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Long- oder Post-Covid: Nach vielen Wochen immer noch unterschiedliche Beschwerden. © AlexShadyuk.Depositphoto

Ärzte verrechnen Patienten fragwürdige Long-Covid-Therapien

Cornelia Stolze /  Gegen Long- und Post-Covid gibt es noch keine Therapien mit erwiesenem Nutzen. Behandelte müssen die Rechnungen selber zahlen.

Angeboten wird einiges: Das Zentrum der Erweiterten Medizin in Frankfurt am Main zum Beispiel wirbt für eine «Immunadsorption Apherese». Ein Dialysezentrum in Bayreuth setzt auf die sogenannte H.E.L.P-Apherese. Das Prevention Center in Zürich hält eine Hyperbare Sauerstofftherapie für Betroffene bereit. Eine Arztpraxis in Igls bei Innsbruck wiederum lockt mit einer Ozontherapie. Bisher gibt es allerdings zu keinem der vier Verfahren aussagekräftige Studien, die Hinweise darüber geben, ob sie bei Erkrankungen an Long- oder Post-Covid überhaupt nützen. Deshalb zahlt auch keine Krankenkasse. 

Mehrere Tausend Euro aus der eigenen Tasche

Trotzdem können Ärzte mit diesen Behandlungen zum Teil mehrere Tausend Euro pro Patient einnehmen. Statt der Krankenkasse zahlen die Betroffenen selbst, weil es sich nicht um Leistungen der Grundversicherung handelt (in Deutschland IGel). Und das kann teuer werden. Dem IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund zufolge kostet eine Hyperbare Sauerstofftherapie mit 15 bis 40 Sitzungen zwischen 4900 und 15’000 Euro. Bei der HELP-Apherese kommen leicht 5200 bis 11’500 Euro zusammen. Bei diesem Verfahren lassen Ärzte ihre Patienten in der Regel vier bis fünf Sitzungen durchlaufen, von denen jede 1300 bis 2300 Euro kostet. Die Ausgaben für eine Immun-Apherese liegen pro Sitzung zwischen 2300 und 2600 Euro, meistens werden mehrere Sitzungen angeboten. Im Vergleich dazu ist die Ozontherapie gegen Long-Covid oft relativ günstig. Mit meist sechs bis zehn Sitzungen zum Preis von je ungefähr 70 Euro zahlt der Patient insgesamt rund 700 Euro. 

In den vergangenen Monaten hat das wissenschaftliche Team des IGeL-Monitors zu allen vier Verfahren Studien und systematische Übersichtsarbeiten recherchiert. Ergebnis: Bisher existiert weder eine eindeutige Diagnostik für Long- oder Post-Covid noch eine spezifische Behandlung. 

Ärzte sprechen von Long-Covid, wenn nach einer COVID-19-Erkrankung längerfristig anhaltende oder neue körperliche und psychische Beeinträchtigungen auftreten, die nicht anders erklärbar sind und wenn diese Beschwerden länger als vier Wochen nach der Infektion anhalten. Bestehen die Probleme zwölf Wochen und mehr, nennt man das Phänomen Post-Covid.  

Ursache unklar – Nutzen von vier Therapien unbelegt

Unklar ist auch, was die Symptome auslöst. Eine Theorie besagt, dass an den Beschwerden krankmachende Blutbestandteile schuld sind. Eine Therapie, die manche Mediziner propagieren, ist deshalb die Blutwäsche, von Fachleuten auch Apherese genannt. Mit dieser Methode lassen sich bestimmte Bestandteile oder krankheitsverursachende Stoffe aus dem Blut entfernen. 

Im Fall der H.E.L.P.-Apherese (Heparin induzierte extrakorporale Lipoprotein/Fibrinogen Präzipitation) sind das sogenannte Mikrogerinnsel, die einer Vermutung zufolge an der Entstehung von Long-Covid beteiligt sind. Ziel der Verfechter der Immun-Apherese, auch Immunadsorption genannt, ist es dagegen, sogenannte Auto-Antikörper aus dem Blut zu filtern. Obwohl unklar ist, ob eine H.E.L.P.-Apherese als Therapie wirklich nützt, hatte eine ARD-Dokumentation das Verfahren im vergangenen Herbst als hoffnungsvolle Therapie dargestellt – was selbst innerhalb der ARD für Kritik sorgte.

