aa.Spieler.Synes.2020

Synes Ernst: Der Spieler © zvg

Der Spieler: Gierige Punktejagd wird bestraft

Synes Ernst. Der Spieler /  «Fuchs im Wald» ist ein anspruchsvolles Stichspiel für Zwei. Dank einigen witzigen Regelbestimmungen ist es voller Wendungen.

Bleiben wir bei den Tieren! Nachdem wir vor zwei Wochen in «CuBirds» Vogelschwärme eingefangen haben, beschäftigen wir uns heute mit dem «Fuchs im Wald». Gattungsmässig haben die beiden nichts miteinander zu tun, weder die Vögel und Füchse, noch die beiden Spiele. «CuBirds» ist ein lupenreines Kartensammelspiel, «Der Fuchs im Wald» ein Stichspiel. Doch in einem Punkt weisen sie eine Gemeinsamkeit auf – ihre thematische Einkleidung und die entsprechende Gestaltung des Titelbildes sind total irreführend. Denn nicht ein niedliches Kinderspiel erwartet uns Spielerinnen und Spieler, sondern eine eher anspruchsvolle taktische Herausforderung, bei «Der Fuchs im Wald» noch mehr als bei «CuBirds».

Zufall bestimmt den Trumpf

«Der Fuchs im Wald» ist schnell erklärt: Von den insgesamt 33 Karten – je elf pro Farbe – erhält jeder der beiden Mitspielenden je 13 Karten auf die Hand. Es bleiben somit sieben Karten übrig, die den Nachziehstapel bilden. Von diesem wird die oberste Karte genommen und offen auf den Tisch gelegt. So wird die Trumpffarbe in jeder Runde zufällig bestimmt. Wie in einem Stichspiel üblich, muss die ausgespielte Farbe bedient werden. Es gewinnt immer die höchste Zahl, ausser es werde eine Karte in der Trumpffarbe gespielt. Diese sticht in jedem Fall. Sind alle 13 Karten gespielt, werden die Punkte für den jeweiligen Durchgang berechnet. 

Und nun, was ist das Besondere an «Fuchs im Wald»? Was soll daran «taktisch eher anspruchsvoll» sein? Wohl kaum etwas, wären da nicht Karten mit den ungeraden Zahlen, die jeweils eine Sonderfunktion besitzen. Richtig eingesetzt, lässt sich mit diesen das Spielgeschehen tüchtig aufmischen und durcheinander bringen. So ist die 11 nicht bloss die höchste Zahl einer Farbe. Mit ihr zwinge ich meine Gegnerin zudem, ihre wertvollste Karte der entsprechenden Farbe zu spielen (und zu verlieren, weil sie in jedem Fall niedriger ist als die 11). Die 9 gilt als Trumpf, mit der 7 sichere ich mir einen zusätzlichen Wertungspunkt. Spiele ich eine 5, tausche ich eine Handkarte mit der obersten Karte des Nachziehstapels, mit der 3 darf ich, wenn ich will, mit einer meiner Handkarten die Trumpffarbe wechseln. Und wer die 1 legt, spielt immer zum nächsten Stich aus.  

Sechs Punkte für Demut

Wie man diese Sonderkarten als taktische Werkzeuge einsetzt, hängt in erster Linie davon ab, wie man das Spielziel erreichen will, nämlich die 21 Punkte zu erreichen, die zum Sieg nötig sind. «Der Fuchs im Wald» macht uns das Punktesammeln gar nicht einfach. So wäre es gewesen, wenn es beispielsweise für jeden Stich einen Punkt gegeben hätte. Dem ist aber nicht so. Es geht hier nämlich gar nicht darum, möglichst viele Stiche zu machen oder gar einen so genannten «Match» zu erzielen. Solches Verhalten wird in der Spielanleitung als «gierig» getadelt und mit null Punkten bestraft. Belohnt wird hingegen mit sechs Punkten die «siegreiche» Spielweise, die es schafft, bei zwischen sieben und neun Stichen zu landen. Alternativ kann man auch versuchen, auf null bis drei Stiche zu kommen. Das gilt als «demütig» und ist ebenfalls sechs Punkte wert. Wenn es in einer Runde mittelmässig läuft, bekommt man dafür als Trost zwischen einem und drei Punkten. 

