Kommentar

Wenn Hirn und Computer fusionieren

Beat Gerber © bg

Beat Gerber /  Die Hirnforschung macht grosse Fortschritte, nicht aber ihr Studienobjekt. Bald droht uns scharfe Konkurrenz durch Menschmaschinen.

Die menschliche Intelligenz wird seit jeher angezweifelt. Meist war es Dummheit oder zumindest Beschränktheit, die den Weltenlauf gelenkt hat. Man erinnere sich an den Niedergang grandioser Reiche, den Sturz grausamer Kolonialherrschaften und totalitärer Regimes sowie derzeit an die Abdankung des Weltpolizisten USA – trotz seines marschflugkörperlichen Machtgehabes in Syrien letzthin.

Was denken sich eigentlich die Hauptakteure bei solch politischen Agonien? Warum kommt es zu derartigen Zerfallsprozessen? Was läuft im Kopf eines Trump, Kim Jong-il oder eines Assad tatsächlich ab? Welche Gedanken schwirren durch das Hirn eines Erdogan, Orbán oder eines Mugabe (Simbabwe)? Antworten dazu könnte die Neurologie liefern, sie studiert das Gehirn in all seinen Dimensionen.

Die 1,4 Kilogramm schwere, wässrige Gewebemasse, ausgestattet mit 100 Milliarden Neuronen (Nervenzellen) und bloss 20 Watt Leistung, fordert die Wissenschaft heftig heraus. Auch die Laien sind vom menschlichen Denkapparat fasziniert, Veranstaltungen wie BrainFair ziehen ein breites Publikum an. Vom aktuellen Boom der Hirnforschung profitieren nicht nur Hochschulen, Pharmafirmen und Geheimdienste, auch die Gerätehersteller verdienen kräftig mit.
Lernen im Schlaf mit Traumfigur
Immer mehr Geheimnisse des Gehirns werden gelüftet, beispielsweise wo und wie das Organ lernt oder die Nahrungsaufnahme steuert. Davon versprechen sich die Forscher folgenreiche Erkenntnisse für ein müheloses Lernen sowie Therapien, um die Mager- bzw. Fresssucht zu kurieren (Cerveau et Psycho, 03/2017). Früher oder später werden wir uns Fremdsprachen im Schlaf aneignen können und mit optimalem Body Mass Index herumspazieren, orakelt die Wissenschaft. Die Forschungsfortschritte stützen sich meist auf bildgebende Verfahren (z.B. Magnetresonanztomografie MRI), die immer raffinierter und schneller werden. Damit lassen sich zeitliche Veränderungen in gewissen Hirnbereichen beim Denken und Fühlen bereits sehr detailreich nachweisen. Die wissenschaftlichen Publikationen darüber jagen sich.
Aus den Forschungslabors sind aber nicht nur frohe Botschaften zu hören. Bei Alzheimer, Parkinson und weiteren neurodegenerativen Leiden gibt es wissenschaftliche Rückschläge. Die altersbedingten Krankheiten machen Angst, überfordern Spitäler und Angehörige (NZZ, 22.03.). Auch ein neues Rechenverfahren rüttelt auf. Der entwickelte Algorithmus wird es ermöglichen, aus mikroskopischen Bildern des Gehirns auf dessen Verknüpfungsstruktur zu schliessen – mit weitaus grösserer Genauigkeit als bisher (Nature Biotechnology 34; NZZ, 01.04.). Um das komplexe Denkorgan zu verstehen, muss man die Verbindungen zwischen sämtlichen Nervenzellen (Neuronen) kennen. Dieser Schaltplan eines Gehirns könnte somit dereinst geknackt und theoretisch auf Apparaturen der künstlichen Intelligenz wie etwa Roboter übertragen werden. Die mustergültige Menschmaschine wäre schliesslich Realität.
Verschlüsselung des Bewusstseins
Einen bescheidenen Beginn vollzieht Technologie-Tausendsassa Elon Musk (Tesla, SpaceX), der Chips ins Hirn einbauen will (Blick am Abend, 28.03.). Solche Minicomputer sollen dank künstlicher Intelligenz unser Denken unterstützen. Die Verbindung zwischen Hirn und Rechenmaschine wird zunehmend auch eine geostrategische Bedeutung erhalten. Wie die Enthüllungsplattform Wikileaks kürzlich berichtete, setzt die CIA verbreitet hoch entwickelte digitale Spionagewerkzeuge ein (diverse Medien, 08.03.). Mit Viren, Malware, Trojanern und andern Störprogrammen dringt der US-Geheimdienst in Smartphones, Computer und smarte TV-Geräte ein, um von dort aus Gespräche abzuhören oder Mails zu lesen. Brisant dabei ist, dass die Tools der CIA-Hacker offenbar die Software zum Verschlüsseln von Kommunikationen unterlaufen, indem sie auf Text- und Audio-Dokumente zugreifen, bevor diese verschlüsselt werden.
Schnell hat sich da eine aussichtsreiche Marktlücke geöffnet. Beflissen innovative Spin-offs renommierter Unis entwickeln jetzt Verschlüsselungstechniken, welche die Informationen (für Mails, SMS, Tweets, Audios etc.) bereits vor deren Formulierung chiffrieren und damit für die CIA unkenntlich machen. Diese neuartigen, sogenannt prä-artikulativen Kryptografie-Methoden müssen zwingend ins Bewusstsein (sprich: Hirn) der User eindringen, deren aktuelle Gedanken erfassen, die daraus generierten schriftlichen oder mündlichen Formulierungen antizipieren und sie unmittelbar encodieren.
Verschwörungstheorie oder Hirngespinst?
Die Entwicklung derartiger Brain-Bots (Hirnautomaten) erfordert eine enge fachübergreifende Zusammenarbeit von Neurobiologie (Hirnforschung) und Informatik (Kryptografie). Die hierfür eingesetzten Neurobio-IT-Spezialisten sind weltweit dünn gesät und stammen vor allem aus China, wo solche Verknüpfungen zwischen Hirnmanipulationen und Computertechnik erfolgreich ausgenutzt werden. Ob auch Schweizer Firmen beteiligt sind, ist offen. Leider konnten diese Schreckensvisionen aus anonymem Quellen nicht bestätigt werden, vorläufig handelt es sich um (vielleicht bewusst gestreute) Gerüchte. Aussenstehende sprechen nervös von einer Verschwörungstheorie, Eingeweihte hingegen von einem Hirngespinst.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der langjährige Wissenschaftsjournalist des «Tages-Anzeiger» war bis Februar 2014 Öffentlichkeitsreferent der ETH Zürich. Er publiziert heute auf seiner satirischen Webseite «dot on the i».

