In der Schweiz sind laut Swissmedic seit 2012 drei Fälle von ALCL gemeldet worden. Weltweit gab es laut FDA neun bestätigte Todesfälle.

Vor allem Implantate mit rauer oder texturierter Oberfläche scheinen die Entstehung von ALCL zu begünstigen. Der Grund ist noch nicht geklärt. Gemäss einer Theorie entstehen an rauen Implantatoberflächen eher Entzündungen, die zur Entstehung entarteter Zellen beitragen können. Dass chronische Entzündungen Krebs fördern können, ist bekannt. Eine andere Theorie geht von einer genetisch bedingten Anfälligkeit mancher Trägerinnen aus. Möglicherweise kommt beides zusammen. Womit die Implantate gefüllt sind, spielt keine Rolle.

Behandlung: raus mit dem Implantat

ALCL ist relativ gut behandelbar, wenn das Lymphom rechtzeitig entdeckt wird. Das Implantat und das umliegende Narbengewebe muss so schnell wie möglich entfernt werden, was in der Schweiz wie andere Komplikationen von den Kassen bezahlt wird. Abhängig von der Prognose bekommt die Trägerin zusätzlich Chemotherapie und Bestrahlungen.

Im Gegensatz zur Schweiz lehnen viele Krankenversicherungen in den USA das Bezahlen von Komplikationen ab, wenn diese wegen Schönheitsoperationen auftreten. Das berichtet die «New York Times». Die Kosten des Entfernens des Implantats muss die Patientin dann allein übernehmen. Kommt dazu noch eine teure Chemotherapie, kann das die Trägerin sehr teuer zu stehen kommen.

«Schwerwiegendes Vorkommnis» mit geringem Risiko

Die Schweizerische Gesellschaft für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie (Swiss Plastic Surgery) gab bereits 2015 eine Stellungnahme zu ALCL heraus, in der sie Diagnosewege aufzeigt und das Risiko, an ALCL zu erkranken unter Bezug auf die englischen und US-amerikanischen Kollegen als gering einschätzt. Zugleich wies sie ihre Mitglieder darauf hin, dass ALCL als «schwerwiegendes Vorkommnis» an Swissmedic zu melden ist.

Die Symptome von ALCL wie Schmerzen, Schwellungen oder Flüssigkeitsansammlungen in der Brust, gelegentlich auch Knoten in der Brust oder Achselhöhle, sind teilweise dieselben wie die einer Kapselfibrose. Durch einen Test der Flüssigkeit auf das Markerprotein CD30 kann eine Krebserkrankung festgestellt werden. Die Verkapselung, bei der sich durch eine Immunreaktion des Körpers eine harte Hülle um das Implantat bildet, ist eine der häufigsten Komplikationen bei Brustimplantaten. Verkapselungen kommen allerdings eher bei glatten Implantaten vor. Einige Schönheitskliniken raten auf ihren Webseiten deshalb zu rauen Kissen.

Noch immer nicht nachvollziehbar

Rückrufaktionen gab es bisher nicht. Käme es dazu, wären sie auch schwierig durchzuführen. Welche Frau welche Implantate trägt, ist in keiner Statistik erfasst. Nach dem Skandal um die französische Firma PIP, die fast zehn Jahre lang minderwertiges Silikon verwendete, hätte sich das eigentlich ändern sollen.

Weder die Operationen selber noch die verwendeten Implantate müssen die Chirurgen an eine zentrale Stelle melden. Swiss Plastic Surgery führt ein freiwilliges, anonymisiertes Implantatregister, in dem nach Schätzungen der Gesellschaft aber nur etwa ein Drittel aller Chirurgen Daten eingeben.

Beliebte Kissen
Schätzungsweise über 10 Millionen Frauen weltweit tragen Brustimplantate. Allein im vergangenen Jahr kamen laut der internationalen Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie ungefähr 1,5 Millionen dazu. Genaue Zahlen gibt es nicht, da nur ein Teil aller Operationen gemeldet und registriert wird, auch in der Schweiz.
Die Implantat-Kissen gibt es als runde oder tropfenförmige Einlagen mit unterschiedlicher Füllung. Implantate mit rauer Oberfläche sollen das Verrutschen verhindern.
Frauen, die sich für ein Implantat entscheiden, müssen dieses regelmässig kontrollieren lassen. Ältere Implantate müssen alle 10 bis 15 Jahre ausgetauscht werden. Neuere sollten länger halten. Zu den häufigsten Komplikationen gehören Verkapselungen, bei denen sich eine harte Hülle um das Implantat bildet, was bei neueren Implantaten bei etwa etwa jeder zwanzigsten Trägerin vorkommt.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «New York Times» und eigener Recherche erstellt.


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