Ständiges Abwägen

«Der Fuchs im Wald» ist ein ständiges Abwägen. Gleich zu Beginn einer Runde schätze ich mein Blatt ein. Visiere ich eher eine hohe Stichzahl an? Das bietet sich an, wenn ich hohe Werte oder viele Trümpfe auf der Hand habe. Dabei riskiere ich aber, dass mir meine Gegenspielerin ein paar Stiche «beschert» und mich so über die ominöse Neuner-Grenze drängt. Statt der erwarteten tollen sechs Punkte gäbe es dann, oh schrecklich, bloss einen Nuller. Diese Gefahr droht ebenfalls, wenn ich aufgrund meiner Handkarten plane, dem Gegenüber möglichst viele oder gar alle Stiche zu überlassen. Denn wie schnell ist es passiert, dass ich doch noch ein paar Stiche machen muss und so in den Bereich gelange, in dem die Siegpunkte nur spärlich fliessen.

Bei allem Abwägen gilt auch zu berücksichtigen, dass ein überraschender Trumpfwechsel den weiteren Verlauf total verändern könnte. Damit ist auch klar, dass die Karte mit der Drei eine der stärksten und hinterhältigsten im Spiel ist. Da sie insgesamt höchstens dreimal vorkommt, sollte man genau überlegen, wann man sie einsetzt. Ist man zu früh damit, könnte sich die Gegenspielerin später auf dieselbe Art revanchieren. Aber auch das Zuwarten hat seine Tücken. Denn ab einem gewissen Zeitpunkt ist es zu spät, um auf Veränderungen zu reagieren. Den richtigen Einsatz nicht zu verpassen, gilt übrigens nicht nur für die Drei (Trumpfwechsel), sondern für alle Sonderkarten. 

Bis man alle taktischen Möglichkeiten kennt und beherrscht, die das Spiel bietet, dauert es einige Runden. Völlig unnötig. Denn es wäre für den Verlag und die Redaktion ein Leichtes gewesen, die Spielanleitung klarer zu formulieren und vor allem die Sonderkarten nutzerfreundlicher zu gestalten, so dass man deren Effekte auf einen Blick erkennen könnte.

Seltene Gattung

«Der Fuchs im Wald» zählt als Kartenstichspiel für Zwei zu einer seltenen Gattung. Stichspiele hingegen, bei denen mehrere Personen mitmachen können, gibt es wie Sand am Meer. Dieses Phänomen hat vor allem damit zu tun, dass bei dieser Art von Spielen verdeckte Informationen von zentraler Bedeutung sind. Je grösser die Runde, desto weniger wissen die Einzelnen, welche Karten ihre Mitspielenden auf der Hand haben, und desto schwieriger ist der Überblick über das Geschehen am Tisch. Und je mehr Leute mitspielen, desto mehr Entscheidungen (tatsächliche oder mögliche) muss ich in meine Überlegungen einbeziehen. Gerade dies macht den Reiz der Stichspiele aus, besonders wenn das Zusammenspielen mit Partnern als zusätzliche Komponente hinzukommt, wie etwa bei einem Schieber im Jassen.

Als Liebhaber von Stichspielen und als Spieler, bei dem derzeit umständehalber vor allem Spiele für zwei Personen auf den Tisch kommen, freue ich mich über einen Titel wie «Der Fuchs im Wald». Denn er bietet unserer kleinen Runde dank einiger witzigen Regelbestimmungen genau das, womit ein Mehrpersonenstichspiel eine Gruppe von drei bis sechs Leuten begeistert: Taktische Finessen, Spiel mit verdeckten Informationen, Hinterlist und kleine Bosheiten, Freude, wenn die taktischen Pläne aufgehen, aber auch Ärger und Frust, wenn das Spiel plötzlich zu kippen beginnt und sich nicht mehr aufhalten lässt.

Der Fuchs im Wald: Kartenstichspiel von Joshua Buergel für 2 Personen ab 10 Jahren. Edition Leichtkraft im Verlag Schwerkraft. Fr. 25.50. Besonderes: Auf der Empfehlungsliste zum «Spiel des Jahres 2020».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Synes Ernst ist Spielekritiker. Es war lange in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch als beratendes Mitglied. An der aktuellen Jury-Tätigkeit ist er nicht mehr beteiligt.

Zum Infosperber-Dossier:

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