In der Schweiz behaupten die Nephrologie- und Dialysezentren B. Braun Medical Care AG, welche die H.E.L.P.-Apharese anbieten, vorsichtig: «Bisher durchgeführte Behandlungen legen nahe, dass viele Symptome durch eine Verbesserung der Mikrozirkulation erfolgreich behandelt werden können.» Auch in der Schweiz vergütet die Grundversicherung die Kosten nicht.

Bei der Hyperbaren Sauerstofftherapie geht es darum, dem Körper eine Extra-Portion Sauerstoff zuzuführen, die ihm vermeintlich fehlt. Bei diesem Verfahren setzt sich der Patient für eine gewisse Zeit in eine Druckkammer, in der er unter erhöhtem Umgebungsdruck über eine Maske reinen Sauerstoff einatmet. Angeblich bekämpft die Behandlung Infektionen, verbessert die Muskulatur, beseitigt das Gefühl von kognitiven Minderleistungen und vieles mehr. 

Ähnlich umfassende Wirkungen schreibt man auch der Ozontherapie zu. Für die «Grosse Ozon-Eigenbluttherapie» wird den Patienten zunächst Blut abgenommen. Danach wird dem Blut ausserhalb des Körpers ein künstlich hergestelltes Sauerstoff-Ozon-Gemisch zugesetzt. Danach wird das Blut wieder per Infusion in den Körper zurückgeführt. Wird nur eine kleine Menge Blut mit Ozon angereichert und in einen Muskel gespritzt, spricht man von einer Kleinen Ozon-Eigenbluttherapie.

Unerwünschte Nebenwirkungen sind belegt

Während es zu keinem der vier Verfahren bisher aussagekräftige Studien gibt, die Hinweise auf einen Nutzen bei einer Behandlung von Long- oder Post-Covid-Patienten gibt, sind unerwünschte Nebenwirkungen dieser Therapien durchaus bekannt. Davor hat unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) bereits im März gewarnt. Die H.E.L.P.-Apherese zum Beispiel sei keineswegs risikofrei, betonte der DGN-Generalsekretär Peter Berlit. Die Patienten werden bei dem Verfahren mit Heparin behandelt, damit das Blut nicht ausserhalb des Körpers gerinnt. Das könne in Folge zu Blutungskomplikationen führen. Für manch einen Patienten sind diese lebensgefährlich. Auch allergische Reaktionen seien nicht ausgeschlossen, so die DGN.

Um herauszufinden, ob eine Blutwäsche tatsächlich gegen Long- oder Post-Covid wirkt, seien randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich, sagt Berlit. «Solange die Ergebnisse nicht vorliegen, können wir die Immunadsorption nicht empfehlen.»

Auch andere medizinische Fachgesellschaften raten bei von Long- oder Post-Covid von einer Behandlung mit dieser und den anderen noch nicht durch Studien überprüften Verfahren ab. Sie sollten aktuell nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden, fordern die Autoren des IGeL-Monitors. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 7.09.2023 um 11:49 Uhr
    Permalink

    Long-Covid dürfte etwa dasselbe wie ME/CFS sein, und das ist seit 1969 von der WHO als neurologische Erkrankung anerkannt. Auch von Krankenkassen und Invalidenversicherung in der Schweiz? https://kopfschmerzen.webnode.page/u-a-w-g/

  • am 10.09.2023 um 22:02 Uhr
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    «Long Covid» bzw. «Post Covid» sind ziemlich rätselhafte Krankheitsbilder. Wie schon von Wolfgang Reuss bemerkt, stimmen die Symptome ziemlich genau mit ME/CFS überein. Auch Impfschäden können sich praktisch gleich äussern.
    Die Betroffenen leiden schwer, und offenbar hat die Häufigkeit dieses Krankheitsbildes massiv zugenommen. Das müsste eigentlich Grund für ausserordentliche Forschungsanstrengungen sein. Wieviel läuft da zur Zeit?
    Die im Artikel beschriebenen Therapien wirken etwas fragwürdig. «Blutwäsche» mag ja ein guter Name sein, um einen ordentlichen Placeboeffekt zu erzielen, aber wenn man nicht einmal weiss, was man denn aus dem Blut herauswaschen will, dann scheint es mir doch etwas dubios.

    Gibt es auch seriöse Forschung zum Ausbruch der Krankheit? Wann erfolgte die Zunahme der Fälle? Wie lange nach einer (belegten?) Corona-Infektion? Nach einer schweren oder leichten Akuterkrankung? Impstatus?

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