Zum Infosperber-Dossier:

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Beat Gerber: Tüpfelchen auf dem i

Die Welt ist Satire. Deshalb ein paar Pastillen für Geist und Gaumen.

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Beat Gerber

Der langjährige TA-Wissenschaftsjournalist und ehemalige ETH-Öffentlichkeitsreferent publiziert auf www.dot-on-the-i.ch Texte und Karikaturen. Kürzlich erschien sein erster Wissenschaftspolitkrimi «Raclette chinoise» (Gmeiner-Verlag).

2 Meinungen

  • am 18.04.2017 um 22:46 Uhr
    Permalink

    Für meinen Geschmack kommen Wörter wie «könnte», «hätte», «würde», «theoretisch», «versprechen sich» oder «dereinst» etwas gar häufig vor. Anhand der themenbezogenen Interessen des Autors kommt bei mir dann die Frage auf: Ist das jetzt Satire? Sci-Fi? Fantasy?

  • am 23.04.2017 um 09:06 Uhr
    Permalink

    Man könnte es nennen «„Wir leben in einer Zeit vollkommener Mittel und verworrener Ziele.“
    Man sollte sich fragen, was sind die Ziele solcher Machenschaften?
    Den Menschen noch mehr zu ersetzen? Was für Probleme sollen damit gelöst werden?

    Legendär ist die Anekdote aus den 1950er Jahren, als der Gewerkschaftsführer Walter Reuther eine der vollautomatischen Anlagen der General-Motors-Werke besuchte. Der Gastgeber, Henry Ford II, fragte den Gewerkschaftsführer spitz, indem er auf die menschenleere Halle zeigte: «Walter, wie willst du diese Roboter dazu bringen, dass sie deine Beiträge (z.B. AHV, IV, BVG, ALV) zahlen?» Worauf Reuthers kühl konterte: «Henry, wie willst du die Roboter dazu bringen, dass sie deine Autos kaufen?"

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